JOHN RAMBO
("Rambo IV", USA/Deutschland 2008) R: Sylvester Stallone
Prolog:
Es war einmal, vor langer,
langer Zeit, als es noch Videokassetten gab. In diesen Tagen
existierte eine leider längst ausgestorbene Spezies, die zum
Stammkundenkreis der Videotheken zählte...
Diese Exemplare der Gattung Mensch stammten aus der hart arbeitenden Unterschicht, hielten sich blondierte und kaugummikauende "Perlen" und entstiegen grundsätzlich auf Sportwagen getrimmten Proletenschleudern, die sie direkt vorm Eingang der Videothek parkten. Man kleidete sich vornehmlich in glitzernde Jogginganzüge in Kombination mit Cowboystiefeln. Die behaarte Brust war weitgehend freigelegt, im Gewöll glänzten Goldketten und Kreuze. Schnauzbart war Pflicht, gern trug man dazu Vornekurzhintenlang oder Poposcheitel. Weit wichtiger als das optische Erscheinungsbild war aber der unmissverständliche Gesichtsausdruck, den man wie eine Phalanx vor sich herschob: man guckte hart. Die Kieferknochen mahlten unter der solariumsgebräunten Backenmuskulatur, die Augenschlitze waren zu Fäusten geballt.
Oh ja, mit dieser Sorte Eisenfresser war nicht gut Rosentee trinken, wenn solch ein harter Knochen sporenklirrend und Marlboro-rauchend in den VHS-Verleihfachhandel eintrat, senkte man demütig den Blick gen Boden. Ein guter Kumpel nannte das: The Spirit of Chuck Norris. Und wenn solch ein Butzenmann den Mund aufmachte, dann konnte man seine Rosette darauf verwetten, daß er mit grollendem Bariton hervorstieß: "Der neue Rambo schon gekommen?"
Diese Exemplare der Gattung Mensch stammten aus der hart arbeitenden Unterschicht, hielten sich blondierte und kaugummikauende "Perlen" und entstiegen grundsätzlich auf Sportwagen getrimmten Proletenschleudern, die sie direkt vorm Eingang der Videothek parkten. Man kleidete sich vornehmlich in glitzernde Jogginganzüge in Kombination mit Cowboystiefeln. Die behaarte Brust war weitgehend freigelegt, im Gewöll glänzten Goldketten und Kreuze. Schnauzbart war Pflicht, gern trug man dazu Vornekurzhintenlang oder Poposcheitel. Weit wichtiger als das optische Erscheinungsbild war aber der unmissverständliche Gesichtsausdruck, den man wie eine Phalanx vor sich herschob: man guckte hart. Die Kieferknochen mahlten unter der solariumsgebräunten Backenmuskulatur, die Augenschlitze waren zu Fäusten geballt.
Oh ja, mit dieser Sorte Eisenfresser war nicht gut Rosentee trinken, wenn solch ein harter Knochen sporenklirrend und Marlboro-rauchend in den VHS-Verleihfachhandel eintrat, senkte man demütig den Blick gen Boden. Ein guter Kumpel nannte das: The Spirit of Chuck Norris. Und wenn solch ein Butzenmann den Mund aufmachte, dann konnte man seine Rosette darauf verwetten, daß er mit grollendem Bariton hervorstieß: "Der neue Rambo schon gekommen?"
Ich
frage mich oft, in welche Exile diese wahren, einzig echten Männer
heutzutage abgetaucht sind. In welchen Hinterhöfen stehen ihre
blankpolierten Manta-GTIs, auf welchen Tag des Heulens und
Zähneknirschens warten ihre hautengen Muscleshirts, um entmottet
zu werden?
Die Antwort ist da, sie steht in den Videotheken, sie lautet: RAMBO 4!
Die Antwort ist da, sie steht in den Videotheken, sie lautet: RAMBO 4!
Der wortkarge Vietamveteran John
Rambo (Stallone) verdingt sich in Thailand, nahe der burmesischen
Grenze, als Schlangenfänger für zweifelhafte Schausteller.
Eine Gruppe christlicher Missionare bittet ihn um Hilfe, um
Medikamente in ein benachbartes Flüchtlingslager zu schaffen.
Zunächst zeigt Rambo ihnen den kalten Mittelfinger, der
Idealismus der hübschen Sarah (Julie Benz) vermag es jedoch, ihn
umzustimmen. Kurz nach Ankunft der Missionare verübt das Militär
ein Massaker im Dorf und verschleppt die Gruppe. Rambo erhält
Besuch von einem Priester, der ihn über das Schicksal der
Missionare unterrichtet und ihn bittet, mit einer Gruppe Söldner
in den burmesischen Dschungel zurückzukehren...
Bereits
vor den Credits serviert Mr.Stallone uns Originalaufnahmen aus dem
Krisenherd von Burma, die für Magendrücken sorgen. Dann
sehen wir, eingefangen in malerischen Kamerabildern, wie garstige
Schlitzaugensöldner kurzen aber sadistischen Prozess mit
Zivilisten machen – mich dünket, hier werden keine Gefangenen
gemacht...
