MÄDCHEN IN DEN KRALLEN TEUFLISCHER BESTIEN
("L ´ultimo treno della notte", Italien 1974) R: Aldo Lado
Die beiden
Studentinnen Lisa (Laura D´Angelo) und Margaret (Irene Miracle)
fahren mit der Eisenbahn zu Lisas Eltern nach Verona um dort die
Weihnachtsfeiertage zu verbringen. Im voll besetzten Zug befinden
sich auch zwei sozial inkompatible Schlägertypen (Flavio Bucci
und Gianfranco de Grassi), die schon vorher auf dem Münchner
Christkindlmarkt Leute angepöbelt und den Weihnachtsmann
ausgeraubt haben. Die beiden Rüpel bändeln auf zunächst
harmlose Weise mit Lisa und Margaret an, die jedoch wenig Interesse
an den "verrückten Jungs" zeigen. Der Dunkelhaarige
vernascht eine blonde Mittelklassedame (Macha Méril) auf der
Zugtoilette, während der Lockige die Mitreisenden mit dem Messer
einschüchtert.
Als die beiden Freundinnen den Zug wechseln müssen, glauben sie, ihre Ruhe zu haben und machen es sich gemütlich. Bald aber merken sie, daß sie nicht allein sind. Eine grausame Fahrt im letzten Zug der Nacht bricht an...
Als die beiden Freundinnen den Zug wechseln müssen, glauben sie, ihre Ruhe zu haben und machen es sich gemütlich. Bald aber merken sie, daß sie nicht allein sind. Eine grausame Fahrt im letzten Zug der Nacht bricht an...
Aldo
Lados Film von 1974 kannte ich bislang noch nicht. Der deutsche Titel
"Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien" hat mich stets
etwas abgeschreckt, erwartete ich doch eine billige Kopie von
Terrorfilmen à la LAST HOUSE ON THE LEFT. Wie sehr kann man
sich irren.
Bestandsaufnahme: Im überfüllten Zug von München nach Verona befindet sich ein Querschnitt der Gesellschaft. Auf den ersten Blick sieht alles ganz normal und harmlos aus, doch peu a peu blättert der gutbürgerliche Lack ab und enthüllt das schäbige Innenleben der Reisenden. Ein fetter Geschäftsmann vergrault seine Abteilgenossen mit Zigarrenqualm und pult sich hemmungslos in den Zähnen herum; ein Erzbischof zwinkert lüstern seinen Novizen zu ("Es ist nur ein nervöses Zucken!", weiß ein benachbarter Kardinal rasch zu erklären); als Macha Méril die Handtasche runterfällt, purzeln pornografische Fotos heraus; im Nachbarabteil singt eine Altmännerriege das Horst Wessel-Lied *; ein Familienvater empört sich über die beiden Halbstarken, als sie den Schaffner einschüchtern ("Dieses Gesindel, man müsste ihm doch helfen"), greift jedoch selber nicht ein, sondern schaut tatenlos zu.
Die Bürgersfrau lüftet den Schleier ihres Hutes und scheint damit anzudeuten: Die Masken sind gefallen, nun regiert das Gesetz der Wildsau. Tatsächlich schließt sie sich den beiden pöbelnden Asis bereitwillig an, nachdem sie auf der Toilette begattet wurde.
Im finalen Nachtzug gibt es dann keine Gnade mehr. Nach diversen sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen – an denen sich auch ein voyeuristischer Zuggast (Franco Fabrizi) in mittlerem Alter beteiligt, der sich später als treuer Familienvater entpuppt! – kommt Lisa auf höchst unappetitliche Weise ums Leben. Sie wird kurzerhand aus dem Fenster des Abteils entsorgt. Margaret versucht zu flüchten, springt bei voller Fahrt aus einem Klofenster und bleibt als zerschundene Leiche im Geröll an den Gleisen liegen. Macha erweist sich als gute Hausfrau und wischt das Blut vom Boden auf.
Überhaupt: Die eigentliche Triebfeder des ekelhaften Treibens ist die gute Bürgersfrau, die immer wieder die beiden Halbstarken anfeuert und zu neuen Perversitäten inspiriert.
Das letzte Drittel des Films führt dann Lisas Eltern, die am Veroner Bahnhof vergebens auf ihre Tochter nebst Freundin warten, mit den drei Übeltätern zusammen. Lisas Vater Dr. Stradi (Enrico Maria Salerno), ein praktizierender Arzt, verbindet Macha das Knie, das sie sich bei der kollektiven Schändung von Lisa verletzt hat (!). Obendrein gewähren sie den Mördern ihrer Tochter Asyl im idyllischen und weihnachtlich geschmückten Eigenheim. Langsam aber sicher wird den Eltern jedoch bewusst, was geschehen ist und wen sie vor sich haben. Die liberale Fassade stürzt zusammen, und die Bestie Mensch kommt zum Vorschein...
