VERDAMMT ZU LEBEN - VERDAMMT ZU STERBEN
("I Quattro dell´Apocalisse", 1975) R: Lucio Fulci
Der
Profi-Pokerzocker Stubby Preston (Fabio Testi) kommt in den Ort Salt
Flat wo ihn der Scherriff (ein freudiges Wiedersehen mit Donal
„Dr.Butcher" O´Brien) direkt in den Knast steckt, nachdem
er seine mühsam gezinkten Spielkarten im Kamin entsorgt hat.
Dort trifft Stubby auf drei weitere Außenseiter: die junge
Prostituierte Bunny (Lynne Frederick, die ihm zunächst die kalte
Schulter zeigt), den Schwarzen Bud (Harry Baird, der vorgibt, mit den
Toten sprechen zu können und offensichtlich einen schweren
Schatten hat) und den Säufer Clem (Michael J. Pollard, der vom
Whisky niedergemacht auf dem Stroh schnarcht). In der Nacht bricht im
schönen Städele das Chaos aus – vermummte Maskenmänner,
die sich für rechtschaffene Bürger halten, fegen die
Straßen mit eisernem Besen aus: es wird erschossen und
gelyncht, daß es eine Art hat. Am nächsten Morgen sind die
Wege mit Leichen gepflastert, und der Scherriff lässt die vier
ungleichen Leidensgenossen nach einer großzügigen Spende
laufen. Mit einem kleinen Pferdegespann machen sie sich auf den Weg
in die nächste Stadt, die 200 Meilen entfernt liegt. Die Reise
wird zusätzlich beschwert durch Bunnys Schwangerschaft und Clems
Trunksucht. Auf halber Strecke stößt der Outlaw Chaco zu
ihnen, der sich zunächst hilfsbereit gibt, dann aber sein wahres
Gesicht zeigt – eine Fratze, aus der Mordlust, Sadismus und
sexuelle Abartigkeit grinsen…
Der 1975 gedrehte I
QUATTRO DELL´APOCALISSE ist ein Spätwestern, Milian
bezeichnet ihn sogar als den „letzten Western", was irgendwie
zutreffend umschrieben ist. Zumindest handelt es sich hierbei um
einen völlig ungewöhnlichen Genrebeitrag, der sich
unbekümmert zwischen die Stühle setzt. Die Kritik lässt
meistenteils wenig gute Haare an dem Film, und auch dem Gros der
Westerngemeinde scheint er allenfalls durchschnittlich zu munden.
Nachdem ich ihn nunmehr nach vielen Jahren zum zweiten Mal gesehen habe, fand ich den Film erstklassig, man darf ihm jedoch nicht mit zu hohen Erwartungshaltungen gegenübertreten. Hierbei handelt es sich um keinen herkömmlichen Italowestern, sondern eher um ein „Roadmovie", das sein Augenmerk ausschließlich auf die Reise und die Entwicklung seiner Charaktere richtet. Es geht um die Beziehung der Figuren untereinander und die Veränderung, die – jeder auf seine Weise – erfährt. Action gibt es kaum zu bewundern, dafür ein paar ausgewalzte und verstörende Brutalitäten, die teilweise ziemlich überflüssig sind.
Nachdem ich ihn nunmehr nach vielen Jahren zum zweiten Mal gesehen habe, fand ich den Film erstklassig, man darf ihm jedoch nicht mit zu hohen Erwartungshaltungen gegenübertreten. Hierbei handelt es sich um keinen herkömmlichen Italowestern, sondern eher um ein „Roadmovie", das sein Augenmerk ausschließlich auf die Reise und die Entwicklung seiner Charaktere richtet. Es geht um die Beziehung der Figuren untereinander und die Veränderung, die – jeder auf seine Weise – erfährt. Action gibt es kaum zu bewundern, dafür ein paar ausgewalzte und verstörende Brutalitäten, die teilweise ziemlich überflüssig sind.
Da die
Geschichte von ihren Schauspielern lebt, werfen wir einen Blick auf
das Ensemble: Fabio Testi als Profispieler mag auf den ersten Blick
eine unpassende Besetzung sein, im Nachhinein handhabt er seine Rolle
aber auf brillante Art. Während der Reise vollzieht sich bei
seinem Charakter die sichtbarste Entwicklung. Aus dem aalglatten,
zynischen und geschniegelten Blender wird im Laufe der folgenden 104
Minuten ein Mann, der Gefühle entwickelt und zu ihnen steht, der
(vielleicht erstmals in seinem Leben) bereit ist, Verantwortung zu
übernehmen und schließlich, am Ende des Films, ein
eiskalter Racheengel. Testi spielt diese Rolle hervorragend und
souverän – nachdem Chaco ihm sein Rasiermesser entwendet hat
und der Staub der Straße in jede Pore zu dringen scheint,
verkommt er äußerlich zusehends, während er innerlich
an Charakterstärke gewinnt.
Ein weiterer Höhepunkt unter den Darstellern ist Michael J. Pollard als versoffener Verlierer Clem. Eine Glanzleistung ist die Sequenz, im der er sich von Chaco erniedrigen lässt, nur um ein Paar Tropfen Schnaps zu erhalten und schließlich sogar zum Verräter an seinen Reisegefährten wird. Als die Nüchternheit zurückkehrt, überfällt ihn auch die Reue und er wagt es, sich nur mit einem Stein bewaffnet gegen den Peiniger zu stellen, wofür er sich freilich eine Kugel einfängt. Auch hier findet eine grundlegende Veränderung des Charakters statt: Clem findet den Mut, seine schwache Persönlichkeit zusammenzureißen und die Initiative zu ergreifen, auch wenn es Verluste bedeutet.
