MILANO TREMA: LA POLIZIA VUOLE GIUSTIZIA
(Engl. Titel: ”The violent Professionals”, Italien 1973) R : Sergio Martino
Inspektor Giorgio Caneparo (Luc Meranda) ist, wie
viele seiner hartgesottenen Kollegen in Bella Italia, höchst
unzufrieden mit den laschen und liberalen Methoden der Polizei. So
vertritt auch er die Meinung, es sei angebrachter, kriminelle
Elemente kurzerhand über den Haufen zu schießen, anstatt
sie einer rehabilitierenden Therapie zu unterziehen. Als sein alter
Chef von einem gedungenen Killer auf offener Straße ermordet
wird, platzt ihm der Kragen: auf eigene Faust mischt er sich unter
die Halbwelt Mailands und infiltriert einen besonders skrupellosen
Ring von Gangstern – als Fluchtfahrer. Denn Giorgio ist ein As
hinter dem Lenkrad und fährt wie der leibhaftige Satan. Die
drogenabhängige Polizeiinformantin Maria stößt ihn
darauf, dass die Hintermänner der Organisation offenbar keine
herkömmlichen Kriminellen sind, sondern Subversive, die das
demokratische System in Chaos und Anarchie stürzen wollen, um
aus den Trümmern eine neue Ordnung zu schaffen. Scheinbar
existieren sogar Verbindungen zu den berüchtigten Roten
Brigaden. Im Verlauf seiner Ermittlungen, die sein eigenes Leben
immer stärker in Gefahr bringen, findet Caneparo jedoch heraus,
dass die wahren Köpfe der Bande in den eigenen Reihen zu suchen
sind…
Ich bin immer noch sprachlos und restlos
hingerissen von der Vehemenz und Qualität dieser hervorragenden
Poliziottescho-Granate. Leider ist MILANO TREMA – einer der wenigen
Polizei-Reißer von Giallomeister Sergio Martino – hierzulande
weitgehend unbekannt, da er weder im Kino lief, noch eine Auswertung
auf VHS oder DVD erfahren hat. Was, man kann es nicht anders sagen,
eine bodenlose Schande ist!
Bereits der Prolog stellt unmissverständlich klar, dass in diesem Film kein Gnadenbrot zu erwarten ist. Drei böse Buben (einer davon wird von einem herrlich schmierigen Luciano Rossi gespielt) werden per Polizeieskorte in einem Zug zum Zuchthaus transportiert. Einem der Schurken gelingt es, seinen Bewacher zu erstechen, Maschinenpistolen werden an sich gebracht und im Zugabteil ein Blutbad angerichtet. Bei der folgenden Flucht wird ein Auto gekapert, der Fahrer und seine kleine Tochter (!) kaltschnäuzig abgeknallt. Kein Wunder, dass der später eintreffende Inspektor Caneparo mit den Schmierlappen kurzen Prozess macht…
Bereits der Prolog stellt unmissverständlich klar, dass in diesem Film kein Gnadenbrot zu erwarten ist. Drei böse Buben (einer davon wird von einem herrlich schmierigen Luciano Rossi gespielt) werden per Polizeieskorte in einem Zug zum Zuchthaus transportiert. Einem der Schurken gelingt es, seinen Bewacher zu erstechen, Maschinenpistolen werden an sich gebracht und im Zugabteil ein Blutbad angerichtet. Bei der folgenden Flucht wird ein Auto gekapert, der Fahrer und seine kleine Tochter (!) kaltschnäuzig abgeknallt. Kein Wunder, dass der später eintreffende Inspektor Caneparo mit den Schmierlappen kurzen Prozess macht…
Wir haben es hier mit einem der
temporeichsten und am rasantesten inszenierten Poliziotteschi zu tun,
der mir seit langem auf die Leinwand gekommen ist. Selbst während
der wenigen Szenen, in denen das Action-Pedal nicht bis zum
Bodenblech durchgetreten wird, herrscht niemals Leerlauf, denn
Martino ist ein Profi und weiß, wie man eine Geschichte
ansprechend und flott erzählt. Das ungemein dicht gestrickte
Drehbuch stammt obendrein aus der bewährten Feder seines
Stammautoren Ernesto Gastaldi, einem der fleißigsten und
talentiertesten Autoren des italienischen Genrekinos der 70er.
