NAVAJO JOE
(Italien 1966), R: Sergio Corbucci
Der
Skalpjäger Duncan (Aldo Sambrell) kommt mit seiner Bande in das
Dorf Esperanza um erbeutete Kopfhäute zu verscherbeln und muss
feststellen, daß der Wind sich gedreht hat: Ein Kopfgeld ist
auf ihn ausgesetzt, sein Broterwerb ist als illegal erklärt
worden. Kurzerhand zerlegt Duncan den Ort zu Kleinholz. Dabei werden
seine Aktionen immer wieder von einem mysteriösen
Navajo-Indianer (Burt Reynolds) vereitelt und gestört, der ihn
zu verfolgen scheint und hinterhältig seine Bande dezimiert.
Zusammen mit einem verräterischen Doktor plant er den Überfall
auf einen Zug, der eine halbe Million Dollar in eine aufstrebende
Kleinstadt bringen soll. Als Navajo Joe abermals seine Pläne
durchkreuzt, bläst Duncan zum Angriff. Ein Massaker bahnt sich
an. Nach anfänglichem Widerwillen bitten die Bürger den
Indianer um Hilfe...
Bereits in
der Eröffnungsszene stellt der Film klar, daß hier das
Gesetz der eisernen Kralle regiert: Eine Indianersquaw schöpft
friedlich Wasser am idyllischen Fluss. Duncan betritt die Bildfläche.
Sie lächelt ihn an, er grinst zurück und zieht den Colt.
Sie ergreift die Flucht, er schießt der Unbewaffneten
kaltblütig in den Rücken.
Willkommen in der Welt des Sergio Corbucci!
Willkommen in der Welt des Sergio Corbucci!
Später sehen wir eine junge Familie, die
mit dem besagten Geldzug auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft
befindet. "Ein herrliches Land", sagt die junge Mutter.
"Hoffentlich gefällt es ihm", antwortet der Vater und
betrachtet liebevoll seinen Sohn im Säuglingsalter. Die Mutter:
"Er wird es lieben. Es soll seine neue Heimat werden."
Kurz darauf überfällt Duncan den Zug, alle werden massakriert. Sein Bruder zeigt noch einen Rest von Menschlichkeit und zögert, die Mutter mit dem Säugling zu erschießen. Duncan beweist weniger Skrupel und erledigt den Job eigenhändig: "Keine Zeugen, habe ich gesagt!"
Kurz darauf überfällt Duncan den Zug, alle werden massakriert. Sein Bruder zeigt noch einen Rest von Menschlichkeit und zögert, die Mutter mit dem Säugling zu erschießen. Duncan beweist weniger Skrupel und erledigt den Job eigenhändig: "Keine Zeugen, habe ich gesagt!"
Zunächst wusste ich nicht
recht, wie ich den Film einordnen sollte. Zugegeben, das Drehbuch hat
Platz auf einem Bierdeckel, die Geschichte besteht im Großen
und Ganzen aus einer Aneinanderreihung von Bluttaten. Aber der Film
lebt nicht aus einer komplexen Storyline, sondern aus seiner
alttestamentarischen Schlagkraft, mit der er vorgetragen wird. Die
Figuren – allen voran Navajo Joe – sind eher Ikonen, als
ausgefeilte Charaktere. Der Indianer taucht auf wie ein Racheengel,
tötet und verschwindet wieder. Der soziopathische Duncan
(brillant gespielt vom großartigen Aldo Sambrell) weist da
schon mehr Tiefe auf. In einer Szene erklärt er sein gnadenloses
Handeln: "Meine Mutter war eine Indianerin, daher hasse ich alle
Rothäute. Mein Vater war Amerikaner, deshalb hasse ich auch die
Weißen." Als der Priester des Ortes (Fernando Rey) sich bei
ihm bedankt, daß er einige Geiseln am Leben gelassen hat, ist
seine Reaktion nur konsequent: Er schießt ihn über den
Haufen.
Duncans Bande erinnert an die entmenschten Skalpjäger aus Cormac McCarthys ultrabrutalem Wildwestroman BLOOD MERIDIAN ("Die Abendröte im Westen"), eine multiplizierte Ausgabe der vier apokalyptischen Reiter. Die Skalps der friedlich in Reservaten lebenden Indianer werden für 1 Dollar pro Stück verhökert.
