Filmclub Bali
   
 

MIMIC

(USA 1997) R: Guillermo del Toro

In New York grassiert eine mysteriöse Seuche, die vor allem kleine Kinder trifft: das tödliche Strickler-Syndrom. Übertragen wird die Krankheit ausgerechnet durch Küchenschaben, die im Big Apple tonnenweise vorkommen. Die jungen Wissenschaftler Dr. Susan Tyler (Mira Sorvino) und Dr. Peter Mann (Jeremy Northam) haben jedoch eine ungewöhnliche Lösung des Problems parat: Eine biologische Gegenwaffe wird eingesetzt, eine Mutation aus einer Termite und einer Gottesanbeterin – die Judas-Züchtung. Durch deren Exkremente verenden die Kakerlaken, und die Gefahr scheint gebannt.
Drei Jahre später kommt es jedoch zu tödlichen Ereignissen in Manhattan: Es scheint, als ginge ein geheimnisvoller Serienmörder im Untergrund um, der sich seine Opfer unter den Obdachlosen sucht, die in verlassenen U-Bahn-Stationen hausen. Gleichzeitig erhält Susan von zwei Kindern einen mysteriösen Fund: eine große, mutierte Kakerlake, bei der es sich um ein Jungtier der mutierten Judas-Schabe zu handeln scheint. Susan und Peter stellen Nachforschungen an, unterstützt von dem U-Bahn-Securitybeamten Leonard (Charles S. Dutton) und dem Schuhputzer Manny (Giancarlo Giannini – genau, der damals in DER SCHWARZE LEIB DER TARANTEL den Inspektor Tellini spielte), der seinen autistischen Sohn Chuy (Alexander Goodwin) vermisst. Unter den Straßen von New York stoßen sie auf die schreckliche Wahrheit: Die Judas-Schaben sind zu menschengroßen, fleischfressenden Monstren mutiert, die sich durch geschickte Mimikry an ihre humanen Feinde angepasst haben...
Mimic
Tja. In groben Zügen liest sich diese Zusammenfassung gar nicht mal soo übel, und man hätte durchaus einen anständigen B-Monsterfilm daraus zimmern können.
Leider krankt die ganze Angelegenheit – wie so häufig – bereits am Drehbuch, das ein derart lückenhafter Flickenteppich geworden ist, dass der ganze Staat NY durch die klaffenden Logiklöcher fallen könnte.
Das Dilemma beginnt bereits bei der hirnamputierten Prämisse, dass die Geheimwaffe der Judas-Schrecken aus deren Kot besteht – denkt man diese Idee konsequent zu Ende, müssten die mutierten Monsterschaben ihre Opfer eigentlich zu Tode scheißen, anstatt sie zu zerfleischen. (Was ich übrigens sehr lustig gefunden hätte.) Überhaupt könnte der in seiner Naivität geradezu rührende Einfall, "genmanipulierte" Schaben in New York auszusetzen, um nicht-genmanipulierte Schaben auszumerzen, direkt aus einem 50er Jahre-Billig-SF-Film von Jack Arnold stammen. (Was ja auch wieder sehr charmant ist.) Um den ganzen Kleister posthum "logisch" zu erklären, lässt sich der Drehbuchautor dann aber allerhand pseudowissenschaftlichen Mumpitz einfallen – ein "Selbstmord-Gen" wird bemüht, auweia. Solcherlei Dünnpfiff wird im Verlauf noch in üppigen Haufen serviert, und man fühlt sich zeitweise in eine der schlechteren Episoden von AKTE X versetzt – aber reiten wir nicht weiter drauf herum. Schließlich soll dies ein Monsterfilm sein, und was macht einen Monsterfilm aus? Szenen mit Monstern, genau!
Leider schafft der Film es aber auch in dieser Hinsicht nicht wirklich zu überzeugen. Zwar sehen die mutierten Krabbelviecher recht eklig und bedrohlich aus (besonders in ihrer "Mimikry"-Erscheinungsform), aber leider versäumt das Drehbuch es, aus den Konfrontationen mit den Killerinsekten das nötige Quäntchen an Suspense, Nervenkitzel oder gar Horror herauszupressen. Obwohl sich reichlich wohlfeile Gelegenheiten dazu anböten, vergeigt das Skript sämtliche guten Ansätze und lässt jede Möglichkeit auf ärgerliche Weise im Sande verlaufen. Es gibt durchaus gelungene Momente – aber immer dann, wenn die Narration die Daumenschrauben anziehen müsste, wird wieder lockergelassen. Stattdessen übt man sich im routinierten Abhaken von Klischees und gängigen Standardsituationen.
