Filmclub Bali
   
 

VON MANN ZU MANN a.k.a. DIE RECHNUNG WIRD MIT BLEI BEZAHLT

(„Da uomo a uomo“, Italien 1967) R: Giulio Petroni

Eine Bande übler Banditen überfällt einen Goldtransport, der auf der Farm der Familie Meceita Rast eingelegt hat. Bei der Gelegenheit rottet der Haufen auch gleich die gesamte Familie aus, lediglich der kleine Bill (John Phillip Law) überlebt das Massaker und muss die Mordtat mit ansehen. Viele Jahre später: Der Bub ist zum Mann gereift und Rachegelüste gären in seiner Brust – die Zeit des Erwachsenwerdens hat er sich mit der Übung an allerlei Schießeisen und Bleispritzen sinnhaltig verkürzt. Parallelstrang: Der wegen Raubüberfalls zu 15 Jahren Steinbruch verurteilte Ganove Ryan (Lee van Cleef) wird auf freien Fuß gesetzt, und auch ihn gelüstet es nach Vergeltung an der verkommenen Rotte, die ihn hinter Gitter brachte. Wie der Zufall es will, handelt es sich um dieselben Mordbuben, die Bills Sippe auf dem Gewissen haben. Die Wege der beiden Rächer kreuzen sich immer wieder, und obwohl Ryan dem Grünschnabel die Blutwurst auszureden und ihm zuvorzukommen versucht, machen sie schließlich doch gemeinsame Sache. Nach und nach werden die Mörder, die mittlerweile zu Ansehen und Reichtum gelangt sind, aufs Korn genommen. Schließlich kommt es in einer verlassenen Wüstenstadt an der mexikanischen Grenze zum Showdown zwischen Bill, Ryan und Walcott (Luigi Pistilli), dem Kopf der Bande…
Von Mann zu Mann
DA UOMO A UOMO (der den schönen englischen Titel DEATH RIDES A HORSE trägt) zählt zweifelsohne zu den überdurchschnittlichen Vertretern seiner Zunft. Petroni ist hiermit ein fesselnder und visuell hervorragender Rachewestern gelungen, der trotz seiner konventionellen und vorhersehbaren Story kaum eine überflüssige Szene aufweist. Schon die sehr stimmige Anfangssequenz weiß rundum zu begeistern: Inmitten eines Unwetters mit dichten Regenschleiern bricht die Bande von Walcott gnadenlos über Bills Familie hinein, wie die gesichtslosen Reiter der Apokalypse. Die Bluttat ist in Einzelbilder aufgelöst, die Hinweise auf die Identität der Täter liefern: hier eine Tätowierung, dort ein Ohrring oder eine entstellende Gesichtsnarbe. Mit großen Augen beobachtet der junge Bill die Vorgänge, bis das einstige Heim ein Raub der Flammen wird. Großartig gemacht!
Auch der Rest der Handlung galoppiert, aller Schablonenhaftigkeit zum Trotz, ansprechend flott dahin und trumpft ein ums andere Mal mit unvergesslichen cineastischen Momenten. Langeweile kommt bis zum atmosphärisch ausgefeilten Finale im Sandsturm – bei dem auch mit herrlich schwarzem Humor nicht gegeizt wird – niemals auf. Und obwohl das Drehbuch die sich unvermeidlich anbahnende Vater-Sohn-Ersatzbeziehung zwischen Bill und Ryan aufgreift, ergeht es sich glücklicherweise nicht in pathetischen Sentimentalitäten, sondern bleibt bei dezenten Andeutungen, die den ikonenhaften Figuren nichts von ihrer monolithischen Strenge nehmen. Die Charaktere dieses Films sind wie biblische Rachedämonen, die unaufhaltsam ihrem schicksalsträchtigen Weg folgen. Am Ende wartet die Geschichte mit einer mehr oder weniger überraschenden Wendung auf, die aber nicht verraten werden soll.