Duncans Bande erinnert an die entmenschten Skalpjäger aus Cormac McCarthys ultrabrutalem Wildwestroman BLOOD MERIDIAN ("Die Abendröte im Westen"), eine multiplizierte Ausgabe der vier apokalyptischen Reiter. Die Skalps der friedlich in Reservaten lebenden Indianer werden für 1 Dollar pro Stück verhökert.
Corbuccis Film entstand 1966, im selben Jahr
wie sein wegweisender DJANGO. An diesen filmischen Dampfhammer reicht
NAVAJO JOE freilich nicht heran, trotzdem bereitet er dem Zuschauer
eine Menge Spaß. Für die damalige Zeit war es auch äußerst
gewagt und einzigartig, einen Indianer als (positive) Hauptfigur
einzusetzen und die Verbrechen der weißen Einwanderer an den
Ureinwohnern anzuprangern. In dieser Hinsicht war Corbucci den
Amerikanern um einige Nasenlängen voraus – SOLDIER BLUE ("Das
Wiegenlied vom Totschlag") kam erst drei Jahre später.
In einer besonders eindrucksvollen Szene stellt Joe dann auch klar, wer die wahren Amerikaner sind – und lässt sich kurzerhand zum Sheriff des Ortes ernennen.
Ungewöhnlich ist auch das Ende und nimmt bereits einige Elemente von Corbuccis Meisterwerk IL GRANDE SILENZIO vorweg.
Der Film geizt nicht gerade mit Brutalitäten, dennoch halte ich eine AB 18-Freigabe für maßlos überzogen. In den bisherigen deutschen Fassungen (vor allem im TV) wurden einige Szenen sogar entschärft oder ganz herausgeschnitten. Die Koch-Scheibe ist natürlich ungekürzt.
In einer besonders eindrucksvollen Szene stellt Joe dann auch klar, wer die wahren Amerikaner sind – und lässt sich kurzerhand zum Sheriff des Ortes ernennen.
Ungewöhnlich ist auch das Ende und nimmt bereits einige Elemente von Corbuccis Meisterwerk IL GRANDE SILENZIO vorweg.
Der Film geizt nicht gerade mit Brutalitäten, dennoch halte ich eine AB 18-Freigabe für maßlos überzogen. In den bisherigen deutschen Fassungen (vor allem im TV) wurden einige Szenen sogar entschärft oder ganz herausgeschnitten. Die Koch-Scheibe ist natürlich ungekürzt.
Die Schauspieler machen ihre Sache allesamt
gut. Sambrell ragt, wie bereits erwähnt, heraus. Reynolds wirkt
etwas hölzern in den Dialogpassagen, bei den Actionsequenzen
macht er dafür nichts falsch – der Mann war damals topfit und
hat auch sämtliche Stunts eigenhändig
bestritten.
Erwähnenswert ist vor allem auch der geniale
Score von Altmeister Ennio Morricone. Ich hatte die ganze Zeit über
das Gefühl, die Musik bereits zu kennen – später stellte
sich dann heraus, daß mehrere Stücke für den KILL
BILL-Soundtrack geklaut worden sind, der sich ja ähnlich
unverfroren bei FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR oder LADY SNOWBLOOD
bediente.
Mit Sicherheit eine von Morricones schönsten Arbeiten.
Mit Sicherheit eine von Morricones schönsten Arbeiten.
Die DVD von Koch präsentiert sich in
umwerfender Qualität und ist bis zum Rand gefüllt mit
tollen Extras. Ein Featurette bietet hochinteressante Interviews mit
dem damaligen Regieassistenten Ruggero Deodato (der amüsante
Anekdoten darüber erzählt, wie Burt Reynolds damals etwas
pikiert war, weil man ihn nicht wie den Star behandelte, für den
er sich hielt), der Ehegattin von Sergio (die man peinlicherweise zu
Beginn als die Frau von BRUNO Corbucci vorstellt), sowie der sehr
sympathischen Nicoletta Machiavelli, die im Film eine Indianerin im
Dienst der Weißen spielt.
Resummé: NAVAJO JOE ist
ein actionbetonter, harter Italowestern, der zwar mit einigen
Schwächen zu hadern hat und nicht an die Glanzstücke in
Corbuccis Schaffen heranreicht, aber bestens unterhält und mit
einer politischen Note gewürzt wurde.
- Pelle -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.