THE RIFFS – DIE GEWALT SIND WIR
("1990: I guerrieri del Bronx", Italien/USA 1982) R: Enzo G. Castellari
Ann
(Stefania Girolami), die Tochter eines reichen und mächtigen
Waffenkonzern-Präsidenten (Enio Girolami), ist von zu Hause
weggelaufen und landet in der lebens- und menschenfeindlichen Bronx,
die vom Staat New York zu einer vogelfreien Todeszone erklärt
wurde und von brutalen Straßengangs regiert wird. Dort wird sie
auch umgehend von einer Bande rollschuhfahrender Prügelknechte
mit Hockeyschlägern, den "Zombies", drangsaliert. Rettung
naht jedoch in Form einer weiteren Gang, den "Riffs" (in der
englischen Version werden sie "Riders" genannt), schlagfertigen
Motorradrockern, die den Zombies die Gülle aus dem Mastdarm
hauen. Als besonders geschickt mit dem Schlagstock erweist sich der
junge und muskulöse Anführer der Gang namens Trash (Mark
Gregory). Ann ist sofort ganz angetan von dem langhaarigen
Lederwestenträger und auch in Trash knospen bald ungewohnt
zärtliche Gefühle. Aber es nahen Konflikte ernsthafter
Natur: Ein Mitglied der Riffs wurde von einer weiteren verfeindeten
Bande, den "Tigers", brutal ermordet. Dessen Chef, "The Ogre"
(Fred Williamson) genannt, ist der ungekrönte König der
Bronx und macht Trash deutlich, dass er ihm mit der Tötung des
Rockers einen Gefallen getan hat – der Ermordete trug nämlich
einen Peilsender, wie er lediglich von Polizisten verwendet wird,
ergo war er ein Spitzel. Trash mag nicht so recht daran glauben,
während sein Stellvertreter Ice (Gianni Loffredo) die Theorie
des Ogres glühend verteidigt. Trash weiß jedoch auch, dass
Ice Machtgelüste hegt und die Herrschaft über die Gang gern
an sich reißen würde. Ist nicht vielleicht sogar Ice der
wahre Verräter? Bevor diese Frage sich klären lässt,
droht Gefahr von einer anderen Seite: Die "Manhattan Corporation"
heuert einen Auftragskiller namens "Hammer" (Vic Morrow) an, um
in der Bronx aufzuräumen und Ann zurückzuholen. Trash will
den Ogre und die Tigers um Hilfe bitten, dafür muss er jedoch
die halbe Bronx durchqueren – mitten durch das Gebiet feindlicher
Banden. Gleichzeitig wird er von Hammer gejagt...
Natürlich
hat Castellari sich bei THE RIFFS großzügig bei Walter
Hills fulminantem WARRIORS und John Carpenters DIE KLAPPERSCHLANGE
bedient, aber das sieht man ihm, gemessen am Ergebnis, gerne nach.
Denn der Film ist ein hervorragend inszenierter und exzellent
fotografierter Action-Reißer, gespickt mit originellen und
charmanten Einfällen, bei denen kein Kenner-Auge trocken bleibt.
Man muss diese wilde Melange einfach gernhaben, auch wenn
hartherzigen Spaßbremsen dies wohl schwer fallen wird.
Die
diversen Gangs und deren charakteristischer Paraphernalien erfordern
auch eine Menge Humor und trash-o-logische Toleranz – allerdings
sind die liebevollen Outfits der Bandenmitglieder auch derart
knuffig, dass man Castellari kaum böse sein kann und ihm einige
Bizarrerien nur zu gern verzeiht. Die Rocker der Riffs sehen sogar
noch recht authentisch aus – wen wundert´s, bis auf ein paar
Ausnahmen wurden echte Hell´s Angels (Hakenkreuze satt!) für
die Dreharbeiten verpflichtet, die ökonomischerweise auch gleich
noch den Job des Security Dienstes am Set übernahmen. Auf
schrullige Weise niedlich sind auch die leuchtenden
Plastik-Totenschädel an den Lenkern der Motorräder.
