Filmclub Bali
   
 

GIALLO

(Italien 2009) R: Dario Argento

In Turin geht ein Serienmörder um, der als Taxifahrer getarnt junge hübsche Frauen kidnappt und zu Tode foltert – um ihre Schönheit zu zerstören, die er nicht erträgt, da er selber hässlich ist. Als das Model Celine (Elsa Pataky) in seine Gewalt gerät, macht sich ihre Schwester Linda (Emanuelle Seigner) auf die Suche nach ihr, unterstützt von Inspektor Enzo Avolfi (Adrien Brody), der eine ungesunde Besessenheit für den Fall entwickelt hat. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt...
Giallo
Was wie ein solider (Fernseh-)Krimi beginnt, entwickelt sich schließlich zu einer "Cop jagt Serial Killer"-Mixtur, bei der ich mich mehr als einmal fragen musste: Versucht Argento uns hier womöglich eine Parodie auf das Giallo-Genre unterzujubeln? Hat er das etwa ernst gemeint??
Die erschütternde Antwort lautet: Ja. Offensichtlich hat er das.
Ein Faible für ausgefeilte Drehbücher bewies Argento freilich noch nie, aber was die immerhin drei Autoren Argento, Jim Agnew und Sean Keller sich hier zusammengeklaubt haben, bewegt sich allenfalls auf Amateurniveau. Die vorhersehbare Geschichte schleppt sich vollkommen linear von Punkt A zu B ohne jegliche Überraschung, ohne Wendungen, ohne Spannungsbogen. Das alles hat man schon tausendfach besser gesehen. Inhaltsleere regiert, Logiklöcher klaffen, die Figuren haben die Tiefe von (schlechten) Comicheft-Stereotypen, die Dialoge das Niveau von Sprechblasen.
Während die narrativen Mängel bei Filmen wie SUSPIRIA oder INFERNO aber durch den wundervollen Stil, den Rausch der Farben und die innovative Kameraführung (nicht zu vergessen den Musikeinsatz!) mehr als wett gemacht wurden, kann GIALLO nicht mal damit punkten. Die Inszenierung ist furchtbar bieder und belanglos – der Film versprüht das Flair einer sterilen SAT 1-Fernsehproduktion.
Auch kompetente Schauspielerführung war bekanntlich noch nie Argentos Stärke, aber die Lustlosigkeit, mit der seine beiden Stars hier im Stich gelassen werden, ist schon fast schmerzhaft. Argentos Hauptdarsteller wirken vollkommen fade, besonders Adrien Brody tut nichts anderes, als mit dauerbetroffenem Dackelblick aus der Wäsche zu gucken und sich eine Kippe nach der anderen anzuzünden. Emanuelle Seigner, die auch in GIALLO wieder rüberkommt, als hätte sie schon zum Frühstück Heroin geraucht, war schon bedeutend schlechter (z.B. in Polanskis BITTER MOON), letztlich ist sie aber nie mehr als ein farbloser Sidekick. Charaktertiefe sucht man vergebens, auch wenn das Drehbuch sich verbissen bemüht, Brody eine dunkle Vergangenheit zuzuschustern. Am Ende ist aber auch dies alles wieder zu klischeehaft und abgenutzt, um irgendwie zu berühren.
Den absoluten Tiefpunkt stellt aber die "Charakterisierung" des Killers dar: ein debil grunzender, humpelnder Irrer, der sich mit zitternden Händen Porno-Mangas anschaut und am Laptop zu den Fotos seiner Opfer onaniert, während er an einem Schnuller nuckelt. Was die Peinlichkeit dieser Darstellung obendrein erschwert, ist die Tatsache, daß Adrien Brody in einer (miserabel ausgeführten) Doppelrolle ebenfalls den Killer spielt – was man dummerweise auch deutlich merkt, da die Maske dilettantisch ist. Dies lenkt den Zuschauer von Anbeginn auf eine falsche Fährte, die jedoch nicht einmal beabsichtigt war!
Laut einiger Kritiken soll GIALLO zwar beileibe nicht so schlecht sein wie MOTHER OF TEARS (den ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen habe), aber trotzdem ist und bleibt er schlecht. Wäre er wenigstens richtig miserabel, hätte er zumindest unfreiwillige Trash-Qualitäten, dann wäre dieses Debakel nicht mal so tragisch. Aber diese lauwarme Soße ist einfach nur banal und überflüssig.
Ruhe in Frieden, Dario.
- Pelle -





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