Auch die damals gerade 18jährige Britin Lynne Frederick spielt die Hure Bunny hervorragend, krankt aber leider an einer unterirdischen Synchronisation. (Mir lag zur Sichtung die Blue Underground-Scheibe vor. Zum Glück beinhaltet die Disk auch eine italienische Originaltonspur, leider fehlen aber englische Untertitel.) Testi erinnert sich wohlwollend an sie und erwähnt, daß sie die Fähigkeit besaß, auf Kommando Rotz und Wasser zu heulen. Sie verkörpert ihre Sehnsucht nach einem (bürgerlichen?) Familienleben, die sich ausgerechnet durch Stubby Preston manifestiert, absolut glaubhaft.
Die Rolle des Farbigen Bud ist leider etwas undankbar gestaltet, und der Darsteller Harry Baird dreht bei der Verkörperung des Verrückten für meinen Geschmack ein wenig zu stark auf.
Thomas Milian als Chaco spielt natürlich wieder alle an die Wand. Sein Charakter ist die Personifizierung des alten, brutalen Westens. Bei ihm findet keine Entwicklung statt; er besteht aus reiner Bosheit und Perversität. Der extrem wandlungsfähige Milian verkörpert diese Charles Manson-artige Figur mit Leib und Seele.
Ein weiterer Höhepunkt unter den Darstellern ist Michael J. Pollard als versoffener Verlierer Clem. Eine Glanzleistung ist die Sequenz, im der er sich von Chaco erniedrigen lässt, nur um ein Paar Tropfen Schnaps zu erhalten und schließlich sogar zum Verräter an seinen Reisegefährten wird. Als die Nüchternheit zurückkehrt, überfällt ihn auch die Reue und er wagt es, sich nur mit einem Stein bewaffnet gegen den Peiniger zu stellen, wofür er sich freilich eine Kugel einfängt. Auch hier findet eine grundlegende Veränderung des Charakters statt: Clem findet den Mut, seine schwache Persönlichkeit zusammenzureißen und die Initiative zu ergreifen, auch wenn es Verluste bedeutet.
Auch die damals gerade 18jährige Britin Lynne Frederick spielt die Hure Bunny hervorragend, krankt aber leider an einer unterirdischen Synchronisation. (Mir lag zur Sichtung die Blue Underground-Scheibe vor. Zum Glück beinhaltet die Disk auch eine italienische Originaltonspur, leider fehlen aber englische Untertitel.) Testi erinnert sich wohlwollend an sie und erwähnt, daß sie die Fähigkeit besaß, auf Kommando Rotz und Wasser zu heulen. Sie verkörpert ihre Sehnsucht nach einem (bürgerlichen?) Familienleben, die sich ausgerechnet durch Stubby Preston manifestiert, absolut glaubhaft.
Die Rolle des Farbigen Bud ist leider etwas undankbar gestaltet, und der Darsteller Harry Baird dreht bei der Verkörperung des Verrückten für meinen Geschmack ein wenig zu stark auf.
Thomas Milian als Chaco spielt natürlich wieder alle an die Wand. Sein Charakter ist die Personifizierung des alten, brutalen Westens. Bei ihm findet keine Entwicklung statt; er besteht aus reiner Bosheit und Perversität. Der extrem wandlungsfähige Milian verkörpert diese Charles Manson-artige Figur mit Leib und Seele.
Viel gelästert
wurde ja über die angeblich überschäumende
Melodramatik und den Pathos der Szenen in dem Bergdorf Altarville, wo
ausschließlich raubeinige Männer leben und Bunny ihr Kind
zur Welt bringt. Ich muss zugeben, ich hatte mit diesen Momenten
keinerlei Probleme – im Gegenteil. Die Sequenz ist in ihrer
Ausgestaltung absolut unkitschig und rundum glaubhaft. Sie setzt
einen angenehmen Kontrapunkt in einem Film, der mit Sadismen nicht
gerade geizt. Ich kann auch keineswegs behaupten, daß mich die
Reaktionen der harten Kerls auf das Neugeborene und den Tod der
Mutter kaltgelassen haben, aber ich bin wahrscheinlich nur ein
hoffnungsloses Weichei…
Lucio Fulci beweist hier jedenfalls
großes inszenatorisches Können und zeigt, daß er
weit mehr kann, als ihm mitunter nachgesagt wird. Das Drehbuch spielt
geschickt mit den Konventionen und Gesetzen des Genres, weswegen
viele den Film für konfus oder gar langweilig halten. Auch der
Score, der ein wenig nach Hippie-Liedermacher klingt, unterstützt
exquisit die apokalyptische Atmosphäre des Werkes.
Unter
den Extras befindet sich der 17minütige Beitrag „Fulci of the
Apocalypse", der aus Interviews mit Testi und Milian besteht, deren
Antworten parallel montiert worden sind. Es ist schon faszinierend,
diese gestandenen Recken des Italokinos 30 Jahre später zu sehen
und zu hören – während der (immer noch blendend
aussehende) Testi sehr eloquent und höflich rüberkommt, mit
großem Respekt für seine Kollegen und Fulci, merkt man
Milian die exzentrische Diva, die er angeblich gewesen sein soll,
durchaus noch an. Allerdings verfügt er augenscheinlich über
Humor und die Fähigkeit der Selbstironie. Interessant ist vor
allem, was beide über Lutschi Flutschi erzählen – der
Mann muss als Regisseur wirklich anstrengend gewesen sein…
- Pelle -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.