Auch die
anderen Gangs sind eine Schau: die Rollschuh-Bande ist natürlich
offensichtlich aus THE WARRIORS "entliehen", während die
zerlumpten, viehischen "Scavengers" frappierend den
Untergrundkannibalen aus der KLAPPERSCHLANGE ähneln. Ein echter
Schenkelklopfer sind auch die Zuhältertypen der "Tigers",
die als eine Art dekadenter Slum-Aristokraten charakterisiert werden.
Unnachahmlich auch die Stepdance-tanzenden und grotesk geschminkten
"Iron Men", die mit ihren Gehstöcken und eisernen Melonen
direkt aus Kubricks CLOCKWORK ORANGE zu stammen scheinen. Dem üppigen
Drehbuch von Genre-Veteran Dardano Sacchetti (u.a. WOODOO, SHOCK und
INFERNO) lässt sich jedenfalls nicht vorwerfen, es geize mit
witzigen oder originellen Einfällen. In einer Szene zu Beginn
des Films begleitet z.B. ein hauseigener Schlagzeuger ein Treffen der
Gangs am Hudson River, was der Situation eine recht surreale Qualität
verleiht.
Die Sets
und Kulissen sind eine Wucht: Castellari präsentiert die "Stadt,
die niemals schläft", von ihrer hässlichsten und
apokalyptischsten Seite – ausgebrannte Häuser, Ruinen,
überwucherte Hinterhöfe, abgewrackte Industrieanlagen. Die
Schauplätze sind größtenteils dieselben, die Michael
Wadleigh in seinem exquisiten Film WOLFEN verwendete.
Bei der
geschickten Schnittmontage beweist sich übrigens die wunderbare
Magie des Kinos auf sehr eindrückliche Art – teilweise
schlüpfen die Darsteller in ein Gulliloch in Italien und tauchen
aus einem Abflussrohr in New York wieder auf. Teile des Films wurden
on location in einem alten Tempel von Tivoli gedreht, den die Crew
eigens mit Graffitis "verschönerte" – seitdem sind dort
bis zum heutigen Tage Filmaufnahmen untersagt!
Lockenkopf
Mark Gregory (richtiger Name: Marco di Gregorio) ist gewiss kein
begnadeter Charaktermime – eigentlich beherrscht er nicht viel mehr
als immer denselben, kindlich-trotzigen Gesichtsausdruck und bewegt
sich zuweilen recht steif und tuntig, was durch sein körperbetontes
Lederoutfit noch verstärkt wird. Man muss dem unausgebildeten
Amateurmimen jedoch zugute halten, dass er bei THE RIFFS erst süße
17 Lenze jung war und von Castellari beim Eisenstemmen in einer
Muckibude gecastet wurde. Ich jedenfalls mag ihn irgendwie, weshalb
ich mir auch umgehend THUNDER 1 & 2 besorgt habe, wo er einen
RAMBO-artigen Einzelkämpfer mit indianischen Wurzeln gibt.
Der
legendäre Vic Morrow (dessen Karriere als jugendlicher
Gewalttäter in Richard Brooks` SAAT DER GEWALT ihren Lauf nahm)
spielt die menschliche Abrissbirne "The Hammer" mit Bravour; der
daseinsmüde Soziopath, der lediglich Freude am Töten und
Zerstören empfindet, grinst ihm aus jedem Knopfloch. Nichts
werde von seinen Gegnern übrigbleiben, knurrt er an einer
Stelle: "Ashes... just ashes." Castellari arbeitete bereits bei
DER WEISSE KILLER mit Morrow zusammen, seinem JAWS-Rip Off, wo der
Amerikaner den Charakter von Bernhard Shaw übernahm. Es wird im
Film nicht recht deutlich, aber "Hammer" war wohl früher mal
Polizist – beim finalen Massaker schlüpft er erneut in die
Uniform, was ihn besonders gefährlich macht. Morrow dreht gegen
Ende des Films vollkommen durch und veranstaltet mit Unterstützung
polizeilicher Reiter und Flammenwerfer ein Blutbad ohnegleichen.
