Filmclub Bali
   
 

LIEBE IST NUR EIN WORT

(Deutschland 1971) R: Alfred Vohrer

Alfred Vohrers Simmel Konzentrat #2

Oliver Mansfeld (Malte Thorsten) hegt Groll gegen seinen Vater, will mit den kriminellen Machenschaften des reichen Unternehmers nichts zu tun haben. Mit 21 will Oliver endlich das Abitur bewältigen, wird von Internatsleiter Dr. Florian (Friedrich Siemers) freundlich als neuer Schüler aufgenommen. Zuvor erlebt der junge Mann eine unvergessliche Begegnung, verliebt sich in die rund zehn Jahre ältere Verena Angenfort (Judy Winter). Verena ist mit Manfred Angenfort (Herbert Fleischmann) verheiratet, seinerseits langjähriger Geschäftspartner von Olivers Vater. Zunächst vermag Verena den Annährungsversuchen des charmanten Oliver zu widerstehen, schließlich wird sie sich von ihren Gefühlen überwältigt, gibt sich Liebe und Leidenschaft hin. Als Verena für einige Tage nach München fährt, aufkeimender Verdacht des Gatten soll entkräftet werden, taucht Oliver plötzlich im Hotel auf. Die beiden erleben wunderschöne Momente voller Zärtlichkeit, Träume einer gemeinsamen Zukunft nehmen Gestalt an, doch Oliver unterschätzt Manfred Angenforts präzise Boshaftigkeit …
Liebe ist nur ein Wort
Freilich lassen sich nicht alle Charaktere und Handlungsstränge eines Romans von Johannes Mario Simmel in knapp 107 Minuten Spielfilm packen. Glücklicherweise unterlässt Drehbuchautor Manfred Purzer entsprechende Versuche, stellt die Liebesgeschichte zwischen Oliver und Verena in den Mittelpunkt. Regisseur Alfred Vohrer zaubert daraus ein kurzweiliges und anrührendes Stück Kino, obschon auf viele Details verzichtet wurde, trifft Vohrers Inszenierung sehr gut die Atmosphäre der Romanvorlage. Welche Relevanz hat Liebe, wer geht wie weit? Simmel und Vohrer wurden von Kritikern gern als "trivial" und "klischeebeladen" abgetan, Werke aus Deutschland durften nicht unterhaltsam sein, echte Kunst musste zwingend "vordergründig-hintergründig intellektuell" und schwer zugänglich gestaltet werden, sich zumindest entsprechend eingefärbt präsentieren. Mit geifernder Ignoranz fuchtelte die Keule des Feuilleton vor unserer Nase herum, sausten verbale Knüppel auf Autoren, Filmemacher, Leser und Zuschauer hinab. Inzwischen wendet sich das Blatt zunehmend, werden großartige Schöpfer wie Simmel und Vohrer nicht mehr aus allen Rohren mit Dreck beschossen.
Vohrers punktgenaue Inszenierung lebt von der Erfahrung des Regisseurs, gepaart mit frischem Wind der frühen siebziger Jahre. Großes Lob verdient das starke Ensemble. Allen voran Nachwuchstalent Malte Thorsten, der Oliver Mansfeld nicht lediglich als hübsche Fassade zeichnen darf. Ein bisschen zorniger junger Mann, mehr noch erstaunlich warmherzig und leidenschaftlich, sicher klug und bei Bedarf zielstrebig, gleichzeitig noch immer in jugendlicher Kurzsichtigkeit verstrickt. Genau diese liebenswerte Naivität führt zur fatalen Fehleinschätzung der Gegenspieler, zur fürchterlichen und unumkehrbaren Kurzschlusshandlung. Judy Winter bleibt weniger Raum zur Entfaltung, ihre innere Zerrissenheit kommt nur in wenigen Szenen deutlich zum Vorschein. Dies hängt nicht mit Winters schauspielerischen Qualitäten zusammen, ist vielmehr der überschaubaren Spieldauer des Streifen geschuldet, steht in Verbindung mit der Fokussierung auf den Charakter Oliver Mansfeld. Gern hätte ich Verena Angenfort ausführlicher und tiefgehender angelegt gesehen, schon wegen Judy Winters ansprechender Darstellung, andererseits bleibt die "knackige Kompaktheit" des Drehbuchs unangetastet. Herbert Fleischmann fällt die Rolle des Antagonisten zu, berechnend und konsequent, Höllenfeuer unter glatter Oberfläche, bedrohlich brodelnder Vulkan. Fleischmanns Angenfort kommt als Fiesling mit Facetten daher, während sein Hausangestellter Leo -ansprechend dargeboten von Karl Walter Diess- auf das Format des willigen Helferleins ohne Skrupel beschränkt bleibt. Joey Schoenfelder macht uns die fiese Terrorbratze namens Hansi, entpuppt sich als Widerling mit psychotischen Anfällen, neigt zu bizarren Ausfallerscheinungen. Donata Höffer sehen wir als Olivers Mitschülerin Geraldine Reber. Unglücklich in den Protagonisten verliebt, sorgt Geraldine für Anflüge von Ambivalenz, fügt dem Mosaik zarte Nuancen hinzu. Friedrich Siemers, Konrad Georg und Inge Langen spielen nicht minder ansprechend, weitere Ausführungen würden jedoch den Rahmen dieses Kurzkommentars sprengen.
Gern tauche ich mit Alfred Vohrer tief in die frühen siebziger Jahre ein. Sofort nimmt mich der Auftakt gefangen, werde ich von "wohliger Tristesse" verführt, entführt und berührt. Ja, hier und da springt uns bedeutungsschwangere Symbolik regelrecht an, wird manches Klischee bedient. Vor allem funktioniert das Zusammenspiel von Inszenierung, Ensemble und temperamentvoller Kameraarbeit vorzüglich, trifft handwerkliches Können auf Momente überschäumender Atmosphäre und großer Gefühle. Trivial? Nein, pralles Leben! Vor "Liebe ist nur ein Wort" lieferte Vohrer die Verfilmung vom Simmels "Und Jimmy ging zum Regenbogen" ab. Waren dort noch Geheimdienste und Verschwörungen bestimmendes Thema, tritt nun die Liebe der Hauptfiguren deutlicher in den Vordergrund. Simmels liebender Protagonist liebt mit allem was er hat, ist bereit alles für die Liebe zu geben, wirft sein gesamtes Leben in die Waagschale. Dick aufgetragen? Egal, mich hat der Streifen berührt und gleichzeitig vorzüglich unterhalten. Nach dem Ende Stille um mich herum, umhüllt von warmer Dunkelheit, Silhouetten meiner DVD/BD-Regale versprechen den nächsten Trip. Vermutlich verging eine halbe Stunde, irgendwann kehrte ich in die Realität zurück. Ab ins Bett, neben Lady Moon eingeschlafen und von Judy Winter geträumt (Schwester Hildegard, wir müssen die Dosis des Patienten Blap erhöhen!). Film macht glücklich. Lieber Alfred, lieber Johannes Mario, liebe Judy, lieber Malte, ich bedanke mich für die schöne Zeit.
Kinowelt präsentiert den Film auf einer brauchbaren DVD, zeigt sich in der Disziplin Boni recht sparsam. Sollte sich jemand um eine neue Abtastung und Aufbereitung bemühen, ich greife gern zu!
Dicke 7,5/10 (gut bis sehr gut, Tendenz steigend)
Lieblingszitat:
"Meine Anzüge passen Ihren sicher nicht."
- Blap -





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