MONDO CANNIBALE
("Il paese del sesso selvaggio", Italien 1972) R: Umberto Lenzi
Der englische Bildjournalist Duane
Bradley (Ivan Rassimov) fliegt nach Thailand, um über ein
unerforschtes Gebiet an der thailändisch-burmesischen Grenze zu
berichten. Während eines Besäufnisses in einer Bar gibt es
Kamine mit einem bewaffneten Einheimischen, es kommt zum Gerangel und
plötzlich steckt die Klinge im Wanst des Angreifers. Bradley
macht sich aus dem Staub und schlägt sich durch ins
Landesinnere. Mit einem Boot und einem ortskundigen Führer fährt
er den Fluss hinab zu seinem Zielort – der tiefe, tiefe Dschungel.
Es dauert nicht lange, da wird sein Begleiter von unbekannten
Buschmenschen ermordet, Bradley selbst nimmt man gefangen. Da er
einen Taucheranzug und Flossen trägt, hält man ihn für
einen Fischmenschen und lässt ihn zur erst mal tagelang in einem
Netz baumeln. Von seinem hohen Aussichtspunkt wird er Zeuge
barbarischer Sitten – zwei Gefangenen eines verfeindeten Stammes
wird ohne Narkose die Zunge aus dem Rachen geschnippelt. Bradleys
Empörung verhallt ungehört, stattdessen setzt man ihn als
billige Arbeitskraft für niedere Tätigkeiten ein. Der alte
Häuptling Lahuna (Ong Ard) steht dem "Fischmenschen" eher
neugierig-neutral gegenüber, der grimmige Medizinmann und der
narbengesichtige Chef-Krieger Karan (Sullalewan Suxantat) sähen
ihn am liebsten am Spieß geröstet. Die liebreizende
Häuptlingstochter Maraya (Me Me Lai) hegt derweil ein ganz
anderes Interesse an dem blonden Jüngling und lässt ihn
erst mal "nackt arbeiten", um seine Qualitäten genauer in
Augenschein zu nehmen. Bradley kann die plumpen Annäherungsversuche
zunächst nicht deuten, dann schwant ihm jedoch, worum es hier
geht – und zeigt sich keineswegs abgeneigt. Von der alten Kim
(Pratitsak Singhara), die gebrochen Englisch spricht, erfährt
er, daß Maraya dem Kämpfer Karan versprochen wurde –
Konflikte bahnen sich also an. Weiter im Schnelldurchlauf: ein
mörderischer Zweikampf zwischen den Buhlen entbrennt, bei dem
Bradley als Sieger hervorgeht, bizarre Rituale werden abgehalten,
fleischlichen Exzessen auf der Asche der Toten wird gefrönt, ein
Fluchtversuch Bradleys wird vereitelt, bizarre Rituale werden
abgehalten, Bradley bekommt einen schmucken Fell-Bodysuit verliehen
und wird in den Stamm aufgenommen, Maraya und Bradley schließen
den heiligen Bund der Ehe, bizarre Rituale werden abgehalten.
Zwischendurch zerschnetzelt man frohen Mutes ein paar Viecher. Und
dann tauchen sie endlich aus dem Dickicht auf und gieren nach
Menschenfleisch: die Kannibalen...
Das ist er also, der
Film, mit dem eine der unrühmlichsten und skandalträchtigsten
Lawinen der Filmgeschichte losgetreten wurde, das erste italienische
Kannibalen-Epos. Bisher schwappte das Werk stets an meinem
Aufmerksamkeitsfeld vorbei. Zwar habe ich vor etlichen Jahren den
zweiten Teil MONDO CANNIBALE 2 – DER VOGELMENSCH gesehen, der mich
aber nicht unbedingt dazu verpflichtete, den Vorläufer zu
gucken. Eines vorweg: Lenzis erster Beitrag zum
Menschenfresser-Subgenre ist insgesamt eine recht harmlose und
biedere Angelegenheit – ein Vergleich mit späteren Exzessen,
wie dem wirklich guten CANNIBAL HOLOCAUST von Ruggero Deodato oder
Lenzis eigenem Misthaufen DIE RACHE DER KANNIBALEN, lässt sich
nicht ziehen.
Der Film präsentiert sich über weite Strecken als ein recht herkömmlicher Abenteuerfilm, als dessen deutliches Vorbild Elliot Silversteins Western DER MANN, DEN SIE PFERD NANNTEN gelten kann. Der zweite große Einflussgeber ist natürlich Gualtiero Jacopettis MONDO CANE, der dem erstaunten Publikum allerlei menschliche Abgründigkeiten im Doku-Stil servierte. Blutrünstige Stammesriten, Selbstverstümmelungen, Tierschlachtungen und weitere Kuriositäten aus aller Welt waren die gängigen Ingredienzien. Wer bei MONDO CANNIBALE aber eine wilde Schlachtplatte mit Eingeweideschau erwartet, wird herb enttäuscht werden – die titelgebenden Kannibalen tauchen erst im letzten Drittel des Films auf und werden in fünf Minuten abgefrühstückt. Blutwurst wird kaum feilgeboten, sieht man von einer einzigen, eher beschaulichen Knabberei am Kadaver ab.
