Filmclub Bali
   
 

INGLOURIOUS BASTERDS

(USA/Frankreich/Deutschland 2009) R: Quentin Tarantino

Frankreich während des zweiten Weltkriegs. SS Oberst Hans Landa (Christoph Waltz) ist ein gnadenlosen Häscher, im Auftrag des Führers spürt er versteckte Juden auf. Auch die Familie von Shosanna (Mélanie Laurent) fällt dem "Judenjäger" zum Opfer, sie selbst kann knapp entkommen. Wenige Jahre später, genauer 1944, hat sich Shosanna längst eine neue Identität zugelegt und betreibt ein Kino in Paris. Der deutsche Kriegsheld Fredrick Zoller (Daniel Brühl) findet Gefallen an der jungen Dame. Da er ein Günstling von Goebbels (Sylvester Groth) ist, schlägt er diesem die Durchführung einer ganz besonderen Veranstaltung in Shosannas Kino vor. Bei einem Treffen mit Goebbels ist auch ein alter "Bekannter" der Kinobesitzerin zugegen, in deren Gedanken ein teuflischer Plan reift...
Ebenfalls in Frankreich zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Lieutenant Aldo Raine (Brad Pitt) der US-Army und seine kleine Truppe -genannt die Basterds- wüten in und hinter den deutschen Linien. Sie haben nur ein Ziel: Angst und Schrecken unter den Nazis zu verbreiten, möglichst viele Feinde zu töten und zu skalpieren. Eine Mission von grösserem Ausmaß kündigt sich an, die deutsche Schauspielerin Bridget von Hammersmark (Diane Kruger) arbeitet mit den Alliierten zusammen. Sie hat Informationen über eine Veranstaltung, eine Filmpremiere in einem Kino in Paris, bei der sich illustre Gäste tummeln sollen. Gäste, die Aldo und seine Leute beseitigen sollen...
Inglourious Basterds
Nun tobt sich Herr Tarantino also im zweiten Weltkrieg aus. Wie üblich wechselt er dabei die Handlungs- und Zeitebenen, der Zuschauer behält aber zu jeder Zeit den Überblick. Eine sehr stattliche Anzahl bekannter Schauspieler alles Generationen hat der gute Quentin vor die Kamera geholt. Alle Beteiligten sind offenbar mit großer Freude bei der Sache, was sich dann auch umgehend auf den geneigten Zuschauer überträgt. Zunächst möchte ich kurz auf die Mitwirkenden eingehen, die teils für ihre Leistungen gescholten wurden, denn ich bin eindeutig anderer Meinung.
Beginnen wir mit Brad Pitt. Ja, mich nervt dieser "Brangelina" Schwachsinn auch, doch schmälert dies etwa eventuelle Leistungen des Herrn Pitt? Dass er ein talentierter Schauspieler ist, hat er schon vor etlichen Jahren in "Kalifornia" (1993) und "Twelve Monkeys" (1995) bewiesen. Hier und heute überzeugt er mich als Aldo Raine ebenso. Dieser Lieutenant ist ein Hinterwäldler, ein Redneck Zombie der abgewracktesten Sorte. Gewissermaßen eine lebendige Karikatur, herrlich! Was zum Geier gibt es daran zu bemängeln? Also vielleicht einfach das nervige "Drumherum" beim Thema Brad Pitt vergessen, dann klappt es auch mit dem Filmgenuss. (Unbedingt dem Originalton lauschen!)
Eli Roth ist ein weiteres Reizthema. Für viele Zeitgenossen scheint der gute Mann sowieso ein rotes Tuch zu sein. Warum? Ich mag seine Regiearbeiten und halte ihn für einen brauchbaren Darsteller. Klar, seine Rolle verlangt ihm nicht viel ab, doch der "Baseballschläger-Psychopath" steht im gut zu Gesicht. Manchmal bin ich geneigt zu glauben, dass Herr Roth wirklich einen an der Waffel hat. Das macht ihn umso sympathischer.
Daniel Brühl ist als deutscher "Kriegsheld" zu sehen. Er wirke blass und unscheinbar, so sagt man über seinen Auftritt in IB. Ja, genauso ist es! Aber genauso muss es sein! Fredrick Zoller ist nichts weiter als ein kleines, armes Würstchen, welches durch -für ihn- glückliche Umstände zu einem Günstling der Naziherrscher wurde. Eben blass, unscheinbar und armselig. Gut gespielt!
