St.Pauli-Nacht
am Freitag, den 14.09. um 23 Uhr im Kino Babylon der Pelmke
"Wer hat uns betrogen? - Sozialpädagogen! Wer betrügt uns nie? - St.
Pauli!“ – Dies ist nicht nur einer der Schlachtgesänge der
Fußballfans des 1. FC St. Pauli, es könnte auch ein Leitspruch
sein, der das gesamte Lebensgefühl jener berühmten sündigen Meile
im Herzen von Hamburg auf den Punkt bringt. St. Pauli, das ist mehr
als nur ein Stadtteil an der Norder-Elbe – St. Pauli, das ist die
Summe seiner bewegten Einzelschicksale, das sind menschliche
Tragödien und Komödien, Lüste und Leidenschaften, Träume und
Tränen. Vor allem aber ist es jene legendäre Straße, die sich wie
eine pulsierende Hauptschlagader durch den Kiez zieht: die
Reeperbahn.
In ihrer langen und bewegten Geschichte wurde sie von zahlreichen
Dichtern, Bänkelsängern und Bordstein-Poeten immer wieder mit einer
Frau verglichen, manchmal sogar mit einer Göttin der Liebe und des
Todes. Wenn die Sonne untergeht auf St. Pauli, ist sie die
verführerische Königin der Nacht, gekrönt von einem Diadem aus
Lichtern, strahlend und glitzernd, lasziv geschminkt und üppig
herausgeputzt, die Schwärmer und Liebeshungrigen umgarnend und
bezaubernd. Nur wenige Stunden währt ihr rauschhafter Tanz. Am
nächsten Morgen sieht sie aus wie eine abgetakelte graue Hure,
besudelt von Pisse und Kotze und ranzigem Sperma, die sich die
Säufer, Drogensüchtigen und gefallenen Engel wie Nissen aus den
strähnigen Haaren kämmt.
Das mag sich jetzt alles bannig theatralisch und überbordend anhören,
aber wie sagt der Hanseat so trefflich: „Dat passt as’ n Knüppel
upp’ n Kopp!“
Selbstredend
war St. Pauli und die Reeperbahn auch häufig Schauplatz (und
heimlicher Hauptdarsteller) bei zahlreichen Lichtspielen, die vor
allem in den 60er und 70er Jahren entstanden – hier müssen
Regisseure wie Jürgen Roland, Rolf Olsen und Wolfgang Staudte
genannt werden, die uns unvergleichliche Filme bescherten wie
POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE, ZINKSÄRGE
FÜR DIE GOLDJUNGEN, DAS STUNDENHOTEL VON ST.PAUL oder FLUCHTWEG ST. PAULI.
Besonders umtriebig war Rolf Olsen, dessen berühmtester Film wohl der
temporeiche und ruppige Gangsterfilm BLUTIGER
FREITAG (1972) mit Seewolf Raimund Harmstorf sein dürfte. Was viele
Kinofreunde erstaunt: Olsen, der Hamburg-Experte, war kein gebürtiger
Hanseat, sondern kam am 26. Dezember 1919 in Wien zur Welt. Zunächst
sammelte er Bühnenerfahrungen in Österreich, bis er als Co-Autor
für SINGENDE ENGEL (1947) seine ersten Spuren in der Welt des Films
hinterließ. Olsen war ein Multitalent und gehörte zu den
vielseitigsten Filmschaffenden im deutschen Sprachraum. Als Regisseur
bewegte er sich in den unterschiedlichsten Sparten des Genres, sei es
Komödie bis zum Schwank, Drama bis zum Melodrama oder Krimi bis zum
Gruselfilm. Er arbeitete mit Filmgrößen wie Heinz Erhardt, Curd
Jürgens, Klaus Kinski, Mario Adorf und
vielen anderen. Darüber hinaus verfasste er Bühnenstücke und
arbeitete als Hörspielsprecher.
Außerdem
trat er als Schauspieler in über 60 Filmen auf, u.a. in KLEINER
SCHWINDEL AM WOLFGANGSSEE von Franz Antel (1949), wo er seine erste
Rolle bekleidete. Es folgten Unterhaltungsfilmen wie IN MÜNCHEN
STEHT EIN HOFBRÄUHAUS, DIE DREI VON DER TANKSTELLE, KRIMINALTANGO,
DIE ABENTEUER DES GRAFEN BOBBY oder der Western DER LETZTE RITT NACH
SANTA CRUZ.
Mehrere
„St. Pauli-Filme“ gingen auf sein Konto – so auch die beiden,
die in dieser Doppelvorstellung im BALI laufen werden. Genannt werden
müssen DER PFARRER VON ST. PAULI (1970), KÄPTN RAUHBEIN AUF ST.
PAULI (1971)und DAS STUNDENHOTEL VON ST. PAULI (1970), bei denen Curd
Jürgens die Hauptrolle spielte.
Auf Olsens Konto geht auch der Thriller DAS RASTHAUS DER GRAUSAMEN PUPPEN
(1967), der deutliche Horroranteile aufweist und leider bis heute in
keiner ungeschnittenen und brauchbaren Heimkinoauswertung vorliegt.
In späteren Jahren verdingte Olsen sich mit Mondo-Dokumentationen wie
EKSTASE – DER PROZESS GEGEN DIE SATANSMÄDCHEN (1979), SHOCKING
ASIA (1975) oder SHOCKING ASIA 2: THE LAST TABOOS (1976). 1990 kehrte
er noch einmal auf DIE GROSSE FREIHEIT (TV-Miniserie) zurück, bevor
er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Filmgeschäft
zurückzog.
Im ersten Beitrag unserer Reeperwahn-Nacht spielt Curd Jürgens den
„Nuttendoktor“ Jan Diffring, der seinen Patienten in Hamburgs
berühmt-berüchtigtem Stadtteil jederzeit mit Rat und Tat zur Seite
steht und auch schon mal ordentlich mit der Faust zulangen kann, wenn
es sein muss. Rolf Olsen ist hiermit ein schmissiger, actionreicher
Milieufilm mit Gangster-Einschlag gelungen, der blendend unterhält
und aus heutiger Sicht oft (unfreiwillig) komisch wirkt.
Dasselbe gilt für den zweiten Film der Nacht, der ebenfalls von Olsen
inszeniert wurde und zu einem der rasantesten Vertreter der St.
Pauli-Filme zählt. Heinz Reincke, Erik Schumann und Jürgen Draeger
hauen mächtig auf den Putz. Krautploitation in Reinkultur, ein
wahres Trommelfeuer aus Action, Sex, Gewalt und Gefühlen!
Diese seltene Filmperle ist bislang noch nicht auf DVD in Deutschland
erschienen! Wir zeigen Olsens Meisterwerk exklusiv und ungekürzt im
BALI!
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.