Bestandsaufnahme: Im überfüllten Zug von München nach Verona befindet sich ein Querschnitt der Gesellschaft. Auf den ersten Blick sieht alles ganz normal und harmlos aus, doch peu a peu blättert der gutbürgerliche Lack ab und enthüllt das schäbige Innenleben der Reisenden. Ein fetter Geschäftsmann vergrault seine Abteilgenossen mit Zigarrenqualm und pult sich hemmungslos in den Zähnen herum; ein Erzbischof zwinkert lüstern seinen Novizen zu ("Es ist nur ein nervöses Zucken!", weiß ein benachbarter Kardinal rasch zu erklären); als Macha Méril die Handtasche runterfällt, purzeln pornografische Fotos heraus; im Nachbarabteil singt eine Altmännerriege das Horst Wessel-Lied *; ein Familienvater empört sich über die beiden Halbstarken, als sie den Schaffner einschüchtern ("Dieses Gesindel, man müsste ihm doch helfen"), greift jedoch selber nicht ein, sondern schaut tatenlos zu.
Die Bürgersfrau lüftet den Schleier ihres Hutes und scheint damit anzudeuten: Die Masken sind gefallen, nun regiert das Gesetz der Wildsau. Tatsächlich schließt sie sich den beiden pöbelnden Asis bereitwillig an, nachdem sie auf der Toilette begattet wurde.
Im finalen Nachtzug gibt es dann keine Gnade mehr. Nach diversen sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen – an denen sich auch ein voyeuristischer Zuggast (Franco Fabrizi) in mittlerem Alter beteiligt, der sich später als treuer Familienvater entpuppt! – kommt Lisa auf höchst unappetitliche Weise ums Leben. Sie wird kurzerhand aus dem Fenster des Abteils entsorgt. Margaret versucht zu flüchten, springt bei voller Fahrt aus einem Klofenster und bleibt als zerschundene Leiche im Geröll an den Gleisen liegen. Macha erweist sich als gute Hausfrau und wischt das Blut vom Boden auf.
Überhaupt: Die eigentliche Triebfeder des ekelhaften Treibens ist die gute Bürgersfrau, die immer wieder die beiden Halbstarken anfeuert und zu neuen Perversitäten inspiriert.
Das letzte Drittel des Films führt dann Lisas Eltern, die am Veroner Bahnhof vergebens auf ihre Tochter nebst Freundin warten, mit den drei Übeltätern zusammen. Lisas Vater Dr. Stradi (Enrico Maria Salerno), ein praktizierender Arzt, verbindet Macha das Knie, das sie sich bei der kollektiven Schändung von Lisa verletzt hat (!). Obendrein gewähren sie den Mördern ihrer Tochter Asyl im idyllischen und weihnachtlich geschmückten Eigenheim. Langsam aber sicher wird den Eltern jedoch bewusst, was geschehen ist und wen sie vor sich haben. Die liberale Fassade stürzt zusammen, und die Bestie Mensch kommt zum Vorschein...
Aldo Lado ist hier ein wirklich
hervorragender und verstörender Film gelungen, der mir den
ganzen folgenden Tag im Kopf herumgespukte. Einen direkten Vergleich
mit LAST HOUSE scheue ich eher, zumal L´ULTIMO TRENO weitaus
besser ist.
Nichts ist so, wie es scheint – immer wieder trumpft das geschickt strukturierte Drehbuch mit bösartigen Wendungen und Brüchen des altbekannten Schwarz/Weiß-Schemas. Die Erwartungen des Zuschauers werden immer wieder auf perfide Weise durchkreuzt, und die eigene Moral wird pausenlos in Frage gestellt.
In der an Zynismus kaum noch zu überbietenden Schlusseinstellung des Films zieht die (durch Opportunismus überlebende) Bürgersfrau sich den Hutschleier wieder vors Gesicht und lächelt dünn. Die Maske sitzt wieder, bis zum nächsten Mal...
Nichts ist so, wie es scheint – immer wieder trumpft das geschickt strukturierte Drehbuch mit bösartigen Wendungen und Brüchen des altbekannten Schwarz/Weiß-Schemas. Die Erwartungen des Zuschauers werden immer wieder auf perfide Weise durchkreuzt, und die eigene Moral wird pausenlos in Frage gestellt.
In der an Zynismus kaum noch zu überbietenden Schlusseinstellung des Films zieht die (durch Opportunismus überlebende) Bürgersfrau sich den Hutschleier wieder vors Gesicht und lächelt dünn. Die Maske sitzt wieder, bis zum nächsten Mal...
Die Inszenierung ist meisterhaft: Die
Kameraführung glänzt mit außergewöhnlichen
Fahrten und Lichtgestaltungen (blau-rot Kontraste werden sehr
geschickt eingesetzt), suggestive Schnittfolgen tragen zur
verstörenden Atmosphäre bei.
