OPERA
(Italien 1987) R: Dario Argento
Als die große
Operndiva kurz vor der Premiere einer Macbeth Inszenierung von einem
Auto angefahren wird, schlägt für das Nachwuchstalent Betty
(Cristina Marsillach) die große Stunde. Regisseur Marco (Ian
Charleson) übergibt den Stab an seine Zweitbesetzung,
tatsächlich meistert die junge Sopranistin ihre Feuertaufe mit
Bravour. Freude an diesem Erfolg soll aber nicht aufkommen. Schon
während der Aufführung stürzt ein Scheinwerfer
krachend in die Tiefe. Der Grund für die kurze Unterbrechung ist
dramatischer als zunächst vermutet, in einer Loge wurde ein
Bediensteter brutal ermordet. Inspector Santini (Urbano Barberini)
nimmt die Ermittlungen auf, doch der Killer gerät nun erst
richtig in Fahrt. Betty möchte eine Liebesnacht mit einem Freund
verbringen, während dieser kurz den Raum verlässt wird sie
überfallen und gefesselt. Dank einer einfachen -aber äußerst
sadistischen- Konstruktion des Mörders, kann die junge Frau ihre
Augen nicht schließen. Sie muss völlig hilflos mit
ansehen, wie ihr Freund gnadenlos auf bestialische Weise getötet
wird. Verstört verlässt Betty das Gemäuer, der
Albtraum hat jedoch gerade erst begonnen, der geheimnisvolle Killer
hat noch weitere Überraschungen auf Lager...
"Opera"
gehört zu den schönsten und faszinierendsten Filmen von
Dario Argento. Bei diesem Werk stimmt einfach alles! Ein ehrwürdiges
Opernhaus bietet den wundervollen Hauptschauplatz, die übrigen
Locations gefallen ebenso, mit Ronnie Taylor konnte ein erstklassiger
Kameramann für das Projekt gewonnen werden. Argentos Filme sind
(fast) immer für innovative, einzigartige Kameraarbeit bekannt,
auch "Opera" lässt sich in dieser Hinsicht nicht
lumpen. Es würde den Rahmen sprengen hier nun alle besonders
prachtvollen Momente aufzulisten, ich rate mit Nachdruck zum
Selbstversuch, dieser optische Leckerbissen ist Balsam für die
entzündeten Augen! Nicht minder wichtig ist die Musik in
Argentos Filmen. War zu Beginn seiner Karriere Ennio Morricone für
den Score zuständig (Tier-Trilogie), arbeitete er später
mit den Italo-Proggern Goblin zusammen, nicht zu vergessen
ELP-Legende Keith Emerson. "Opera" beschreitet mutig etwas
andere Wege. Zunächst gibt es selbstverständlich Klassik
auf die Ohren, die durch Metal vortrefflich ergänzt wird, pure
Energie trifft auf pure Energie, herrlich. Goblin Mitglied Claudio
Simonetti rundet den Score ab, er trägt vorzüglich seinen
Teil zum stimmigen Gesamtbild des Soundtracks bei. Die
unterschiedlichen Stile fügen sich zu einem beeindruckenden
Klanggemälde zusammen. Wie die Kamera und der Score, können
auch die Special Effects vollends überzeugen. Der Film
präsentiert sich während der Morde sehr grantig, harsch und
schlägt mit teuflischer Boshaftigkeit zu. Dies funktioniert in
der Tat bestens, weil Sergio Stivaletti und etliche andere Könner,
umwerfend gute Arbeit geleistet haben.
Bei aller Begeisterung
für die Optik, den Stil, die Umsetzung, die Atmosphäre, die
Musik, sind Schauspieler erst in den folgenden Zeilen an der Reihe.
Stehen die Darsteller also im Hintergrund, werden gar von der
visuellen Macht Argentos erdrückt? Keinesfalls, denn bei der
Wahl der Mitwirkenden vor der Kamera hat man ein gutes Händchen
bewiesen. Cristina Marsillach verstand sich -so hört man- nicht
besonders gut mit dem Meister, der Zuschauer merkt davon nichts. Die
junge Spanierin passt vortrefflich in die Rolle der Nachwuchsdiva,
die ohne jegliche Vorwarnung in einen albtraumhaften Strudel des
Grauens gerät. Ian Charleson stellt einen Filmregisseur dar, der
sich daran versucht eine Oper zu inszenieren. Sicher ein Fingerzeig
auf Argento selbst, der damals mit dieser Thematik in Verbindung
gebracht wurde. Laut seiner eigenen Aussage, gab es sogar
entsprechende Pläne, doch man wurde sich nicht einig, letztlich
war ihm dieses Betätigungsfeld zu beschränkt. Wie es um den
Wahrheitsgehalt dieser Angaben aus des Meisters Mund bestellt ist?
