MATANGO
("Attack of the Mushroom People", Japan 1963) R: Ishirô Honda
Ein Club gut betuchter Lebemänner und –damen
begibt sich auf einen sommerlichen Törn mit der Segelyacht eines
reichen Industriellen. Am Abend werden sie von einem schweren
Unwetter heimgesucht, das die Segel zerfetzt und das Boot
fahruntüchtig schlägt. Wenig später stranden sie auf
einer einsamen Insel. Dort liegt einiges im Argen: Das geheimnisvolle
Eiland ist nicht nur menschenleer, auch sämtliche Tiere und
Vögel machen einen großen Bogen um die nebelverhüllte
Landmasse. Essbares ist kaum zu finden – lediglich fahle Pilze
spießen allerorts. Kurz darauf entdeckt die Reisegruppe eine
alte gestrandete Fregatte, die völlig zerfallen und von Pilzen
überwuchert ist. Trotzdem quartieren die Überlebenden sich
in dem Wrack behelfsmäßig ein und planen ihr weiteres
Vorgehen. Der Funkkontakt zur Außenwelt ist abgebrochen,
Nahrungsmittel sind knapp und reichen nur für wenige Tage. Ein
verzweifelter Kampf um die nackte Existenz nimmt seinen
verhängnisvollen Lauf, der erschwert wird durch Streit,
Missgunst und Intrigen innerhalb der Gruppe. Aber es lauert eine
weitere Gefahr auf die Überlebenden – ganz so unbewohnt
scheint die Insel doch nicht zu sein...
MATANGO entpuppte
sich als faustdicke Überraschung, hatte ich doch einen
herkömmlichen, solide gestrickten und leicht naiven
Japan-Monsterfilm erwartet, wie Regisseur Ishirô Honda (u.a.
GODZILLA) sie in den 60er und 70er Jahren zuhauf fabriziert hat.
Dagegen hätte ich auch nicht das Mindeste einzuwenden gehabt –
MATANGO ist jedoch eine fulminante und enorm spannende Mixtur aus
Psycho-Drama und Horrorthriller mit Anleihen an H.P.Lovecraft.
Schon die Rahmenhandlung erinnert frappierend an eine Story des großen amerikanischen Schriftstellers: Rückblickend legt der einzige Überlebende der Ereignisse eine Beichte ab – aus der Zelle einer Nervenheilanstalt! Beim Establishing-Shot verharrt die Kamera zunächst auf den bunten Jahrmarktlichtern des Tokioter Vergnügungsviertels Shinjuku, dann fährt sie langsam durch ein vergittertes Fenster zurück und enthüllt den Erzähler, der mit dem Rücken zum Betrachter gewandt sitzt und mit brüchiger Stimme Bericht ablegt... Ein sehr gelungener Einstieg.
Schon die Rahmenhandlung erinnert frappierend an eine Story des großen amerikanischen Schriftstellers: Rückblickend legt der einzige Überlebende der Ereignisse eine Beichte ab – aus der Zelle einer Nervenheilanstalt! Beim Establishing-Shot verharrt die Kamera zunächst auf den bunten Jahrmarktlichtern des Tokioter Vergnügungsviertels Shinjuku, dann fährt sie langsam durch ein vergittertes Fenster zurück und enthüllt den Erzähler, der mit dem Rücken zum Betrachter gewandt sitzt und mit brüchiger Stimme Bericht ablegt... Ein sehr gelungener Einstieg.
Der Club der neureichen Söhne und Töchter (der
einer elitären Studentenverbindung entsprungen ist) besteht aus
dem verwöhnten Industriellen-Spross Kasai (Yoshio Tsuchiya), dem
versnobten Möchtegern-Schriftsteller Etsuro (Hiroshi Tachikawa),
der schönen aber hochnäsigen Sängerin Mami (Kumi
Mizuno), dem jungen Universitätsprofessor Kenji (Akira Kubo),
sowie dessen schüchterner Assistentin Akiko (Miki Yashiro).