Lenzi hat hier vielmehr einen routiniert inszenierten "Weißer Mann unter Wilden"-Abenteuerstreifen abgedreht, der alle Versatzstücke des Genres vereint: die Gefangenschaft, die Entbehrungen und harten Prüfungen, die sich entwickelnde Liebesgeschichte zu der fremdartigen, wilden Schönheit, Zweikämpfe mit dem Kontrahenten, die Umkehr der Werte, die letztendliche Abkehr von der sogenannten Zivilisation – es werden also sämtliche klischeebeladenen Zutaten in die Pfanne geworfen, die man im Gemischtwarenladen "Grüne Hölle" finden kann. Anstelle von "nackt & zerfleischt", geht es vor allem "nackt" zur Sache – der Originaltitel des Films lautet wörtlich übersetzt "Das Land der wilden Sexualität", und Nomen est Omen! Es wird reichlich gefummelt, gerödelt, genagelt und nackig durchs Unterholz geturnt. Das kann schon mal recht öde werden, zumal die mageren Reize der thailändisch-burmesischen Miezen mich eher kalt lassen. Ansonsten ist Lenzi um eine – mehr schlecht als recht gelungene – realistische Darstellung der Sitten und Gebräuche der Einheimischen bemüht, was zu teilweise doch eher unfreiwillig komischen Momenten führt.
Der Film präsentiert sich über weite Strecken als ein recht herkömmlicher Abenteuerfilm, als dessen deutliches Vorbild Elliot Silversteins Western DER MANN, DEN SIE PFERD NANNTEN gelten kann. Der zweite große Einflussgeber ist natürlich Gualtiero Jacopettis MONDO CANE, der dem erstaunten Publikum allerlei menschliche Abgründigkeiten im Doku-Stil servierte. Blutrünstige Stammesriten, Selbstverstümmelungen, Tierschlachtungen und weitere Kuriositäten aus aller Welt waren die gängigen Ingredienzien. Wer bei MONDO CANNIBALE aber eine wilde Schlachtplatte mit Eingeweideschau erwartet, wird herb enttäuscht werden – die titelgebenden Kannibalen tauchen erst im letzten Drittel des Films auf und werden in fünf Minuten abgefrühstückt. Blutwurst wird kaum feilgeboten, sieht man von einer einzigen, eher beschaulichen Knabberei am Kadaver ab.
Lenzi hat hier vielmehr einen routiniert inszenierten "Weißer Mann unter Wilden"-Abenteuerstreifen abgedreht, der alle Versatzstücke des Genres vereint: die Gefangenschaft, die Entbehrungen und harten Prüfungen, die sich entwickelnde Liebesgeschichte zu der fremdartigen, wilden Schönheit, Zweikämpfe mit dem Kontrahenten, die Umkehr der Werte, die letztendliche Abkehr von der sogenannten Zivilisation – es werden also sämtliche klischeebeladenen Zutaten in die Pfanne geworfen, die man im Gemischtwarenladen "Grüne Hölle" finden kann. Anstelle von "nackt & zerfleischt", geht es vor allem "nackt" zur Sache – der Originaltitel des Films lautet wörtlich übersetzt "Das Land der wilden Sexualität", und Nomen est Omen! Es wird reichlich gefummelt, gerödelt, genagelt und nackig durchs Unterholz geturnt. Das kann schon mal recht öde werden, zumal die mageren Reize der thailändisch-burmesischen Miezen mich eher kalt lassen. Ansonsten ist Lenzi um eine – mehr schlecht als recht gelungene – realistische Darstellung der Sitten und Gebräuche der Einheimischen bemüht, was zu teilweise doch eher unfreiwillig komischen Momenten führt.
Ivan
Rassimov sehe ich immer gern, auch hier provoziert er keinen Grund
zur Beschwerde. Lustig ist seine schlecht blondierte Matte und die
salbadernde Off-Erzählerstimme in der deutschen Synchro, die
wohl dem semidokumentarischen Stil geschuldet ist. Die Darsteller der
Eingeborenen kommen alle sehr authentisch daher und liefern eine
bierernste Performance ab, sieht man mal von dem augenrollenden und
zähnefletschenden Medizinmann ab, über den ich mich
köstlich amüsiert habe. Die Darstellerin der Maraya, Me Me
Lai, wurde in Burma als Tochter eines Engländers und einer
Burmesin geboren. Als Teenager zog es sie nach England, von wo aus
sie zunächst ihre Karriere als TV-Moderatorin startete. Später
spielte sie aufgrund ihres exotischen Aussehens in zahlreichen
Abenteuer- bzw. Kannibalen-Filmen mit. Nach einigen kleineren Rollen
hat sie sich Mitte der Achtziger auch aus dem Filmgeschäft
zurückgezogen.
