Filmclub Bali
   
 

IN THE FOLDS OF THE FLESH

(“Nelle pieghe della carne”, Italien/Spanien 1970) R: Sergio Bergonzelli

Im psychedelischen Schlachthaus des Herrn Bergonzelli

Lucille (Eleonora Rossi Drago) lebt mit ihrem Sohn Colin (Emilio Gutiérrez Caba) und der psychisch angeschlagen Falesse (Pier Angeli) in einem idyllischen Anwesen. Grausige Vorfälle trugen sich vor vielen Jahren zu! Nun werden die Bewohner des Hauses gnadenlos von der Vergangenheit eingeholt, alle Beteiligten geraten in einen Strudel aus Gewalt, Sex und Irrsinn… (waren nicht längst darin gefangen?)
In the Folds of Flesh
Bewusst halte ich den Einblick in den Inhalt des Films kurz und vage. "Nelle pieghe della carne" ist ein Erlebnis, ein Rausch, ein Prachtexemplar! Regisseur Sergio Bergonzelli schüttet einen gigantischen Trog voll mit Emotionen und Wahnsinn über dem Zuschauer aus, prügelt die Charaktere in eine Suhle der Sünden und des Schreckens. Zu Beginn schlägt der Blitz ein, legt man uns einen frisch abgetrennten Kopf auf den Teppich, drapiert paralysierte Gestalten um das Haupt. Klatsch, schon rauscht der Zug herbei und die Polizei verfolgt eine flüchtigen Ganoven. Diese Dynamik zieht sich durch das gesamte Werk, Stimmungen kippen und bleiben doch konstant, die Atmosphäre stets sexuell aufgeladen, kleine und größere Geschmacklosigkeiten poltern durch das Szenario. Grotesk, bizarr, absurd? Immer, sicher! Dennoch drückt sich das Drehbuch nicht vor einer gelungenen Auflösung. Pünktlich zum Finale twistet der Plot fröhlich umher, kommt letztlich cleverer und durchdachter aus der Hüfte, als es so mancher gelobte und geachtete Genreklassiker von sich behaupten kann. Ein Giallo der ganz besonderen Sorte, abgegriffene Worthülsen wie "Trash" sind völlig deplaziert, geradezu lächerlich!
Achterbahn pur! Störenfriede enden im Säurebad, Familienfreunden der eigenwilligen Art. Fantastisch Eleonora Rossi Drago, Mixtur aus Übermutter, eiskalter Killerin und begehrenswerter Schönheit, umweht vom Hauch des Todes. Pier Angeli, ein gefallener Engel in der Spätphase der Karriere, zu bewundern in einem ihrer letzten Auftritte. Ihre Falesse getrieben von Begehren, Ängsten und Zorn, die Wurzel des Unheils verborgen. Emilio Gutiérrez Caba als verdorbenes Großmaul Colin, gleichzeitig ebenso schwer traumatisiert, überdies sensibel und künstlerisch begabt. Ein teuflisches Trio! …oder lediglich gepeinigte Seelen auf der Suche? Fernando Sancho bleibt es auffälligster Nebendarsteller in Erinnerung, bricht wie ein Berserker in die Welt des Trios ein, wähnt sich in trügerischer Sicherheit, suhlt sich in der eigenen Perversion. Charakterkopf Luciano Catenacci, Alfredo Mayo, Víctor Alcázar und andere Herren (und Damen) runden das Ensemble ab, ich gehe nicht weiter auf die Nebenfiguren ein, will Spoiler vermeiden.
Geier, immer wieder Geier, im Käfig gehaltene Geier, der rasende Zug und das blubbernde Säurebad, im Taumel Rückblicke in die düstere Zeit der Naziherrschaft, Zyklon B und eine Kuckucksuhr als Team des Todes, Sigmund Freud. Was zum Teufel… Ich könnte noch Stunden über diesen Film schreiben, alles und gar nichts sagen, dieser Schatz ist unbeschreiblich! Abseits von schwarzen Handschuhen, maskierten Killern und Rasiermessern, nie war der Giallo mutiger, kreativer, visionärer! 1970 kochte der Kessel gerade erst so richtig hoch, umso respektabler dieser Beitrag von Sergio Bergonzelli, der Grenzen auslotet und Verschrobenheit mit einer ausgeklügelten Erzählung verbindet. Nur der aufmerksame Zuschauer wird dem Treiben folgen können, nur der aufgeschlossene Filmfreund wird Zugang (wie auch immer dieser aussehen mag, sich anfühlen wird) zu diesem Filmerlebnis finden.
Leider wurde der Film bisher nicht in Deutschland ausgewertet. Abhilfe schafft die gute DVD aus den USA, Severin präsentiert den Streifen in schöner Qualität, leider besteht das Bonusmaterial lediglich aus einem Trailer. Kaufbefehl, keine Ausreden!
Dicke 9/10 (überragend)
Lieblingszitat:
"200.000 Dollars for this?"

. Blap -





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