DIE NACHT DER OFFENEN SÄRGE
(„Drácula contra Frankenstein“, Spanien 1972) R: Jess Franco
Monstergipfel im trashigen Tal des Todes
Der verschlagene Dr. Frankenstein
(Dennis Price) strebt die Weltherrschaft an. Ergo reist der wirre
Wissenschaftler -mit seinem Monster im Gepäck- zum Anwesen des
Grafen Dracula (Howard Vernon). Das untote Leben des mächtigen
Blutsaugers, wurde zuvor vom emsigen und mutigen Doktor Seward
(Alberto Dalbés) beendet. Doc Frankenstein findet lediglich eine
gepfählte Fledermaus im Sarg des Grafen vor. Doch sein Monster
schafft eine junge Dame herbei, mit deren Blut man Dracula
auferstehen lässt. Frankenstein hat nun die Kontrolle über
Dracula, benutzt ihn für seine grausigen Zwecke. Angst und
Schrecken machen sich breit, wird Doktor Seward das drohende Unheil
aufhalten können...???
Die Inhaltsangabe zu dieser Sause
kann man getrost kurz halten, denn das Drehbuch passt vermutlich auf
wenige Seiten. Jess Franco verdanken wir einige künstlerisch
ambitionierte Werke, man denke z.B. an den wunderschönen Streifen
"Vampyros Lesbos", aber auch völlig sinnfreien,
durchgedrehten Trash. Und trashig ist "Drácula contra
Frankenstein" in höchstem Maße. In Deutschland wurde der Film
unter dem Titel "Die Nacht der offenen Särge" vermarktet.
Die Charaktere tragen in der deutschen Fassung teils völlig andere
Namen, Doktor Frankenstein wird zu "Dr. Exorcio", Dracula
heißt plötzlich "Graf Sartana". Was solls, Namen sind in
diesem Fall sowieso mehr Rauch als Schall, denn Dialoge finden nur
recht selten den Weg in des Zuschauers Gehörwindungen. Das Regiment
führen Gummifledermäuse und bedeutungsschwangere Blicke.
Oft
wird Jess Franco unterstellt, er würde zu gerne und zu sinnfrei
zoomen. Hier trifft dies tatsächlich zu, es passt aber wunderbar
zum wahnwitzigen Tenor des Films. Dabei sind die Kulissen durchaus
stimmungsvoll geraten, inklusive Nebelschwaden und Grusel-Gemäuer.
Gerade während der gruftigen Szenen in Draculas Anwesen, ist die
Kameraarbeit wirklich von lobenswerter Natur, Unfähigkeit kann man
dem Verantwortlichen nicht unterstellen. Der Score stammt teilweise
von Bruno Nicolai, in Francos "Nachts, wenn Dracula erwacht"
(El Conde Drácula, 1970), kamen die schönen Gruselklänge bereits
zuvor zum Zuge. Der Plot ist sicher als Huldigung der klassischen
Monsterfilme aus den dreißiger und vierziger Jahren zu verstehen.
Denn Franco hetzt nicht nur Doktor Frankenstein und sein Monster auf
Dracula, hier taucht am Ende gar ein wütender Werwolf auf, der sich
unermüdlich auf Frankensteins Monster stürzt. Die Optik der
Unholde ist sicher zum brüllen albern, gleichzeitig aber auch
extrem knuffig, naiv und liebenswert. Dazu mehr in den
folgenden Zeilen.
In der Rolle des Doktor Frankenstein sehen
wir Dennis Price, der in Grunde wie ein freundlicher Kegelbruder von
nebenan ausschaut, unscheinbar und harmlos. Price versteht es
allerdings unglaublich irre Fratzen zu schneiden, von denen man den
eigenen Blick vor lauter Freude gar nicht abwenden kann. Howard
Vernon ist bekanntlich eine Gesichtsruine der Spitzenklasse, der
gute Mann kam bei Franco einige Male zum Einsatz. Selbst wenn Vernon
schlafend im Sarg ruht, erscheint sein Antlitz wie eine wahnsinnige
Grimasse, ich liebe es, ich liebe es, ich liebe es! Fernando Bilbao
poltert als Frankensteins Monster durchs Szenario. Sein
Erscheinungsbild wurde erwartungsgemäß auf Boris Karloff getrimmt,
zusätzlich sondert er groteske Laute ab. Damit nicht genug, zwar
ist der Werwolf leider recht schlapp ausgeführt, doch Frankensteins
zweites Helferlein Morpho ein weiterer Knüller. Die Gesichtszüge
von Luis Barboo toppen locker die größten Eisenbahnkatastrophen
der Menschheitsgeschichte! Es ist schier unglaublich, unfassbar,
unbegreiflich! Das Ensemble wird durch ein paar hübsche Damen
abgerundet, Britt Nichols, Geneviève Robert und Anne Libert
erfreuen das Auge. Alberto Dalbés wirkt in der Rolle des Helden ein
wenig unscheinbar, er kommt nicht gegen die massive Dominanz seiner
Gegenspieler an. Macht aber nichts, freundliche Zigeuner helfen ihm
auf die Sprünge.
Wenn man sich nur ein wenig mehr Mühe mit
dem Drehbuch gemacht hätte, wäre "Drácula contra
Frankenstein" vielleicht ein kleiner Klassiker seines Genres.
In der vorhandenen Form wird der Streifen von zahlreichen
Geschwistern getoppt, ist aber trotzdem sehr unterhaltsam und
kurzweilig. Was ist herrlicher als Eurokult-Horror aus den sechziger
und siebziger Jahren? Wo wird ein höherer Knuffigkeitsfaktor
erreicht? Nirgendwo, ist doch klar (Widerspruch ist zwecklos)! Für
Einsteiger ist dieses Machwerk weniger geeignet, doch Liebhaber des
Genres, Franco-Verehrer, sowie angenehm verdrehte Filmfreunde,
dürften -Toleranz vorausgesetzt- sicher ihre Freude an "Drácula
contra Frankenstein" haben. Als Alternative und/oder Ergänzung,
möchte ich euch Jess Francos "Eine Jungfrau in den Krallen von
Frankenstein" (auch bekannt als: "Das Blutgericht der
gequälten Frauen", Originaltitel: La Maldición de
Frankenstein, 1972) ans Herz legen. Die Besetzung überschneidet
sich an vielen Stellen, der Spaßfaktor ist noch höher. Der Film
ist in Deutschland ungekürzt und zum fairen Kurs erhältlich.
Eine
deutsche DVD-Auswertung zu "Die Nacht der offenen Särge"
fehlt bislang. Schade, vielleicht erbarmt sich ein kleines, feines
Label irgendwann. Mir liegt die RC1 Scheibe aus den USA vor. Die DVD
von Image Entertainment präsentiert den Film im spanischen
Originalton, der sich durch englische Untertitel ergänzen lässt.
Die Qualität des Bildes ist durchwachsen, doch insgesamt lässt es
sich recht erträglich mit dem Silberling leben (sofern man kein
Pixelzähler ist). Boni glänzen leider vollständig durch
Abwesenheit. Sollte eine bessere Auswertung des Flicks auftauchen,
würde ich gern erneut zugreifen. Für die Zielgruppe geht das
Gebotene sicher weitgehend in Ordnung.
6,5/10 + diverse Knuffelpunkte!
Lieblingszitat:
"Here, I shall be able to work and triumph!"
"Here, I shall be able to work and triumph!"
- Blap -
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