SQUIRM
(USA 1976) R: Jeff Lieberman
Der Stadtmensch, die Landeier und das Gewürm
Ein heftiger Sturm zieht über Georgia
hinweg, auf den ersten Blick scheint die kleine Ortschaft Fly Creek
recht glimpflich davongekommen zu sein. Leider wurde die
Hauptstromleitung beschädigt, der Saft klatscht nun mit voller Wucht
in den feuchten Boden. Am Tag nach dem Sturm trifft Mick (Don
Scardino) in Fly Creek ein, er will dort seine Bekanntschaft Geri
(Patricia Pearcy) besuchen, die gemeinsam mit ihrer Schwester Alma
(Fran Higgins) und Mutter Naomi (Jean Sullivan) auf einem kleinen
Anwesen lebt. Die letzten Meter der Reise gestalten sich
beschwerlich, da ein umgestürzter Baum die Straße blockiert, muss
der junge Mann den Bus vorzeitig verlassen. Kein Problem für den
dynamischen Mick, er macht sich zu Fuß auf den Weg zu Geri, wenig
später gabelt das Mädchen ihren Städter auf. Zwei Ärgernisse
ungeahnten Ausmaßes stehen unbeschwerten Tagen im Wege. Zunächst
der vor Eifersucht schäumende Roger (R.A. Dow), des Nachbars
Sohnemann hat schon lange ein Auge auf Geri geworfen. Damit nicht
genug, die unter Strom stehenden Würmer drehen durch und erweisen
sich als tödliche Gefahr…
Der amerikanische Regisseur Jeff
Lieberman hat nicht allzu viele Filme inszeniert. Schade, denn bisher
hatte ich stetsßmit seinen Streifen. Der verschrobene "Blue
Sunshine" (1978) erinnert an David Cronenberg, "Just Before
Dawn" (Vor Morgengrauen, 1981) kommt als unterhaltsamer
Backwood-Slasher daher. 2004 lieferte Lieberman "Satan's Little
Helper" ab, ein schöner Horrorflick für den gepflegten
Halloween-Abend. "Squirm" widmet sich der schleimigen Seite
des Tierhorrors, eingebettet in ein ländliches Umfeld im heißen
Südosten der USA.
Herrlich locker und frech aalt sich die
Sause in bewährten Klischees. Die Einwohner von Fly Creek (allein
der Ortsname ist Klischee pur) sind echte Hinterwäldler,
fremdenfeindlicher Sheriff inklusive. Dazu ein kauziger Knacker, der
auf seiner "Farm" eine offenbar sehr ertragreiche
Würmerzucht betreibt. Lieberman verleiht trotzdem jeder Figur
zumindest eine Spur Liebenswürdigkeit, geht nicht bösartig mit den
Landeiern um, nimmt seine Charaktere liebevoll auf die Schippe. Ich
kenne die deutsche Synchronisation nicht, im Originalton bietet der
Flick knuffigen Humor an, der sich angenehmerweise kaum in platter
Kalauerei verliert. Wer auf heftige Ekeleffekte hofft wird eventuell
enttäuscht sein, teils muten die Wurmaufnahmen eher albern als
gruselig an, die "Massenszenen" beschränken sich auf
Plastikgezücht, fröhlich wabert der schleimfreie Teppich auf und
ab. Härte, Spannung und Ekel bleiben weitgehend auf der Strecke. Aus
meiner Sicht völlig unproblematisch, denn "Squirm" hat
andere Qualitäten anzubieten. Den treffsicheren Humor erwähnte ich
bereits, die grosse Zierde des Films ist allerdings seine
schwül-hinterwäldlerische Atmosphäre. Freilich trägt die
geschickte Wahl der Schauplätze zur gelungenen Vollsuhle bei, die
gut besetzen Darsteller füllen das Treiben mit Leben auf, tragen den
Plot locker über die eine oder andere ereignisarme Minute hinweg.