Hammer: "I work for nobody. I don´t care about the Manhattan Corporation. I don´t care about the girl. I don´t care about politics. I don´t care about anything. I believe in nothing. I´m Hammer, exterminator."
Hammer: "I work for nobody. I don´t care about the Manhattan Corporation. I don´t care about the girl. I don´t care about politics. I don´t care about anything. I believe in nothing. I´m Hammer, exterminator."
Leider
verstarb er nur ein Jahr nach Beendigung der Dreharbeiten zu THE
RIFFS bei einem tragischen Hubschrauberunfall.
Blaxploitation-Urgestein
Fred Williamson als Oberpimp "Ogre" ist wie üblich eine Bank
– hier tritt er in fiesen, grellbunten Satin-Klamotten auf und hat
eine Lustsklavin namens "Witch"(Betty Dessy), die ihre Gegner mit
der Bullenpeitsche vertrimmt.
Christopher
Connelly (ATLANTIS INFERNO) gibt einen Ex-Ordnungshüter, der
zunächst auf der falschen Seite steht, dann jedoch späte
Reue zeigt und Loyalität zu den RIFFS beweist.
Der
hünenhafte George Eastman ist immer verlässlich, hier
spielt er das Oberhaupt der "Zombies" und sieht mit seinem Zopf
aus, wie ein wildgewordener Dschingis Khan. Besonders gefallen hat
mir auch Gianni Loffredo als verräterisches Bandenmitglied Ice,
komplett mit Nickelbrille und Wehrmachtsjacke.
Der Rest
des Ensembles ist mal wieder, ganz Castellari-like, sehr familiär
gehalten: Ann wird von Enzos Tochter Stefania Girolami gespielt, als
Kontrahenten sehen wir Enzo selber als Berater (oder Anwalt) des
bösen Waffenfabrikanten, der von Enzos älterem Bruder Enio
Girolami verkörpert wird. Den erleben wir übrigens auch in
einer ähnlichen Rolle in RIFFS 2, sowie als Endzeitbarbaren in
METROPOLIS 2000.
Die
vorzügliche Kameraarbeit besorgte wieder einmal der gestandene
Sergio Salvati, der bereits Leones ZWEI GLORREICHE HALUNKEN und
Fulcis GEISTERSTADT auf unvergessliche Weise ablichtete.
Der
rockige Score stammt aus der Feder von Walter Rizzati, dessen
bekannteste und eingängigste Arbeit die Musik zu Fulcis DAS HAUS
AN DER FRIEDHOFSMAUER sein dürfte. Zu bekritteln wäre hier
allenfalls, dass Castellari leider bei vielen Actionszenen gänzlich
auf Musikuntermalung verzichtete, weswegen die Choreografie etwas
hölzern daherzukommen scheint.
Auch wenn
THE RIFFS eher ein Prä- als ein Post-Apocalypse-Film ist,
handelt es sich hier (auch ohne vorausgegangenem Atomschlag) um einen
ungemein stimmungsvollen Endzeit-Film mit düsterer Comic
Strip-Atmosphäre, fantasievoller Ausstattung und Kostümen,
sowie jeder Menge Peckinpahscher Zeitlupen-Action, der keine Sekunde
langweilig wird.
Fazit: Ein toller B-Klopper mit maximalem Unterhaltungswert!
Kommen wir
nun zur einzigen bitteren Pille, die der Fan des Films zu schlucken
hat: Leider liegt nach wie vor keine brauchbare deutsche Fassung von
THE RIFFS vor. Zur Sichtung musste also leider die aktuelle britische
Fassung (Titel: THE BRONX WARRIORS) aus dem Hause Shameless
gereichen, die eine fantastische Bildqualität aufweist und im
korrekten Format 2,35 : 1 präsentiert wird. Aber natürlich
leider ohne deutschen Ton, der für dieses Werk essentiell ist.
Eine deutschsprachige Veröffentlich oder zumindest ein Fandub
muss her!
"Death walks with us. Death rides
and sleeps with us."
- Trash unterweist Ann im Lebensstil der RIFFS
- Trash unterweist Ann im Lebensstil der RIFFS
- Pelle -
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sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.