IL MEDAGLIONE INSANGUINATO
(Italien/Großbritannien 1975) R: Massimo Dallamano
Für die BBC soll Michael
Williams (Richard Johnson) nach Italien reisen, um in dem
beschaulichen Städtchen Spoleto -und dessen Umfeld- eine
Dokumentation mit okkulter Thematik zu drehen. Eigentlich möchte
der Journalist die Reise von London nach Spoleto alleine antreten,
doch seine Tochter Emily (Nicoletta Elmi) bereitet ihm in der letzten
Zeit arge Sorgen. Michaels Gattin, gleichzeitig Emilys Mutter, kam
bei einem tragischen Unfall auf grausame Art ums Leben. Seither wird
das kleine Mädchen von fürchterlichen Alpträumen
gepeinigt, aus denen sie panisch und völlig verstört
erwacht. Der Arzt rät dem Vater ausdrücklich dazu, mehr
Zeit mit seinem Kind zu verbringen, es auch mit auf die Dienstreise
zu nehmen. Kindermädchen Jill (Ida Galli) begleitet Vater und
Tochter, man freut sich auf eine entspannte, schöne Zeit. In
Spoleto muss sich Williams aber vornehmlich um seine Arbeit kümmern,
wodurch er sich den Unmut seiner Tochter zuzieht. Zunächst
drangsaliert Emily ihre Nanny. Als sie bemerkt, dass sich ihr Vater
und die hübsche Joanna (Joanna Cassidy) näherkommen, wird
das Mädchen zunehmend aggressiv, täuscht Albträume und
Angstattacken vor. Michael wurde bereits vor diesen Ereignissen von
der ein wenig verschrobenen Contessa Cappelli (Lila Kedrova) gewarnt,
er soll Spoleto den Rücken kehren, zum Schutze seiner Tochter
und seiner Selbst. Der bodenständige Journalist tut die
Ausführungen der Contessa zunächst als Spinnereien ab. Als
sich jedoch immer wieder befremdliche Dinge zutragen, und schließlich
sogar eine nahestehende Person zu Tode kommt, beginnt Michael
ernsthaft über die Worte der Contessa nachzudenken. Welche
Bedeutung hat das Medallion, welches Michael einst seiner Ehefrau
schenkte? Seine Tochter wollte dieses Schmuckstück der
verstorbenen Mutter unbedingt an sich nehmen und trägt es mit
Vorliebe. Was hat es mit dem alten Gemälde auf sich, das in
einer leerstehenden Villa hängt, die eine zentrale Rolle in
Michael Dokumentation spielt?
Hui...!
Nach dem Genuss dieses Films saß ich völlig entrückt
und entzückt auf dem Sofa. Als ich mich nach einigen Minuten
wieder halbwegs gefangen hatte, wollte ich am liebsten umgehend
meinen üblichen Kurzkommentar in die Tastatur klopfen. Doch dann
fiel der Entschluss zunächst eine Nacht darüber zu
schlafen, um nicht vor lauter Begeisterung vollends die Contenance zu
verlieren. Naja, schlafen konnte ich sowieso nicht. Aber obwohl meine
Freude über diese Perle noch immer keine Grenzen kennt, kann ich
meine wirren Gedanken mit ein paar Stunden Abstand vielleicht ein
wenig besser ordnen. Lese ich den Namen Massimo Dallamano, denke ich
umgehend an sehr starke Filme wie den prächtigen Giallo "Cosa
avete fatto a Solange?" (Das Geheimnis der grünen
Stecknadel, 1972), mir fällt der packende Giallo/Poliziesco
Hybrid "La polizia chiede aiuto" (Der Tod trägt
schwarzes Leder, 1974) ein. Nicht zu vergessen der Poliziesco Reisser
"Quelli della calibro 38" (Kaliber 38 - Genau zwischen die
Augen, 1976). Mit "Il medaglione insanguinato" -der
außerhalb Italiens offensichtlich nahezu unbeachtet blieb-
begibt sich Dallamano auf ein anderes Terrain, den Horrorfilm! Wer
nun sofort wilde Metzeleien, Blut, Gedärm und Orgien der Gewalt
assoziiert, der liegt in diesem Fall völlig daneben! Regisseur
Dallamano setzt hier nicht auf vordergründige Schauwerte,
sondern präsentiert uns ein wundervoll inszeniertes Werk,
prächtig photographiert von Franco Delli Colli, mit
erstklassigen und motivierten Schauspielern besetzt.