Vervollständigt wird das ungleiche Team durch den Schiffskapitän
Sakuta (Hiroshi Koizumi), der in Kasais Schuld steht und ihm daher zu
Diensten sein muss, sowie dem eigens für die Fahrt angeheuerten
Bootsmann Senzo (Kenji Sahara).
Bei diesen unterschiedlichen
Charakteren verwundert es natürlich nicht, dass Konflikte
vorprogrammiert sind. Bereits durch die Figurenkonstellation liefert
die Geschichte emotionalen Sprengstoff: Während in der "normalen
Welt" die Fronten zwischen arm und reich, zwischen Herrenmenschen
und Lakaien klar gezogen sind, lösen sie sich in der bestehenden
Extremsituation mehr und mehr auf, bis sie gewaltsam zusammenbrechen.
Der Konflikt, der die ungleiche Gemeinschaft auf engstem Raum
zusammenpfercht, reißt allen Beteiligten schonungslos die
Masken herunter.
Der elitär denkende Kasai besteht selbst in der Enge des Wracks auf seine private Kabine und isoliert sich von den anderen; Sakutas Hass auf seinen ehemaligen Chef Kasai entlädt sich in Ungehorsam – er repariert das lecke Schiff und macht sich schließlich allein aus dem Staub; der egoistische und triebgesteuerte Prolet Senzo bunkert die knappen Lebensmittel für sich selber und denkt nur an seine eigene Lustbefriedigung; Mami setzt ihre Reize manipulativ ein und wiegelt die Männer gegeneinander auf; Feigling Etsuro gibt sich zunächst als rückgratloser Opportunist, nur um später die Macht (in Form des einzigen Gewehres) an sich zu reißen (er fordert u.a., daß die beiden Frauen sich den Männern sexuell unterwerfen müssen!); lediglich Kenji stellt so etwas wie eine Heldenfigur dar, ist jedoch mit der Situation hilflos überfordert.
Zwischen den Überlebenden entbrennt ein zermürbender Psychokrieg, der mitunter auch klassenkämpferische Züge trägt und schließlich in handfester Gewalt eskaliert. Spätestens, als die ersten der Hunger leidenden Verzweifelten damit anfangen, die überall auf der Insel wachsenden Pilze zu verzehren, gerät die Situation endgültig aus dem Ruder. Zuerst verändert sich ihr Bewusstsein, danach der Körper...
Der elitär denkende Kasai besteht selbst in der Enge des Wracks auf seine private Kabine und isoliert sich von den anderen; Sakutas Hass auf seinen ehemaligen Chef Kasai entlädt sich in Ungehorsam – er repariert das lecke Schiff und macht sich schließlich allein aus dem Staub; der egoistische und triebgesteuerte Prolet Senzo bunkert die knappen Lebensmittel für sich selber und denkt nur an seine eigene Lustbefriedigung; Mami setzt ihre Reize manipulativ ein und wiegelt die Männer gegeneinander auf; Feigling Etsuro gibt sich zunächst als rückgratloser Opportunist, nur um später die Macht (in Form des einzigen Gewehres) an sich zu reißen (er fordert u.a., daß die beiden Frauen sich den Männern sexuell unterwerfen müssen!); lediglich Kenji stellt so etwas wie eine Heldenfigur dar, ist jedoch mit der Situation hilflos überfordert.
Zwischen den Überlebenden entbrennt ein zermürbender Psychokrieg, der mitunter auch klassenkämpferische Züge trägt und schließlich in handfester Gewalt eskaliert. Spätestens, als die ersten der Hunger leidenden Verzweifelten damit anfangen, die überall auf der Insel wachsenden Pilze zu verzehren, gerät die Situation endgültig aus dem Ruder. Zuerst verändert sich ihr Bewusstsein, danach der Körper...