Der minimalistische Score stammt von Ennio Morricone, wird aber nur sehr sparsam eingesetzt. Nachhaltig in Erinnerung bleibt vor allem das Mundharmonika-Thema, das der Lockige der beiden Missetäter ständig intoniert (die beiden werden im Vorspann zwar als "Blacky" und "Curly" bezeichnet, bleiben im Film jedoch namenlos). Den schmalzigen Titelsong singt niemand Geringeres als Demis Roussos, was im krassen Gegensatz zu den Geschehnissen kontrastiert. ("A Flower´s all you need") Der übrige Soundtrack besteht in erster Linie aus dem entnervenden Rattern der Zugräder, was die klaustrophobische Stimmung im engen Abteil noch ungemein verstärkt.
Der minimalistische Score stammt von Ennio Morricone, wird aber nur sehr sparsam eingesetzt. Nachhaltig in Erinnerung bleibt vor allem das Mundharmonika-Thema, das der Lockige der beiden Missetäter ständig intoniert (die beiden werden im Vorspann zwar als "Blacky" und "Curly" bezeichnet, bleiben im Film jedoch namenlos). Den schmalzigen Titelsong singt niemand Geringeres als Demis Roussos, was im krassen Gegensatz zu den Geschehnissen kontrastiert. ("A Flower´s all you need") Der übrige Soundtrack besteht in erster Linie aus dem entnervenden Rattern der Zugräder, was die klaustrophobische Stimmung im engen Abteil noch ungemein verstärkt.
Kritik
kann man allerdings an den Darstellern äußern. Flavio
Bucci (bekannt als blinder Pianist aus SUSPIRIA) und Gianfranco de
Grassi legen eine solide Leistung hin, wirken aber beide an manchen
Stellen seltsam starr, während sie an anderen zum Overacting
neigen. Dennoch passt dies gut zu den Charakteren, die manchmal
(drogeninduziert) apathisch sind und manchmal aufdrehen.
Weniger überzeugend gestaltet sich die Leistung von Irene Miracle und vor allem von Laura D´Angelo, die mit ihrer Rolle überfordert scheint. Genre-Haudegen Enrico Maria Salerno spielt den Dr. Stradi ordentlich, und seine Wandlung vom Familienvater zum blutgierigen Rächer vollzieht sich glaubhaft.
Vollkommen grandios agiert die blonde Macha Méril (das Medium Helga aus PROFONDO ROSSO) als Bürgerliche, die ihr wahres hässliches Antlitz zeigt. Dazu gehört schon Mut und Talent!
Weniger überzeugend gestaltet sich die Leistung von Irene Miracle und vor allem von Laura D´Angelo, die mit ihrer Rolle überfordert scheint. Genre-Haudegen Enrico Maria Salerno spielt den Dr. Stradi ordentlich, und seine Wandlung vom Familienvater zum blutgierigen Rächer vollzieht sich glaubhaft.
Vollkommen grandios agiert die blonde Macha Méril (das Medium Helga aus PROFONDO ROSSO) als Bürgerliche, die ihr wahres hässliches Antlitz zeigt. Dazu gehört schon Mut und Talent!
Freilich handelt es
sich bei L`ULTIMO TRENO nicht um intellektuelles Kopfkino, sondern um
einen exploitativen Rape´n´Revenge-Thriller der
unangenehmen Sorte. Dennoch beweist Aldo Lado einmal mehr sein
Können, indem er einen Film inszeniert hat, der weit mehr ist,
als es auf den ersten Blick scheint und eine gehörige Portion
Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft durchs Hintertürchen
einschmuggelt.
Die DVD stammt von Blue Underground und weist
eine rundum sehr gute Qualität auf. In Deutschland leider nur
als (mieser) Bootleg erschienen. Erhältlich auch vom britischen
Label Shameless, hier jedoch wieder mit typisch geschmacklosem
Cover.
Die BU bietet außerdem ein 15minütiges hochinteressantes Interview mit Aldo Lado, der sehr intelligent und molto sympatico rüberkommt.
Die BU bietet außerdem ein 15minütiges hochinteressantes Interview mit Aldo Lado, der sehr intelligent und molto sympatico rüberkommt.
* An dieser Stelle
würde mich wirklich brennend interessieren, ob auch in der
deutschsprachigen Version das betreffende Liedgut vorgetragen wird.
Ich habe mich jedenfalls prächtig amüsiert bei der Szene,
vor allem, als Flavio Bucci die Abteiltür aufzieht und "Heil
Hitler!" ruft, woraufhin sämtliche Anwesenden automatisch
aufspringen und den rechten Arm zum Gruß heben! Gröhl!
- Pelle -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.