Ich weiß es nicht, aber es scheint mir durchaus
nachvollziehbar. Zurück zur Besetzung. Urbano Barberini spielt
einen kühlen, abgeklärt wirkenden Kriminalisten, im Verlauf
der Handlung wird er sich nicht darauf beschränken, erneut gilt:
Seht es euch an! Daria Nicolodi war einst mit Argento liiert, zum
Zeitpunkt der Dreharbeiten zu "Opera" war man allerdings
schon seit rund zwei Jahren getrennte Wege gegangen. Frau Nicolodi
stirbt einen der eindrucksvollsten Tode der gesamten Filmhistorie,
ich bin mir ziemlich sicher, dass der gute Dario jede Menge Freude
daran hatte. Über die Besetzung lässt sich generell nur
Gutes berichten. Lediglich das Spiel eines Opfers ist extrem
übertrieben geraten, doch selbst diese geballte Ladung Wahnsinn
lässt Freude aufkommen!
Man sollte nicht den Fehler
begehen, diesen Film am Logikgehalt zu messen. Sicher, nicht immer
mögen sich die Figuren absolut nachvollziehbar verhalten. Jedoch
machen gerade die Abgründigkeit und der Irrsinn einen Teil des
Reigens aus, sorgen für ein unvergessliches, äußerst
eindrucksvolles Filmerlebnis der ganz besonderen Art! Nicht unerwähnt
bleiben soll das liebenswerte Spielen mit den Klischees, die man über
die Oper und deren Stars kennt. Zahlreiche Andeutungen und
Offensichtlichkeiten sind am Start, für Schmunzler ist gesorgt.
Der Mörder lässt sich recht früh erahnen, doch das ist
überhaupt kein Problem. Der wahre Kunstgriff der Story liegt
nicht in einem besonders gut getarnten Killer, sondern in dem
radikalen Bruch, den die finale Kulisse im Vergleich zum gesamten
Film zuvor darstellt. Aus der Dunkelheit der mörderischen Oper,
der Perversion finsterer Stadtgemäuer, wirft uns Argento völlig
unvermittelt in das malerische Panorama der Schweizer Alpen! Grüne
Wiesen, freundlicher Sonnenschein, Friede, Freude... ....Mettgut! So
plötzlich der Sprung aus dem Schrecken der Stadt in die
Postkartenidylle geschieht, so plötzlich taucht das
personifizierte Grauen genau dort auf und packt mit aller
Unbarmherzigkeit zu. Das Alpenpanorama wird von einem Donnerschlag
aus Angst und Schrecken durchgerüttelt, lässt den Zuschauer
mit einer -je nach Sichtweise- erlösten oder zerstörten
Protagonistin zurück. Dieses "schräge" Ende wird
sicher nicht jedem Filmfreund gefallen. Ich verneige mich vor dieser
Konsequenz, vor diesem Verzicht auf ein fröhliches Ende, vor
diesem Verzicht auf ein finsteres Ende. Irrsinn in Reinkultur, in
unschuldiger Natürlichkeit auf den Punkt gebracht. Abgrund?
Wolke 9? Entscheidet selbst!
Bisher gibt es in Deutschland
leider keine offizielle DVD zu diesem Prachtstück von Film. Ich
habe mir die amerikanische Scheibe von Blue Underground zugelegt.
Diese kommt ohne Regionalcode ins Haus, zeigt den Film in schöner
Qualität, bietet zusätzlich eine sehr interessante
Featurette an. Die Scheibe kann also ohne Bedenken gekauft werden,
lediglich das Fehlen des italienischen Tons finde ich ein wenig
schade. Als Alternative bietet sich die italienische DVD von Cecchi
Gori an, die neben der italienischen Sprache auch englische
Untertitel an Bord hat.
Zwar schafft "Opera" nicht
ganz den Sprung in meine persönlichen "Argento Top 3",
rangiert aber sehr knapp dahinter! Ich ziehe ganz dicke 8,5/10
(sehr gut bis überragend), vielen Dank für diesen
wunderschönen Trip!
Lieblingszitat:
"Macbeth brings bad luck."
"Macbeth brings bad luck."
- Blap -
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