Auftritt John Rambo: Zu Beginn erleben wir ihn im thailändischen Dschungel herumkrauchen und Dinge tun, die echte Männer eben tun: Kobras mit der bloßen Hand fangen, Fische mit Pfeil und Bogen erlegen. Come to where the flavour is! Seine ersten gesprochenen Worte auf der Tonspur lauten: "Fuck off, okay?" – Da lag ich bereits in Gebetshaltung auf dem Laminat!
Auftritt John Rambo: Zu Beginn erleben wir ihn im thailändischen Dschungel herumkrauchen und Dinge tun, die echte Männer eben tun: Kobras mit der bloßen Hand fangen, Fische mit Pfeil und Bogen erlegen. Come to where the flavour is! Seine ersten gesprochenen Worte auf der Tonspur lauten: "Fuck off, okay?" – Da lag ich bereits in Gebetshaltung auf dem Laminat!
Spätestens bei dem Massaker im
Flüchtlingslager, glaubte ich aber, nicht recht zu sehen und zu
hören. Was hier an Brutalitäten aufgefahren wird, dürften
die braven Leinwände des Mainstreamkinos wohl noch nie zuvor
erblickt haben – das WIEGENLIED VOM TOTSCHLAG nimmt sich dagegen
wie ein Kindergartenfest aus. Und wenn dann "Sly" Stallone seinen
Flitzebogen auspackt und für Zucht und Ordnung im Busch sorgt,
bleibt kein Beinstumpf trocken...
Die guten Christenmenschen sind ausgezogen, um das Gebot der Nächstenliebe in den Urwald zu tragen, aber Rambo macht ihnen bald bewusst, daß hier das Gesetz des Alten Testaments regiert. Und um diese Lehre zu verkünden ist ihm jedes Mittel recht: Unwertes Menschenmaterial wird zerschossen, zerhackt, zersprengt – und wenn´s arg pressiert, wird auch schon mal ein Kehlkopf mit bloßen Händen aus der Strotte gerupft. Das Blut spritzt Hektoliterweise, Köpfe explodieren, Körperteile fliegen im Sekundentakt durchs burmesische Buschwerk. Im Ernstfall zündet man ganz ungeniert eine Mini-Atombombe und entlaubt halb Kleinasien.
Die guten Christenmenschen sind ausgezogen, um das Gebot der Nächstenliebe in den Urwald zu tragen, aber Rambo macht ihnen bald bewusst, daß hier das Gesetz des Alten Testaments regiert. Und um diese Lehre zu verkünden ist ihm jedes Mittel recht: Unwertes Menschenmaterial wird zerschossen, zerhackt, zersprengt – und wenn´s arg pressiert, wird auch schon mal ein Kehlkopf mit bloßen Händen aus der Strotte gerupft. Das Blut spritzt Hektoliterweise, Köpfe explodieren, Körperteile fliegen im Sekundentakt durchs burmesische Buschwerk. Im Ernstfall zündet man ganz ungeniert eine Mini-Atombombe und entlaubt halb Kleinasien.
Angenehm
auffallend ist, wie vehement räudig und dreckig dieser Bastard
von einem Actionkracher um die Ecke kommt – der 4. Teil der
Rambo-Saga verzichtet auf allzu übertriebene Over the
Top-Szenen, wie sie speziell im dritten Film übel aufstießen,
pfeift auf jeglichen Pathos und rotzt dem Zuschauer seine gerade mal
76minütige Story wie MG-Feuer um die Ohren. Die Darstellung der
Kampfszenen ist schnörkellos und haut direkt in die Schnauze,
als ob es eine Gewaltästhetik von Leone, Peckinpah oder John Woo
nie gegeben hätte. Selbst die Möglichkeiten von CGI und
digitalen Aufnahmeverfahren verwendet Stallone nur sparsam - der Film
steht zu seinem rauhen B-Film-Charakter, und läßt nur das
zu, was für eine spartanische Action-Inszenierung unabkömmlich
ist. Das bis zum Zerreißen straffe Script ist reduziert bis auf
die blanken Knochen, hier wird geklotzt, nicht gekleckert.
RAMBO 4 knüpft damit weniger an die überbordenden Materialschlachten des 3.Teils an, sondern besinnt sich auf die ehrliche "Schweiß, Blut und Tränen"-Tradition des 80er Jahre-Söldnerfilms. Ähnlich wie das "Grindhouse"-Projekt von Rodriguez und Tarantino darf man RAMBO 4 als – gelungene! – Wiederbelebung eines vergessenen Genres und einer verlorenen Bahnhofskino-Subkultur begreifen. GEHEIMCODE: WILDGÄNSE und Konsorten lassen grüßen.
Lobenswerterweise verzichtet Stallone auch auf ein kitschiges Ende. Rambos langersehnte Heimkehr ins Vaterland handelt er knapp in ein paar schönen und aussagekräftigen Kameragemälden ab – ohne überflüssige Worte, versteht sich.
Überhaupt ist die Kameraarbeit in höchsten Tönen zu huldigen. Selten wurde der Triumph der rohen Materie über den schwachen Geist ästhetischer zelebriert – wobei es psychisch gesünderen Menschen als ich einer bin, befremdlich anmuten muss, bei diesem filmischen Totalmassaker von "Ästhetik" zu sprechen.