Lobenswert an
dem dicht gestrickten Drehbuch ist auch die völlige Abwesenheit
von Humor – die Geschichte wird mit dem angemessenen Ernst
vorgetragen und steuert erbarmungslos auf die unausweichliche
Katastrophe zu, bis sie schließlich in einem alptraumhaften
Finale kulminiert.
Ein echter optischer Leckerbissen sind auch die detailverliebten Studiosets und Modelllandschaften. Auf vorzügliche Weise spiegelt sich der innere Verfall der Protagonisten im Äußeren wider. Zunehmend fällt das verrottende Schiffswrack dem allgegenwärtigen Pilzbefall anheim, der ekelhafte gelbe Staub der Sporen dring in jede Fuge und Spalte. Die Ausstatter und Modellbauer haben hier Meisterliches vollbracht: Die klaustrophobische Morbidität des Wracks ist ebenso großartig gelungen, wie die überquellende Flora des Dschungels im Inselinneren. Und ein besonders tiefer Kotau gebührt dem Spezialeffekt-Designer Teruyoshi Nakano – die "Mushroom People" der amerikanischen Tagline des Films tauchen zwar erst in der letzten halben Stunde auf, dafür handelt es sich aber zweifellos um die originellsten Monster der Filmgeschichte. Nakano ist es zugute zu halten, daß seine Kreaturen absolut überzeugend und kein bisschen lächerlich wirken.
Ein echter optischer Leckerbissen sind auch die detailverliebten Studiosets und Modelllandschaften. Auf vorzügliche Weise spiegelt sich der innere Verfall der Protagonisten im Äußeren wider. Zunehmend fällt das verrottende Schiffswrack dem allgegenwärtigen Pilzbefall anheim, der ekelhafte gelbe Staub der Sporen dring in jede Fuge und Spalte. Die Ausstatter und Modellbauer haben hier Meisterliches vollbracht: Die klaustrophobische Morbidität des Wracks ist ebenso großartig gelungen, wie die überquellende Flora des Dschungels im Inselinneren. Und ein besonders tiefer Kotau gebührt dem Spezialeffekt-Designer Teruyoshi Nakano – die "Mushroom People" der amerikanischen Tagline des Films tauchen zwar erst in der letzten halben Stunde auf, dafür handelt es sich aber zweifellos um die originellsten Monster der Filmgeschichte. Nakano ist es zugute zu halten, daß seine Kreaturen absolut überzeugend und kein bisschen lächerlich wirken.
Kurzum: Eine leider
unterschlagene Perle des asiatischen Gruselkinos der 60er und ein
absolut grandioser Vorläufer des heute so beliebten "J-Horrors",
dessen Obskurität unverdient ist.
In Deutschland ist der
Film nie erschienen, weder im Kino, noch als VHS- oder
DVD-Auswertung. Scheinbar wusste man mit Hondas Geschichte wenig
anzufangen – für die 11 Uhr-Vorstellungen des Jugendkinos war
er zu ernsthaft und düster, während ein Erwachsenenpublikum
auf japanische "Monster"-Filme eher uninteressiert
reagierte.
Hiermit sei also ein schallender Aufruf an alle in Frage kommenden Labels gerichtet! (Anolis? Das wäre ein fleisch-, äh, pilzgewordener Traum!)
Hiermit sei also ein schallender Aufruf an alle in Frage kommenden Labels gerichtet! (Anolis? Das wäre ein fleisch-, äh, pilzgewordener Traum!)
Die
amerikanische DVD-Ausgabe von Media Blasters/Tokyo Shock ist
Bestandteil des wunderbaren TOHO-Packs, das außerdem zwei
weitere unbekannte Filmjuwelen von Ishirô Honda enthält:
den tollen THE MYSTERIANS ("Weltraumbestien", 1957) und die
Godzilla-Variante VARAN – THE UNBELIEVABLE (1958). Unter den Extras
findet man u.a. ein sehr amüsantes, halbstündiges Interview
mit Teruyoshi Nakano.
- Pelle -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.