Zunächst
ein paar Worte zu den Darstellern. Richard Johnson kann auf eine
lange Karriere zurückblicken. Er war in diversen Horrorfilmen zu
sehen, doch sein Wirken beschränkt sich nicht auf dieses Genre.
Trotzdem möchte ich zwei prachtvolle Klassiker des Horrors
anführen, in denen Johnson vor der Kamera stand. Zwei Filme die
bei oberflächlicher Betrachtungsweise in eine Schublade zu
passen scheinen, tatsächlich aber völlig unterschiedlicher
Natur sind. Den Status "Klassiker" dürfen sich jedoch
beide Streifen voller Stolz an die Brust heften: "The Haunting"
(Bis das Blut gefriert, 1963) und "Zombi 2" (Woodoo - Die
Schreckensinsel der Zombies, 1979). Johnsons Gesicht sollte also
geläufig sein, jüngere Zuschauer werden ihn vermutlich aus
"Lara Croft: Tomb Raider" kennen (Wobei ich "Tomb
Raider" eher nicht zu den Highlights in der Filmographie des
guten Mannes zählen möchte). Aber zurück zum Kern der
Sache. Johnson macht seinen Job hier sehr ordentlich, zwar setzen
andere Mitwirkende die wahren Glanzlichter, doch Johnson geht
trotzdem nicht unter, er ergänzt das Geschehen vortrefflich,
spielt nicht abgehoben, aber zu jeder Zeit überzeugend. Wer sind
nun die wahren Stars in "Il medaglione insanguinato"?
Natürlich die kleine Nicoletta Elmi, die man aus Dario Argentos
"Profondo Rosso" (Rosso - Die Farbe des Todes, 1975) kennt.
Hier darf sie nicht nur eine Nebenrolle bekleiden, sondern als
zentrale Figur massiven Einfluss auf das Gelingen des Gesamtwerkes
nehmen. Nicoletta Elmi wurde 1964 geboren, während der
Dreharbeiten wird sie also erst zehn, elf Jahre jung gewesen sein.
Was dieses kleine Mädchen leistet ist mehr als eindrucksvoll!
Wenn Kinder in Filmen wichtige, entscheidende Rollen ausfüllen
sollen, neige ich dazu sehr skeptisch und leicht angenervt zu
reagieren. Nicoletta wischt aber von der ersten Sekunde an sämtliche
Bedenken vom Tisch, nicht dass ich bei ihr überhaupt Bedenken
gehegt hätte, ich kenne sie ja auch einigen anderen Filmen, sie
überzeugt immer. Sie meistert alle Gefühlslagen mit
Bravour, wir sehen das brave Mädchen, das panische und verstörte
Mädchen, geplagt von schlimmen Träumen und Erinnerungen,
die bösartige, intrigante Göre... ...egal welche Stimmungen
ihre Figur gerade durchlebt, man nimmt Nicoletta ihre Darbietung zu
jeder Sekunde ab, phantastisch! Zusätzlich muss erwähnt
werden, dass sich diese Intensität nicht aus Special Effects
ableitet, hier wird nicht erbrochen und Blut gespuckt, hier wird
Schauspielkunst zelebriert! Leider ist Nicoletta Elmi seit über
zwanzig Jahren nicht mehr im Geschäft, was ich wirklich sehr,
sehr schade finde. Mein anderes Glanzlicht ist Lila Kedrova. Sie gibt
die verschrobene Edeldame in den besten Jahren, greift dabei aber
auch zu keiner Zeit auf vordergründiges Gegeifer zurück,
ebenfalls eine ganz vorzügliche Leistung! Joanna Cassidy als
Love Interest des Vaters macht eine gute Figur, was auch für Ida
Galli in der Rolle des unglücklich verliebten Kindermädchens
gilt. Frau Cassidy ist übrigens noch heute sehr aktiv, mir
gefiel sie in der HBO Serie "Six Feet Under" sehr gut.