Dabei erweisen sich John Phillip Law und Lee van Cleef als denkbar gute Wahl; Law gibt den rachwütigen Jungspund überzeugend, auch wenn (oder weil) er keine schauspielerischen Glanzleistungen vollbringt. Seine Gesichtszüge sind unerbittlich wie Stahlbeton, jedes Lächeln ist ihm fremd, nur hin und wieder zuckt es um seine hellblauen Augen. Western-Kultstar Van Cleef strahlt die reife Weisheit des erfahrenen Gunslingers aus – hilfreich ist bei seiner Charakterzeichnung das gelassene Pfeifeschmauchen, das schon bei DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE und ZWEI GLORREICHE HALUNKEN zu seinem Markenzeichen wurde. Aber auch die Widersacher machen allesamt eine manierliche Figur, allen voran natürlich der großartige Luigi Pistilli, der durch miese Geschäfte und eine mafiöse Politik zum angesehenen Bankier aufgestiegen ist. Der Brite Anthony Dawson spielt den sinistren Saloonbesitzer und Glückspielbaron Cavanaugh, der die heimliche Herrschaft über sein Heimatstädtchen an sich gerissen hat – der Sheriff und der Richter sind ihm längst hörig und vergnügen sich lieber beim Pokerspiel, anstatt Gerechtigkeit walten zu lassen. In Nebenrollen als Handlanger der Bösewichte sehen wir gestandene Schurkenfratzen wie Mario Brega, José Torres und Bruno Corazzari.
Optisch macht der Film eine Menge her, Kameramann Carlo Carlini sind einige wunderbare, sehr Italowestern-typische Aufnahmen gelungen. Auch einige recht einfallsreiche visuelle Spielereien werden in angenehmer Dosis kredenzt. Quentin Tarantino ist ein bekennender Fan des Films und hat sich an einigen Stellen freizügig bedient – die Flashbacks der Mordnacht sind in rotstichige Bilder aufgelöst und erinnern frappierend an die Szenen, in denen sich „Die Braut“ in KILL BILL 1 & 2 an die Schandtaten ihrer Peiniger entsinnt. Und in einer Szene sagt Lee van Cleef: „In einem Buch habe ich mal gelesen: Rache ist ein Gericht, das man kalt essen muss.“ (Das Zitat ist natürlich kein klingonisches Sprichwort, sondern stammt aus der Feder von William Faulkner. Ryan erweist sich als äußerst belesen, zudem mit Büchern, die lange nach seiner Zeit geschrieben wurden…)
Fantastisch ist auch der Score von Ennio Morricone, der mit treibenden Gitarrenakkorden, pschedelischen Flöten und Chören aufwartet, jedoch bei der vorliegenden DVD von MGM viel zu stark in den Hintergrund gemischt wurde und dadurch viel von seiner ursprünglichen Kraft einbüßt. Das Titelstück kam mir diffus bekannt vor, und – siehe da! – wie so oft wurde auch dieser Song von Oberzitierer Tarantino für KILL BILL „ausgeborgt“.
Was VON MANN ZU MANN von den Größen des Genres trennt ist Petronis mitunter etwas unschlüssige und steife Inszenierung, sowie das nötige Feingefühl für Situationen und Charakterentwicklung, das die Meisterwerke von Leone oder Corbucci auszeichnet. Insgesamt fällt sein Beitrag eher in die Liga von Sergio Sollima, obgleich dieser ein geschickteres Händchen für Figurenzeichnung besaß. Da dies aber erst Petronis zweite Regiearbeit war (ein Jahr später inszenierte er den tollen Revolutionswestern TEPEPA mit Tomas Milian), muss man ihm schlussendlich attestieren, einen rundum ansehnlichen Film fabriziert zu haben. Visuell kraftvoll, packend erzählt – große Klasse!
8 von 10 Sporen.
- Pelle -





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