DER MANN OHNE GEDÄCHTNIS
("L´uomo senza memoria",Italien 1974) R: Duccio Tessari
Luc
Meranda spielt einen gewissen Peter Smith, der in London lebt und
seit einem schweren Autounfall an Amnesie leidet. Sein Psychiater
versucht sein verlorenes Gedächtnis zu mobilisieren, indem er
ihn einem alten, scheinbar guten Kumpanen vorführt. Der gibt
sich auch zunächst warmherzig, als die beiden aber unter sich
sind, haut er dem armen Peterle direkt ein paar in die Schnauze,
streckt ihm eine Pistole ins Gesicht und will wissen, wo "das Zeug"
ist. Immerhin erfährt er, daß sein wahrer Name Ted ist und
er eine Frau namens Sara hat, die in Bella Italia wohnt. Der
vorgebliche Kumpel wird jedoch von einer heimtückischen
Gewehrkugel niedergestreckt, bevor er Details preisgeben kann. Durch
ein vermeintliches Telegramm von Sara wird Ted nun in den schönen
Küstenort Portofino gelockt, wo er zunächst sein Eheweib
(gegeben von einer sehr lecker anzusehenden Senta Berger) neu kennen
lernt. Aber in Italien wartet auch ein alter "Geschäftsfreund"
auf Ted und bald entspinnt sich ein bösartiges
Katz-und-Maus-Spiel, bei dem es um Drogenschmuggel, Verrat, Mord und
andere Ekligkeiten geht... und Ted steckt mitten drin.
Viel mehr
sei nicht verraten, denn die halbe Miete bei Tessaris sehr feinem
Thriller besteht darin, daß der Zuschauer genauso wenig weiß,
wie der Protagonist Ted und an jeder Ecke neue Plottwists und
Überraschungen lauern. Genau wie der Hauptdarsteller tappen wir
während der fortlaufenden Handlung im Dunkeln, während sich
ein beunruhigendes Puzzle Stück für blutiges Stück
zusammenfügt und Ungutes erahnen lässt. Ständig
wandelt sich das Bild, immer wieder verleiten neue Bruchstücke
dafür, die Geschichte von einer anderen Perspektive zu
betrachten. Und dabei fragt man sich die ganze Zeit: Hat Ted wirklich
das Gedächtnis verloren? Oder zockt auch er ein abgekartetes
Spiel?
Die
Geschichte beginnt eher gemächlich und wird auch im weiteren
Verlauf mit elegischer Ruhe erzählt, bis gegen Ende die Schraube
mächtig angezogen wird. Tessari (und sein Drehbuchautor Ernesto
Gastaldi, dem ein Gutteil der Lorbeeren zukommt) konzentriert sich
völlig auf die tiefschürfende Charakterisierung seiner
Protagonisten, wobei hier besonders die schauspielerische
Glanzleistung von Senta Berger hervorzuheben ist.
Nicht
unbeteiligt am Spannungsaufbau ist auch der fantastische Score von
Gianni Ferria und der schöne Titelsong "Labyrinthus" (Nomen
est Omen!), gesungen von der in Italien damals populären
Chanteuse Rosella.
Es fällt
mir schwer, L´UOMO SENZA MEMORIA als vollblütigen Giallo
zu bezeichnen, denn es fehlen nahezu alle archetypischen
Versatzstücke, die das Genre kennzeichnen. Am ehesten ließe
der Film sich als klassischer Thriller in bester Hitchcock-Tradition
umschreiben – zumal einige Spannungssequenzen es durchaus mit dem
gewichtigen Suspense-Meister aufnehmen können.
Duccio
Tessari hat zwei weitern sehr gelungene Thriller bzw. Gialli gedreht,
den formidablen BLUTSPUR IM PARK aka DAS MESSER, sowie DAS GRAUEN KAM
AUS DEM NEBEL. Auch sein Polizieschi TÖDLICHER HASS mit Alain
Delon ist sehr empfehlenswert und harrt nach wie vor einer
Veröffentlichung auf DVD. Sein Spaß-Western ZWEI WILDE
COMPANEROS leidet unter einer unsäglichen Brandt-Synchro und
wurde von VPS als Ramsch-DVD mit minderer Qualität verwurstet.
Autor
Ernesto Gastaldi war auch als Regisseur tätig und hat u.a. einen
Bikerfilm namens ROCKER STERBEN NICHT SO LEICHT (Videotitel: DEATH
COMPANY) fabriziert, bei dem es sich um eine höchst
unterhaltsame Granate handelt (siehe Rezension in der "Senftube").
Die DVD
von Koch besticht wie gewohnt durch hervorragende Qualität.
Perfekt wäre es für mich, wenn das Originalplakatmotiv noch
irgendwo im Inneren der schönen Verpackung aufgetaucht wäre,
aber man kann nicht alles haben.
Ach ja:
Eine Kettensäge kommt auch vor, und obendrein wird sie von Senta
geschwungen. Außerdem taucht meine
Italofilm-Lieblingsdarstellerin Anita Strindberg in einer leider viel
zu knappen Nebenrolle auf.
Herz, was willst du mehr?
- Pelle -
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