Obgleich die Story in weiten Teilen nach den gängigen Formeln
des Italo-Polizeifilms angelegt ist, hat Gastaldi ein ungewöhnlich
subversives und staatskritisches Element eingebracht, das mich in
seiner Radikalität und Konsequenz doch sehr überrascht hat.
Ich kann mich an keinen anderen Poliziottescho erinnern, in dem die
übliche Schwarzweiß-Zeichnung der Kriminellen derart
kompromisslos aufgebrochen wird und der reaktionäre Bumerang auf
so überraschende Weise an den eigenen Hinterkopf zurückfliegt.
Die letztendliche Auflösung und das Finale sind ein echter
Knüppel – ohne hier etwas spoilern zu wollen.
Wie
schon gesagt, wird mit brettharter Action nicht gegeizt. Seinem Job
als Gangster-Infiltrator entsprechend, darf Caneparo ordentlich auf
die Tube drücken. Der Film trumpft mit einigen der brutalsten
und rasantesten Autoverfolgungsjagden und Crashs auf, die man in
diesem Genre vorfindet. Zwar wurden Teile aus DIE VIPER und DER
BERSERKER recyclet, aber Martino hat auch genügend neues und
eigenständiges Material abgelichtet und geschickt in die
Handlung eingefügt. Mailands Asphalt qualmt, die Reifen brennen,
Autos werden zu tödlichen Waffen. Der Blechschaden in diesem
Streifen ist enorm, und auch die übrige Action – blutige
Shoot-Outs, Banküberfälle und extrem ruppige Faustkämpfe
– sind angenehm räudig und dreckig in Szene gesetzt.
Ich
muss zugeben, dass ich kein großer Fan von Luc Meranda bin –
im Gegensatz zu anderen Poliziotteschi-Stammdarstellern wie Maurizio
Merli oder Franco Nero kommt er mir zu gelackt und „schöngesichtig”
daher. Andererseits ist er ein souveräner Mime; in DER MANN OHNE
GEDÄCHTNIS gefiel er mir ganz vorzüglich. In MILANO TREMA
legt er jedoch eine angemessene Leistung hin – als Inspektor
Giorgio Caneparo strahlt er einen fanatische Besessenheit aus, die
fast schon an unterschwelligem Wahnsinn grenzt. Dieses leise,
bedrohliche Lächeln, während seine flackernden Augen den
Gegner fixieren – den Mann möchte man nicht zum Feind haben!
Sein (Haupt-)Kontrahent wird von einem sehr lässigen Richard
Conte (DER TEUFEL FÜHRT REGIE, DER PATE) gegeben, der stets ein
verlässlicher Garant für ausgefeilte Charakterrollen ist
und auch hier auf ganzer Linie überzeugt. In Nebenrollen sehen
wir etliche Finstermänner, die man aus anderen Gangster- und
Polizeikloppern kennt, unter anderem taucht Bruno Corazzari (DIE
GEWALT BIN ICH, EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN) als
psychopathischer Mordbube auf.
Was gibt es noch an diesem
Juwel zu lobpreisen? Die Kameraführung ist durchgehend ein
Augenschmaus, man merkt Martino seine gialloeske
Visualisierungs-Freude deutlich an. Wunderbar ist auch der Score der
Gebrüder Guido & Maurizio de Angelis, die auch dieses Mal
einen gesungenen Song mit an Bord haben (aber nicht auf Englisch wie
in KEOMA, sondern im italienischen O-Ton. Sehr schön!). Ach ja,
und: Ich habe in noch keinem Poliziottescho zuvor so viele Pullen
Fernet Branca und Justerini & Brooks auftauchen sehen. Hätte
ich bei jedem Mal aus Solidarität einen Schluck genommen, läge
ich jetzt mit Alkoholvergiftung auf der Intensivstation!
Fazit:
Der Film ist Pflichtstoff! Basta tutti!
Der Film ist Pflichtstoff! Basta tutti!
- In meinem Player
landete die italienische DVD von Alan Young Home Video, die ein
anständiges Bild aufweist und den Film im korrekten Bildformat
von 2,35:1 präsentiert. Zudem ist eine englische Tonspur
vorhanden, und ausnahmsweise ist auch die Synchronisation sehr
ordentlich gelungen.
Lieblingszitat:
„They're flying low!”
„They're flying low!”
- Pelle -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.