SUMURU – DIE TOCHTER DES SATANS
(„The Million Eyes of Su-Muru“, Großbritannien 1967) R: Lindsay Shonteff
Die kleine Schwester des Dr. Fu Man Chu
Sumuru (Shirley Eaton) will die
Weltherrschaft, Frauen sollen über den Planeten regieren. Ihre
freundlichen Mitarbeiterinnen haben bereits viele mächtige Herren
unter Kontrolle, doch Sumuru hat ihr endgültiges Ziel noch nicht
erreicht. Auf der Speisekarte der nach Macht gierenden Dame steht
Präsident Boong (Klaus Kinski), Staatschef einer asiatischen
Republik namens Sidonesien und dem weiblichen Geschlecht hemmungslos
verfallen. Nun wird dringend ein Experte oberster Güteklasse
benötigt, um die gefährlichen Pläne Sumurus nachhaltig zu
unterbinden. Nick West (George Nader) wird auf den Fall angesetzt, in
Hongkong soll er für Sicherheit des gefährdeten Regierungschefs
sorgen. Doch Sumuru sollte man(n) keinesfalls unterschätzen, jeder
Fehler kann tödlich sein…
Wie der legendäre Dr. Fu Man Chu,
stammt auch die wilde Sumuru aus der Feder des englischen
Schriftstellers Sax Rohmer. Beide Figuren eint das Streben nach
Weltherrschaft, der unbedingte Wille zum Erfolg wird mit Vorliebe
durch Mord und Totschlag untermauert. Fu Man Chu schaffte es bereits
vor dem zweiten Weltkrieg auf die Leinwand (ab 1929), in den
sechziger Jahren (1965-69) verwöhnten fünf Fu Man Chu Streifen den
geneigten Filmfreund, in allen fünf Werken verkörpert der
einzigartige Christopher Lee den skrupellosen Superschurken. Sumuru
brachte es in den flotten Sixties immerhin auf zwei Filme. Auf den
hier kurz vorgestellten "Sumuru die Tochter des Satans",
folgte 1969 der von Jess Franco inszenierte Flick "Die sieben
Männer der Sumuru" (The Girl from Rio). Lindsay Shonteff nahm
beim ersten Höllenritt der lüsternen Amazone auf dem Regiestuhl
Platz, der 2006 verstorbene Regisseur drehte immerhin mehr als
zwanzig Filme, ist aber leider nur noch einem kleinen Publikum
bekannt. Den Zuschauer erwartet eine kurzweilige Agentensause, coole
Helden, schrullige Typen und eine stattliche Anzahl schöner und
bööööser Frauen. Wer nach Logik, Sinn und Verstand schreit, der
macht vermutlich besser einen weiten Bogen um diesen Film. Mit Sumuru
taucht der Fan in ein herrlich prickelndes Abenteuer ein, kann mit
Genuss in der Welt der sechziger Jahre versinken. Freunde dieser
Epoche bekommen die Vollbedienung auf dem Tablett serviert, inklusive
stimmungsvoller Kulissen, Klamotten und Knarren.
George Nader ist vor allem durch seine
Darstellung des Romanhelden Jerry Cotton in Erinnerung geblieben, dem
er in acht Filmen (1965-69) ein Gesicht gab. Mir kommt Nader oft wie
ein Verwandter von Norman Bates vor, obschon er uns gern als kleiner
Bruder von James Bond verkauft wird. Was soll‘s, irgendwie eiert
Nader auf liebenswerte Art durch den Film. Spätestens wenn Frankie
Avalon ihm Blumen ans Krankenbett bringt und Nader diese Geste mit
dem selbstironischen Spruch "Bin ich eine Diva?" quittiert,
hat der gute George sich auch meine Zuneigung erarbeitet. Ein hagerer
Homosexueller rettet die Welt und alle Frauen liegen ihm zu Füßen.
Das nenne ich subversiv, mutig und herrlich erfrischend, sehr schön,
ein Faustschlag in die Fratzen reaktionärer Betonköpfe. Frankie
Avalon fungiert als Co-Held, in erster Linie hangelt er sich auch
"irgendwie" durch das Szenario, taumelt nahezu ohne
Atempause auf dem schmalen Grat zwischen Spaßvogel und Nervensäge
umher. Nicht minder grotesk Wilfrid Hyde-White in der Rolle des
britischen Geheimdienstoffiziers, der seine Schäflein mit
schelmischer Cleverness vor sich hertreibt. Der Mann bekommt was er
erwartet, notfalls hat der Gentleman ein geeignetes Druckmittel in
der Hinterhand, welches er bei Bedarf mit diebischer Freude
genüsslich ausspielt. Klaus Kinski taucht zwar lediglich in einer
kleinen Neben(doppel)rolle auf, zieht aber richtig fett vom Leder.
Nein, er keift nicht hysterisch herum, diesmal gibt er einen
dauerspitzen Bock, der sich als erstaunlich tuntiger Weiberheld
präsentiert. Schaut euch ganz genau die Szene an, in der er der vor
dem Gesicht holden Blondine Maria Rohm seine Zunge aus dem Maul
springen lässt, ich bin vor Freude auf dem Sofa rumgehüpft! Kinski
total irre, aber doch völlig anders als vermutet, grandios! Zeit für
die Damen! Shirley Eaton gefällt mir als Sumuru sehr gut, macht
bitte nicht den Fehler sie mit Chris Lee zu vergleichen, dessen
Dominanz Eaton selbstverständlich zu keiner Zeit erreichen kann.