Gefilmt ist die ganze Dschungel-Soße wirklich sehr ansprechend, Lenzis Kameramann Riccardo Pallottini verstand sein Handwerk und hatte ein sicheres Äuglein für schöne Bilder. Die Inszenierung kommt grundsolide daher, jedoch die Spannung und das rasante Tempo seiner Poliziotteschi sollte man bei MONDO CANNIBALE nicht ansatzweise erwarten. Stellenweise dümpelt die Handlung doch arg langatmig dahin, ich war zwischendurch versucht, vom Sofa aufzustehen und mir eine Wasserschlange in den Toaster zu schieben.
Gefilmt ist die ganze Dschungel-Soße wirklich sehr ansprechend, Lenzis Kameramann Riccardo Pallottini verstand sein Handwerk und hatte ein sicheres Äuglein für schöne Bilder. Die Inszenierung kommt grundsolide daher, jedoch die Spannung und das rasante Tempo seiner Poliziotteschi sollte man bei MONDO CANNIBALE nicht ansatzweise erwarten. Stellenweise dümpelt die Handlung doch arg langatmig dahin, ich war zwischendurch versucht, vom Sofa aufzustehen und mir eine Wasserschlange in den Toaster zu schieben.
Apropos: Dies ist natürlich auch
der erste Film, der die umstrittenen Tiertötungen vor laufender
Kamera zeigt. In diesem Fall erwischt es eine Schlange, einen Kaiman
und eine Ziege. Ich habe mich zu diesem kontrovers diskutierten Thema
ja bereits an anderer Stelle ausgiebig geäußert, hier also
nur in Kurzform: Ziegen und Lämmer fresse ich selber recht gern,
und da man die Tierchen schlachten muss, bevor man sie in die Pfanne
kloppt, versteht sich von selbst. Krokodilschnitzel werden ja heuer
in jedem gutsortierten Supermarkt angeboten, daher käme es auch
in diesem Fall der Heuchelei gleich, sich darüber zu
echauffieren. Eine Schlange kann, gut gewürzt, gewiss auch sehr
schmackhaft sein – Kenner behaupten, sie munden ähnlich wie
Hühnchen. Natürlich wollen wir aber nicht SEHEN, wie die
Tiere totgemacht werden, wir wollen sterile Filets auf dem Teller und
Micky Maus-Mortadella auf der Stulle. Bloß nicht dem Lebewesen
in die Augen schauen, das man ruhigen Blutes vertilgt. Sich die Hände
schmutzig machen, das tun ja "Die Anderen", die in Schlachthöfen
dafür entlohnt werden. Ich bin kein Vegetarier, und ich habe es
aufgegeben, mich selber zu bescheißen – von daher habe ich
keine Probleme mit dem Dargestellten. Die Wahrheit sieht nicht immer
lecker aus.
Streiten könnte man sich vielmehr über die inszenierten Tierkämpfe, die ich wirklich für äußerst sinnlos und überflüssig erachte – im Fall von MONDO CANNIBALE ein Duell zwischen Mungo und Kobra, sowie ein blutiger Hahnenkampf. Aber: andere Länder, andere Sitten. In Spanien werden nach wie vor jedes Jahr barbarische Stierkämpfe abgehalten und trotzdem fliegen weiter alle Ballermänner dieser Welt wacker nach Mallorca.
Streiten könnte man sich vielmehr über die inszenierten Tierkämpfe, die ich wirklich für äußerst sinnlos und überflüssig erachte – im Fall von MONDO CANNIBALE ein Duell zwischen Mungo und Kobra, sowie ein blutiger Hahnenkampf. Aber: andere Länder, andere Sitten. In Spanien werden nach wie vor jedes Jahr barbarische Stierkämpfe abgehalten und trotzdem fliegen weiter alle Ballermänner dieser Welt wacker nach Mallorca.
Schlussbemerkung: MONDO CANNIBALE
ist ein zeitweise recht ansprechend gefilmtes und ordentlich
inszeniertes Exploitation-Abenteuerdrama, das durchaus unterhalten
kann, aber mitunter auch für die Verbreitung von Langeweile
sorgt. Gewiss kein Meilenstein der Filmgeschichte, eher von
filmhistorischem Wert.
Die DVD bekommt man als kleine
Hartbox von CMV, die Bildqualität ist anständig, der Ton
weniger.
Lieblingszitat:
"Nach Wasserschlangen brauch ich immer ´nen Whiskey. Der desinfiziert."
"Nach Wasserschlangen brauch ich immer ´nen Whiskey. Der desinfiziert."
- Pelle -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.