Das in Umbrien gelegene Städtchen Spoleto bietet eine
prachtvolle Kulisse für den Film. Doch Dallamano lässt den
Ort nicht wie ein Gruseldorf aus einem Gothic Horror Werk erscheinen,
er verneigt sich vor der Schönheit der Architektur, vor den
Reizen der bezaubernden Landschaft. Selbst die alte Villa atmet
-zumindest in erster Linie- noch immer die überall sichtbare
Schönheit, der Grusel packt auf eine eher subtile Art zu. Hier
spielt der Regisseur immer wieder mit der Erwartungshaltung des
Zuschauers. Teils kommt es zu den bereits vermuteten Ereignissen,
dann aber passiert doch etwas anderes, vielleicht harmlose Dinge,
vielleicht grausige Dinge. Obwohl auf die besagten "Schauwerte"
fast vollständig verzichtet wurde, packte es mich mehrfach
eiskalt im Nacken. Ein Beispiel: Der Vater betrachtet das unheimliche
Gemälde, ein schneller Schnitt, er sieht in Gedanken seine
panische Tochter auf sich zurennen... ...wuaaah... Wenn in diesem
Moment jemand unerwartet im Türrahmen unseres Wohnzimmers
gestanden hätte, ich würde nicht mehr unter den Lebenden
weilen, da bin ich mir absolut sicher! Es wundert nicht, dass der
Score von Stelvio Cipriani ebenfalls ganz vorzüglich geraten
ist, die Bilder vortrefflich untermalt und die Wirkung dieses
bezaubernden Werkes dadurch noch weiter verstärkt! Da ein
"Kurzkommentar" nicht gleich einige Seiten füllen
soll, will ich -schweren Herzens- langsam aber sicher zum Ende
kommen. Ich möchte diesen Film jedem Freund gepflegter
Gruselunterhaltung ans Herz legen! Wer sich sonst von Horror wegen
befürchteter Gewalt und unerwünschten Gedärmen
fernhält, aber dem Genre ansonsten nicht grundsätzlich
abgeneigt ist, der sei hiermit ausdrücklich dazu ermutigt sich
diesen wunderschönen Film anzusehen! Massimo Dallamano gewinnt
der "Possessed Child" Sparte neue Facetten ab, schenkt dem
Filmliebhaber eine betörend schöne Perle der Filmkunst! Mit
"Il medaglione insanguinato" hat der -leider viel zu früh
verstorbene- Regisseur ein kleines Meisterwerk hinterlassen, ein
echtes Schätzchen, liebenswert und unvergesslich!
Die
DVD aus Italien stammt von IFF Home Video und ist sehr
empfehlenswert. Der italienische Originalton kann wahlweise durch
italienische oder englische Untertitel ergänzt werden. Da die
Untertitel handwerklich solide ausgeführt sind, kann man ihnen
ohne Probleme folgen, der Filmgenuss wird nicht beeinträchtigt.
Das Label hat auch eine schöne DVD zu "Cosa avete fatto a
Solange?" (die ich vor kurzer Zeit im Player hatte)
veröffentlicht, wie gehabt ist die Bildqualität sehr
ansprechend. Man findet "Il medaglione insanguinato" z.B.
bei eBay sehr günstig. Ein seriöser Händler aus
Italien bietet den Film zu einem mehr als sehr fairen Preis an.
Inklusive Porto habe ich keine 10€ gezahlt, die DVD erreichte mich
bereits nach fünf Werktagen, sicher in einem Luftpolsterumschlag
verpackt!
Überragend und wundervoll! Hier muss ich ganz
dicke 9/10> ziehen!!!
Lieblingszitat:
"Living here is like living out of time"
"Living here is like living out of time"
- Blap -
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