Ehrlich, wer könnte sich mit Herrn Lee messen, also übt Nachsicht
mit Frau Eaton! Sumuru ist böse, sexy und scharf, wer will ihr da
den Griff in Richtung Weltherrschaft verübeln. Von mir aus, ich
stelle mich gern als Lustsklave zur Verfügung. Maria Rohm gerät ins
das nähere Umfeld der angehenden Weltherrscherin, ihr Schauspiel
wirkt noch sehr hölzern, in den folgenden Jahren machte sie in
dieser Hinsicht deutliche Fortschritte. Ansonsten ist mir vor allem
Patti Chandler aufgefallen, die als Helferlein Sumurus nicht viel
mehr leistet als ständig ohne erkennbaren Sinn zu lächeln. Aber wie
sie lächelt, mhhhm, da möchte ich sofort in den Bildschirm hüpfen.
Damit genug zur vor der Kamera agierenden Riege, es wäre ermüdend
die Namen der weiteren Schönheiten und Gesichtsruinen aufzulisten,
dazu bleiben die Randfiguren zu beliebig.
"Sumuru die Tochter des Satans"
pendelt "irgendwo" (schon wieder eines dieser "irgend…"
Wörter) zwischen Fu Man Chu, James Bond und Irrsinn umher, manchmal
eine Spur zu brav, hier und da eine Prise zu blöd (was eventuell auf
das Konto der deutschen Synchronisation gehen mag), bekommt aber
immer "irgendwie" die Kurve, ist zu keiner Sekunde
langweilig. Ernsthaftigkeit kann man der deutschen Synchro nicht
vorwerfen. Teils haut sie uns plumpe Kalauer um die Ohren, jedoch ist
auch angenehme Ironie auszumachen, die Synchro ist durch und durch
ein Kind ihrer Zeit, Tarnung zwecklos. Für mein persönliches
Phrasenschwein: Sumurus erster Auftritt ist ein putziges Knuffelchen
mit jeder Menge Wohlfühlatmosphäre! Sicher nicht die Speerspitze
bester Unterhaltung aus den Sechzigern, aber für Fans und Süchtlinge
eine wahre Wonne! Ich verzichte auf eine Bewertung per Punkteskala,
warum Liebe und Leidenschaft immer in ein Korsett pressen?
Einsteiger greifen zunächst zu Dr. Fu
Man Chu, die entsprechende DVD-Box mit allen fünf Filmen aus den
sechziger Jahren ist zum kleinen Preis erhältlich. Ihr wollt mehr?
Dann holt euch "Sumuru die Tochter des Satans" ins Haus!
Die DVD ist der Startschuss zur Reihe "Special Screenings",
bald folgt mit "Teufelskreis Y" (Twisted Nerve,
Großbritannien 1968) die #2 der Kollektion (eine längst überfällige
Veröffentlichung, die ich gern der bereits vorhandenen UK-DVD zur
Seite stelle). "Sumuru die Tochter des Satans" wird auf der
Scheibe in der ungekürzten Kinofassung angeboten, die längere
Originalversion ist leider nicht enthalten. Kürzungen sind generell
skeptisch zu betrachten, in diesem Fall kann aber mit gutem Gewissen
von einer alternativen Version gesprochen werden. Die enthaltene
Fassung funktioniert, trotzdem wäre ich sehr gern zusätzlich in den
Genuss der längeren Version gekommen (bei dem für die DVD
aufgerufenen Kurs kein unverschämter Wunsch). Dennoch will ich nicht
nörgeln, der Dank überwiegt, ich habe mich sehr über die
Verfügbarkeit des Streifens gefreut! Qualitativ wird dem Zuschauer
ein schönes "Kinobild" geboten, die Schärfe ist solide,
die Farben frisch. Kratzer und kleine Jump Cuts werden
"Sterilglotzern" sauer aufstoßen, aus meiner Sicht
verstärken sie die das "wohlige Nostalgiefeeling". Der
Bonusbereich gibt eine Wochenschau aus der Premierenwoche (28/1967)
her, den deutschen Kinotrailer und eine hübsche Bildergalerie.
Weiterhin liegt ein Booklet bei, die DVD kommt in einem Amaray-Clone
daher (warum kein Original-Amaray, dieser Titel ist keine
Wühltischware!), das Case steckt in einem Schuber. Besagter Schuber
wurde ansprechend gestaltet, transportiert die Stimmung alter Motive
mit gutem Gespür in die heutige Zeit.
Fazit zum Film: Für Fortgeschrittene,
Fans und sonstiges Gezücht! Fazit zur DVD: Macht nicht wunschlos
glücklich, stellt allerdings einen guten Auftakt der Reihe dar, die
ich zukünftig sehr wohlwollend und interessiert im Auge behalten
werde. Die eingeschlagene Marschrichtung passt, mit ein wenig
Feinarbeit könnten folgende Veröffentlichungen echte Überflieger
werden!
Lieblingszitat:
"Was soll das? Ich habe meine Krankenversicherung immer pünktlich bezahlt!"
- Blap -
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