Was die Sache noch verschlimmert, sind die unausgegorenen und insgesamt blassen Charaktere – keine der Figuren besitzt Tiefe, Sympathiewerte oder wirkliches Potential. Letztendlich bleiben alle Beteiligten nur blutleere Statisten, die um den mageren Plot herumchargieren. Da macht auch der großartige Charaktermime F. Murray Abraham keine Ausnahme, der in einer unscheinbaren Nebenrolle verheizt wird. Hinzu kommen die mitunter sinnentleerten und/oder saudoofen Dialoge, die nicht einmal den Charme einer waschechten Trash-Gurke verströmen, sondern vielmehr auf peinliche Weise versuchen, sich an den damals unausweichlichen Tarantino-Chic anzubiedern.
Das Gelungenste an der ganzen Chose ist noch mit Abstand die Inszenierung von Del Toro, die immerhin sehr dicht und atmosphärisch rüberkommt – was hätte daraus werden können, wenn man ihm ein besseres Skript geliefert hätte! Die Kulissen der dunklen U-Bahn-Schächte und Abwasserkanäle, jene "geheime Welt" unter der Großstadt, wird sehr wirkungsvoll genutzt, und auch an der guten Kameraarbeit von Dan Laustsen gibt es nichts zu bemängeln. Auf formaler Ebene ist der Steifen also durchaus annehmbar.
Hier und dort kommt auch tatsächlich so etwas wie Gruselstimmung und leidliche Spannung zustande, es wird eine Kelle ALIENS aufgeschüttet und mit einer Prise Carpenter nachgewürzt. Was letzten Endes aber auf dem Teller landet, ist leider nicht mehr als aufgewärmte Durchschnitts-Brühe, die einen faden Nachgeschmack hinterlässt.
Schade, wirklich schade.
Nach seinem vorzüglichen CRONOS hätte man sich von Del Toros erster US-Produktion etwas mehr Innovation und Pfeffer gewünscht, aber wahrscheinlich hielt das Studio den Neuling auf kleiner Flamme.
Der dickste Wermutstropfen kommt aber zum Schluss: Die DVD von MAWA Film & Medien/VCL Communications ist eine bodenlose Frechheit, obwohl es sich sogar um eine Neuauflage von 2010 handelt (mit FSK-Flatschen ohne Wendecover). Das Bild ist matschig, ständig geistern Schlieren und Nachzieheffekte über die Leinwand. Bei dunklen Szenen (also zu 80% des Films) erkennt man teilweise nichts mehr. Ab in die Tonne!
Lieblingsdialog:
"Hey Leute, hier geht eine echt perverse Scheiße ab!"
"Was für eine perverse Scheiße?"
"Eine ultraperverse!"
- Pelle -





Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken, sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.
Der Filmclub Bali ist eine rein private, nicht kommerzielle Interessengemeinschaft, die ausschließlich geschlossene Veranstaltungen für Clubmitglieder organisiert. Der Clubvorstand selbst arbeitet ehrenamtlich. Mitgliedsausweise erhält man im Kulturzentrum Pelmke, im Café, direkt vor Ort am Abend der Vorführung oder vom Clubvorstand. Die monatlich zu entrichtende Clubgebühr dient nur zur Finanzierung von Sonderaktionen oder speziellen Angeboten. Der Clubbeitrag ist bis spätestens 21 Uhr zu entrichten, danach ist geschlossene Gesellschaft. Die Vorstellungen des Filmclubs Bali sind geschlossene Veranstaltungen privater Natur und stehen in keinem Zusammenhang mit der Programmgestaltung des Kinos Babylon. Die Vorstellungen finden einmal im Monat, vornehmlich an Freitagen, ab 20:30 Uhr, statt.
Impressum Haftungsausschluss Datenschutz