SAVAGE STREETS
(USA 1984) R: Danny Steinmann
Pausbäckchen macht Kassensturz
Brenda (Linda Blair) und ein paar
Schulfreundinnen treiben sich am Abend gern in der Stadt herum, die
Clique stürzt sich mit Vorliebe in kleine Abenteuer. Hinter der
coolen Fassade sind die Mädchen warmherzige und fürsorgliche junge
Frauen, vor allem Brenda kümmert sich rührend um ihre taubstumme
Schwester Heather. Eines Tages wird Heather fast vom "Dienstwagen"
der Scars überfahren, Jake (Robert Dryer) und seine Bande liefern
sich eine (zunächst) harmlose Streiterei mit den jungen Frauen.
Rache ist süß, ergo entwenden Brenda und ihre Begleiterinnen die
Karre der Scars, drehen ein paar Runden und lassen die Blechkiste
zugemüllt zurück. Jake schäumt vor Wut, diese Demütigung kann er
nicht auf sich sitzen lassen. Als Heather ihre große Schwester nach
der Schule abholen möchte, fällt das wehrlose Mädchen Jake und
seinen Kumpanen in die schmierigen Hände. Während Brenda sich mit
einer Rivalin in der Dusche prügelt, vergehen sich die Scars brutal
an Heather, das Opfer landet schwerverletzt im Krankenhaus. Bald
kommt es zu einer erneuten Konfrontation mit den Scars, Brendas
Freundin Francine (Lisa Freeman) lenkt Jakes geballten Zorn auf sich.
Nach einem weiteren Gewaltausbruch sucht Vince (Johnny Venocur),
Fußabtreter und Mitläufer bei den Scars, die noch immer im
Krankenhaus liegende Heather auf. Brenda belauscht das Geständnis
des Bürschleins, jetzt ist ihre Geduld endgültig zu Ende …
Rape & Revenge Filme gehören zum
festen Bestandteil des Exploitationkinos. Als Beispiele sollten Wes
Cravens "The Last House on the Left" (1972) und "I
Spit on your Grave" (1978) von Meir Zarchi eine klare Sprache
sprechen. Während in Rachestreifen wie "Death Wish" (1974)
oder "Vigilante" (1982) zornige Männer für Ordnung
sorgen, übernimmt in Werken wie "I spit on your Grave" und
"Savage Streets" eine junge Frau diesen Part. "Savage
Streets" kommt als Verschmelzung unterschiedlicher
Marschrichtungen daher, eine Frau übt Rache, allerdings wurde sie
zuvor nicht selbst zum Opfer, wie es z. B. in "I spit on your
Grave" der Fall ist. Vor allem atmet der Film durch und durch
die achtziger Jahre, kann (und will) das Jahrzehnt seiner Entstehung
zu keiner Sekunde leugnen. Unsere Heldin und ihre Freundinnen kleiden
sich entsprechend, Brenda trägt zu jedem Anlass das passende Outfit,
ihr "Killer Suit" ist fast schon legendär. Rohe Dialoge
(so unterhaltsam die deutsche Synchronisation tönt, der Originalton
ist erste Wahl) sorgen für angemessenen Zungenschlag, die Musik
untermalt das Geschehen immer eine Spur zu plump und plakativ.
Freilich gibt es fiesen "80er-Jahre-Pseudo-Rock" auf die
Ohren, mehrfach von Brüllaffe John Farnham intoniert. Wer die
Achtziger noch auf dem Schirm hat, wird sich wie in einer
Zeitmaschine fühlen. Schwierige Produktionsumstände hin oder her,
das Ergebnis kann sich sehen lassen, Linda Blair ist in einer ihrer
bemerkenswertesten Rollen zu bewundern.
Grosse Show für
Linda Blair! Ist ihre Darbietung grandioses Schauspiel?
Dilettantisches Gepose ohne jegliche Glaubwürdigkeit? Völlig
unwichtig, denn Linda passt wie die berühmte Faust aufs Auge, wie
der tödliche Pfeil in den Hals eines Unholds, wie der Tritt in den
gammeligen Hintern des Gesindels. Ich mag die kleine Knuffeldame
sowieso sehr gern, obschon ich mir nie so ganz sicher bin, ob ich
Frau Blair sexy oder unsexy süß finde. In diesem Umfeld bleibt kaum
Raum zwischen den Zeilen. "Savage Streets" springt uns
gewissermaßen mit dem nackten Arsch ins Gesicht, Linda Blair dreht
auf und sprengt die Bank. Linnea Quigley liefert als Brendas
Schwester Heather das Gegenstück, bringt Brendas zarte Seite ans
Tageslicht. Selbstverständlich trägt das Drehbuch (einmal mehr)
dick auf, vor Heathers Vergewaltigung, wird gesteigerter Wert auf die
herzliche Beziehung zwischen den Schwestern gelegt, Naivität und
Wehrlosigkeit der jüngeren Schwester betont. Quigley überzeugt
ebenso wie Blair, sprichwörtlich ziehen sich Gegensätze an. Robert
Dryer haut uns als Jake das nächste Klischee vor den Latz.
Erpresser, Dealer, Vergewaltiger und Mörder, ein Stück Dreck aus
der Gosse des Grauens. Wozu Erklärungen oder sonstige Nichtigkeiten,
ein Bösewicht ohne jeglichen Anflug von Doppelbödigkeit. Aus
Brendas Truppe gefallen mir Lisa Freeman und Luisa Leschin besonders
gut. Sal Landi und Scott Mayer pöbeln als Helferlein des Oberekels
Jake eifrig und ausdauernd, Johnny Venocur gibt den feigen Furz.
Herrlich launig die Auftritte von John Vernon, der als Schuldirektor
erstaunlich rüde Sprüche vom Stapel lässt (erneut weise ich auf
den englischen Originalton hin).
Wo sind die Hüter des Gesetzes, wo
sind Eltern oder andere erwachsene Verwandte? Sie finden (fast) nicht
statt, bleiben unwichtige Randnotizen. Lediglich John Vernon fällt
auf, trägt aber nichts zur Beschwichtigung der Lage bei. Eine
Generation ohne Zukunft auf dem Weg zur Hölle? Sicher lässt sich
Subtext in den Stoff interpretieren, aus meiner Sicht ein
überflüssiges Unterfangen. "Savage Streets" will sein
Publikum unterhalten, frech, fröhlich und rauhbeinig, flach und
gleichzeitig übertrieben, angenehm aufdringlich. Rache ist
Blutwurst, glücklich macht sie nicht. Hey, da ist der tiefere Sinn,
erneut mit dem dicken Knüppel.
Shock Entertainment präsentiert den
Film in schöner Qualität, das Bonusmaterial auf der zweiten Scheibe
ist sehenswert, im Mediabook ist ein informatives Booklet enthalten.
Ich bin mit dieser Veröffentlichung sehr zufrieden, eine offizielle
Auswertung für den deutschen Markt war längst überfällig.
8/10 (sehr gut)
Lieblingszitat:
"Na, sind das saubere Möpse,
Herr Lehrer!? Da können Sie mal praktische Nachhilfe nehmen!"
- Blap .
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filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.