Die Schrulligkeit der Charaktere macht einfach jede Menge Freude,
sorgt neben der abstrusen Begründung für den plötzlichen
Wurmaufstand für manchen Schenkelklopfer.
Ergo sollen die wichtigsten
Mitwirkenden nicht ungenannt bleiben, los geht es. Da hätten wir z.
B. Don Scardino im Angebot. Zunächst wirkt das unscheinbare
Bürschlein unbeholfen, später mausert sich Don zum Detektiv,
Womanizer und Schmalspur-Superhelden. "Irgendwie" muss man
den Typ mögen, daran ändert sogar sein Ohrfeigengesicht nichts.
Spätestens wenn sich der Stadtmensch mit dem reaktionären
Gesetzeshüter anlegt, hat das schmächtige Jünglein einen kleinen
Platz im meinem großen Herz erobert. Patricia Pearcy macht es dem
Zuschauer leicht. Sie gibt das übliche Dorfmädchen, kokett wickelt
sie den geifernden Nachbardepp um den Finger (zumindest zunächst),
gibt sich dezent sexy, frech und fröhlich. Noch besser gefällt mir
die Darbietung von Fran Higgins, die als kleine Schwester heimlich
kifft, mit dem Freund ihrer Schwester beim Zahnarzt einbricht.
Görentum liebenswert rübergebracht, wie sie unbeholfen auf ihren
klumpigen Schuhen durchs Szenario taumelt, putzig. Jean Sullivan
zerfällt im Verlauf der Ereignisse, die Mutter des Hauses verliert
zunehmend die Contenance, präsentiert uns ein Häufchen Elend im
Strudel der Wechseljahre (autsch!). Ein gewisser R.A. Dow macht uns
den zunehmend sauren Nachbarn Roger, der den unliebsamen Besuch aus
der Großstadt überhaupt nicht in seinem Revier gebrauchen kann.
Rogerlein wurde mit den besten FX geschmückt die der Film zu bieten
hat, mehr werde ich an dieser Stelle nicht verraten. Peter MacLean
will als Sheriff ebenfalls keine fremden Fratzen in seiner Stadt
sehen, überhaupt sind die verdammten Touristen sowieso an allem
Schuld. Damit genug zu den Akteuren vor der Kamera. Moment, der
ältere Herr namens Carl Dagenhart verdient einen Bonuspunkt,
immerhin bekommen wir einen der kauzigsten Tierzüchter der
Filmgeschichte zu Gesicht.
Als Kind der siebziger Jahre kommt
"Squirm" nicht ohne boshaftes Finale aus, obschon
vielleicht diverse Hauptcharaktere überleben (erneut verbietet mir
die Gefahr massiver Spoiler weitere Details). Fazit: Am Arsch der
Welt muss nicht immer ein maskierter Schlitzer lauern, es müssen
nicht immer die üblichen Raubtiere sein, die den gehetzten
Protagonisten als Leder wollen. Nein, auch Würmer haben das Recht
auf Mord und Schleimschlag, Freiheit für die unterschätzten
Erdkriecher! Danke für diesen Film!
Mir liegt die US-DVD zu "Squirm"
vor, die Scheibe ist für wenige Taler erhältlich (aber mit RC1
"ausgestattet"). Der Film liegt in sehr ordentlicher
Qualität vor, Boni sind Mangelware, immerhin gibt es neben jeweils
einem Trailer/TV-Spot einen Audiokommentar von Regisseur Jeff
Lieberman (den ich mir noch nicht angehört habe). Wo bleibt eine
offizielle Veröffentlichung für den deutschen Markt?
Auf Anhieb schafft "Squirm"
den Sprung in den erweiterten Kreis meiner Tierhorrorlieblinge. Daher
setzt es 8/10 (sehr gut)! Klar, inklusive Wohlfühlbonus!
Lieblingszitat:
"The little mother bit me! Jesus Christ!"
- Blap -
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