MORTE SOSPETTA DI UNA MINORENNE
(Italien 1975) R: Sergio Martino
Eine junge Dame wird von einem fiesen
Sonnenbrillenträger brutal abgeschlachtet. Kurz vorher tanzte
sie eine Runde mit dem leicht verschrobenen Paolo Germi (Claudio
Cassinelli), der sich auf die Fährte des Killers begibt. Bei
seinen Nachforschungen trifft Germi auf den kleinen
Nachwuchslangfinger Giannino (Adolfo Caruso), den er kurzerhand als
Helferlein verpflichtet. Der Jüngling wundert sich bald über
seinen neuen Bekannten, denn plötzlich geht es nicht mehr nur
darum den Nutten im Park die Handtaschen zu klauen. Nein, plötzlich
gibt es Tote, wüste Verfolgungsjagden und Säcke voller
Geld. Die wahre Identität von Germi ist nicht schwer zu erraten,
doch für den schlichten Giannino trotzdem eine Überraschung.
Der Mord an der Hobbynutte ist jedoch nur ein kleines Puzzleteil in
einem erschreckenden Gesamtbild, in dem der reiche Bösewicht
Gaudenzio Pesce (Massimo Girotti) eine gewichtige Rolle spielt. Die
recht "speziellen" Methoden des engagierten Germi, treiben
seinem Vorgesetzten (Mel Ferrer) die Schweißperlen auf die
faltige Stirn. Pesce ist ein einflussreiches Mitglied der obersten
Gesellschaftssicht, was einerseits Germis Chef noch mehr Qualen
bereitet, den Ermittler aber andererseits zur Höchstleistung
auflaufen lässt...
Diesen
wundervollen Film inszenierte Sergio Martino 1975. Mit prächtigen
Gialli wie "Lo strano vizio della Signora Wardh" (Der
Killer von Wien, 1971), "La coda dello scorpione" (Der
Schwanz des Skorpions, 1971) und "Tutti i colori del buio"
(Die Farben der Nacht, 1972), sowie Beiträgen zum Polizeifilm
wie z.B. "Milano trema: la polizia vuole giustizia" (1973),
erschuf Martino strahlende Highlights des italienischen Genrekinos.
Es wäre müßig und zu ausufernd hier nun alle
entsprechenden Titel aufzulisten, Informationsquellen bietet das
Internet im Überfluss. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass
Sergio Martino auch nach seinen Beiträgen zu diesen Genres,
etliche Filmperlen zu anderen Spielarten des Italokinos beitrug.
"Morte sospetta..." kann man zwar problemlos dem
Polizeifilm zuordnen, doch das Werk sprengt den üblichen Rahmen
des Genres. Da wären zunächst die deutlichen
Giallo-Elemente zu nennen. Die Optik und Vorgehensweise des Mörders,
die Inszenierung seiner Taten, würden auch jedem Giallo perfekt
zu Gesicht stehen, der Score erinnert ebenso immer wieder an dieses
Genre. Ferner ist die zugefügte Prise Humor weder zu übersehen,
noch zu überhören, glücklicherweise driftet der
Streifen aber nicht in dümmlichen Klamauk ab. Wie ein roter
Faden zieht sich das "Brillenproblem" der Hauptfigur durch
den Film, jeder Optiker hätte sicher seine Freude an einem solch
ergiebigen Kunden. Dann wäre da noch der fahrende Untersatz des
Helden. Eine Ente, die sich nach und nach in ihre Bestandteile
auflöst. Da darf Helferlein Giannino auch kurzerhand die Türen
abreißen und den Verfolgern entgegenschleudern. Doch nicht nur
die Zutaten aus anderen Genres machen "Morte sospetta..."
zu einem ganz besonderen Erlebnis. Claudio Cassinelli spielt hier
ganz groß auf. Wie seine ultraharten Kollegen aus anderen
Filmen, kann sein Paolo Germi zwar auch verdammt ungemütlich
werden, doch seine Darstellung geht weit über den Horizont -des
genretypischen- einsilbigen Haudrauf-Bullen hinaus. Immer wenn ich
Claudio Cassinelli sehe, erfreue ich mich an seinen exquisiten
schauspielerischen Qualitäten. Doch genauso beschleicht mich
regelmäßig eine gewisse Schwermütigkeit, denn
Cassinelli verstarb bereits 1987 bei einem tragischen Unfall. Leider
wurde dieser äußert talentierte Darsteller nur 47 jung,
möge er in Frieden ruhen. Die übrigen Mitwirkenden liefern
durch die Bank gute Leistungen ab, doch der Film ist ganz klar auf
Platzhirsch Cassinelli zugeschnitten. Mel Ferrer taucht ab und an als
gestresster Chef auf und ringt um Fassung, Adolfo Caruso kommt als
sympathischer Dummbatz daher, Massimo Girotti gibt den Widerling mit
Stil. Die Kamera fängt das Geschehen vorzüglich ein, der
teils an Goblin erinnernde Score verdient ein dickes Lob.
"Morte
sospetta..." bedient die Vorgaben des Polizeifilmgenres, fügt
aber -auf sehr gelungene Art und Weise- Ingredienzien anderer
Richtungen hinzu. Nicht zuletzt spielt der Film immer wieder mit den
Klischees, damit natürlich auch mit der Erwartungshaltung des
Zuschauers. Ich bin sehr, sehr angetan von diesem wundervollen Film!
Die DVD aus der "Italian Genre Cinema Collection" von
Sazuma ist ein echter Volltreffer (Glücklicherweise wird diese
Reihe von dem kleinen Label Camera Obscura fortgeführt)! Die
gebotene Bildqualität ist erstklassig, da nie eine deutsche
Synchronisation existierte, hat man den italienischen Originalton
durch deutsche, englische und niederländische Untertitel ergänzt
(Was mir deutlich lieber ist als eine neu angefertigte Synchro, die
in den meisten Fällen überhaupt nicht zum Film passt). Im
Bonusmaterial findet man ein knapp halbstündiges Interview mit
Regisseur Sergio Martino, sowie ein paar nette Kleinigkeiten. Die DVD
kommt in einem dicken Digipak samt Schuber daher, das Cover wurde
sehr ansprechend gestaltet. Ein kleines Booklet mit Anmerkungen des
altgedienten Christian Keßler rundet das phantastische
Gesamtbild stimmig ab.
Ein grandioser Film, präsentiert
in perfekter Aufmachung! Noch sind Restbestände erhältlich,
ich rate zum sofortigen Kauf! Dieser Schatz ist unbezahlbar,
glücklicherweise momentan (noch) für kleines Geld
erhältlich. Also: KAUFEN! (Sonst wird nachher wieder geheult,
weil die Scheibe nur noch zu Bordellpreisen erhältlich ist...
...und die Blagen keine Weihnachtsgeschenke bekommen, weil Papi die
gesamte Kohle für eine DVD rausgehauen hat!)
Sehr gut bis überragend = 8,5/10
Lieblingszitat:
"Dann bleibt Italien die Wiege des Rechts! ...und das Recht scheißt sie voll!"
"Dann bleibt Italien die Wiege des Rechts! ...und das Recht scheißt sie voll!"
- Blap -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.