RAMBO 4 knüpft damit weniger an die überbordenden Materialschlachten des 3.Teils an, sondern besinnt sich auf die ehrliche "Schweiß, Blut und Tränen"-Tradition des 80er Jahre-Söldnerfilms. Ähnlich wie das "Grindhouse"-Projekt von Rodriguez und Tarantino darf man RAMBO 4 als – gelungene! – Wiederbelebung eines vergessenen Genres und einer verlorenen Bahnhofskino-Subkultur begreifen. GEHEIMCODE: WILDGÄNSE und Konsorten lassen grüßen.
Lobenswerterweise verzichtet Stallone auch auf ein kitschiges Ende. Rambos langersehnte Heimkehr ins Vaterland handelt er knapp in ein paar schönen und aussagekräftigen Kameragemälden ab – ohne überflüssige Worte, versteht sich.
Überhaupt ist die Kameraarbeit in höchsten Tönen zu huldigen. Selten wurde der Triumph der rohen Materie über den schwachen Geist ästhetischer zelebriert – wobei es psychisch gesünderen Menschen als ich einer bin, befremdlich anmuten muss, bei diesem filmischen Totalmassaker von "Ästhetik" zu sprechen.
Von
Schauspielerleistungen will ich hier nicht faseln, das ist marginales
Beiwerk. Stallone ist halt Stallone, basta tutti.
Knuffig fand ich die rauhbeinige Söldnertruppe, deren
Charakterisierung auf ein angenehmes Minimum gedrosselt wurde. Dem
britischen Chef-Asi zerfetzt es – in bester DELIVERANCE-Manier –
als erster armer Sau das Bein. Die christlichen Missionare bleiben
etwas blass, was nicht weiter schlimm ist; ihre Leistungen
beschränken sich auf stilvolles Bluten, Schreien und Sterben.
Zu behaupten, Sylvester Stallone sähe für sein Alter noch gut aus, würde voraussetzen, ihn jemals für gutaussehend gehalten zu haben. Etwas teigig und aufgeschwemmt kommt er zwar daher, aber immerhin ist er fit – fitter, als ich es je war. Die Muskelberge glänzen ölig wie eh und je, das Schmalzhaar hängt fettig in der wurschtigen Visage. Der Blick ist immer noch herrlich stählern-stumpf, die Unterlippe baumelt schief herunter, wie bei einem Schlaganfallopfer. Jeder Spruch ein vergötterungswürdiger Oneliner, den man sich auf die Oberarme tätowieren könnte. So kennen, so lieben wir ihn!
Zu behaupten, Sylvester Stallone sähe für sein Alter noch gut aus, würde voraussetzen, ihn jemals für gutaussehend gehalten zu haben. Etwas teigig und aufgeschwemmt kommt er zwar daher, aber immerhin ist er fit – fitter, als ich es je war. Die Muskelberge glänzen ölig wie eh und je, das Schmalzhaar hängt fettig in der wurschtigen Visage. Der Blick ist immer noch herrlich stählern-stumpf, die Unterlippe baumelt schief herunter, wie bei einem Schlaganfallopfer. Jeder Spruch ein vergötterungswürdiger Oneliner, den man sich auf die Oberarme tätowieren könnte. So kennen, so lieben wir ihn!
Obwohl Thomas Danneberg die wenigen Dialog-Platitüden
von John Rambo gewiss mit Leben gefüllt hat, sollte man sich den
Film unbedingt im englischsprachigen Original anschauen. Denn wenn
"Sly" mit seiner echten Stimme spricht, dann klingt das wie ein
anrollendes Tropengewitter, wie der Donner des jüngsten
Gerichts. Wie Johnny Cash, wenn er Rasierklingen gefrühstückt
hat. "There´s war in my blood.";
Grrr...
Kurzum: Regisseur und Drehbuchautor Stallone
jongliert bei RAMBO 4 geschickt mit den Elementen des
Totalkaputtmacher-Actionkinos, so daß er hier zwar weder etwas
bahnbrechend Neues erschafft, noch mehr als einen reinrassigen
Genrefilm abliefert – aber zweifelsohne ist diese
adrenalingesättigte Dauerbefeuerung einer der besten Vertreter
seiner Zunft.
Schickt die Mutti in die Küche, Jungs – das hier ist Männerkino.
Schickt die Mutti in die Küche, Jungs – das hier ist Männerkino.
Während der Film überall
in der Welt ungekürzt in den Kinos lief, schlug in Deutschland
mal wieder erbarmungslos die Zensurschere zu. Auf DVD gibt es eine
heruntergeschnittene 16er-Fassung, eine ebenso verstümmelte 18er
und eine unzensierte "SPIO/JK: keine schwere
Jugendgefährdung"-Version. Obacht ist also beim Kauf geboten.
Lieblingszitat? Es gibt endlos viele. Aber eines bringt
alles auf den Punkt:
"Fuck the world."
"Fuck the world."
- Pelle -
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filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.