Bedenken hatte ich vor der Sichtung von IB beim Thema Diane Kruger. Bisher fiel die junge Dame nicht unbedingt durch ihr Talent auf. Doch als Bridget von Hammersmark trumpft sie plötzlich regelrecht auf, man schaue aufmerksam ihre Szenen mit Oberst Landa, großartig! Quentin Tarantino hat ein Händchen dafür, "seine" Schauspieler aus der Reserve zu locken, holt ganz neue Facetten aus ihnen heraus. Man erinnere sich an "Pulp Fiction". Wer bitte war John Travolta vor diesem Film? Ein abgehalftertes Tanzfilm-Bübchen, das mit grausigen Familienkomödien nervte. Als ich damals davon hörte, dass das hoffungsvolle Regie-Nachwuchstalent Quentin Tarantino Travolta als Killer besetzt hat, da schwante mir ehrlich gesagt wenig gutes. Aber was erwartete uns damals im Kino? Travolta rockte als Vincent Vega so dermaßen das Haus, mir klappte die Kinnlade runter!
Kommen wir zu den weiteren Mitwirkenden. Egal ob Urgestein Rod Taylor als Churchill in der Ecke sitzt, Mike Myers eine herrliche Knallschote von Offizier gibt, selbst Til Schweiger als wüster Messerstecher überzeugt, immer macht es Freude den Burschen zuzusehen. Sogar der von mir sehr geschätzte Christian Berkel ist zu sehen (sowie einige andere wohlbekannte Schauspieler aus Deutschland), es wäre müßig nun alle Beteiligten aufzuzählen. Kurz sei noch auf August Diehl, Sylvester Groth (Goebbels) und Martin Wuttke (Hitler) hingewiesen. Goebbels und Hitler kommen hier als durchgeknallte Schiessbudenfiguren daher. Das entspricht IMHO einer nur leicht überzeichneten Realität, denn etwas anderes als Witzfiguren waren diese traurigen Gestalten im wahren Leben nicht. Grosses Lob hört und liest man allerorts über Christoph Waltz. Auch die pseudointellektuellen Heißluft-Schmalspurschreiberlinge des "Fülletong" waren sich darüber einig, Herr Waltz soll grandios aufspielen. Das machte mich sehr, sehr skeptisch. Dass Christoph Waltz ein guter Schauspieler ist war bekannt. Leider verbinde ich mit ihm seinen denkwürdigen Auftritt im Fernsehfilm "Tag der Abrechnung - Der Amokläufer von Euskirchen". Seither denke ich bei Waltz ständig an diesen irren Gummistiefel-Fetischisten, der aus einer Stadt kommt, in der die Kühe schöner als die Frauen und klüger als die Männer sind, was mir seine Auftritte regelmäßig vergällt. Doch seit der letzten Nacht ist alles anders! Ja, Christoph Waltz ist DER Star des Films. Er spielt sie alle an die Wand, sein Hans Landa ist unfassbar, unvergleichbar, mehr als phantastisch! Ich wollte es nicht glauben, doch hier wurde nichts überbewertet oder gehypt, Christoph Waltz hat einen Platz auf meinem Altar sicher, ich werde ein Bild von Hans Landa aufstellen!
Damit es nicht zu ausufernd wird, soll nun genug über die Schauspieler geschrieben sein. Was mir den Zugang zu "Inglourious Basterds" ein wenig erschwert, sind die vordergründig weniger witzigen, weniger genialen Dialoge. Der Schelm schlummert hier häufig unter der Oberfläche. Ich bin mir sicher, sein ganzes Potential entfaltet der Film erst nach mehrfachem Genuss! Tatsächlich wirkt das Werk oft sehr selbstverliebt, so als hätte Tarantino bei der täglichen Sichtung des neuen Materials wild onanierend vor dem Spiegel gestanden. Aber ist das wirklich ein Nachteil? Klar, noch immer bedient sich Herr Tarantino bei allen möglichen Vorbildern und Einflüssen, doch schneidert er daraus ein mehr und mehr eigenständiges, kleidsames Stück Filmkunst. Natürlich weiß der gute Mann genau, wie weit er sich aus dem Fenster lehnen darf ohne das Mainstreampublikum zu verschrecken. Doch will man ihm das wirklich vorwerfen? Ich gebe zu, mich freuen diese kleinen und großen Einschübe, die den Film auch für den Freak (besonders für den Italo- und Exploitation-Liebhaber) zu einer bunten Spielwiese machen. Hier ein Stück von Morricone, da noch ein Schnipsel Morricone. Einen der Basterds nach Exploitation-Gottheit Hugo Stiglitz zu benennen, einen General Ed Fenech zu taufen, dies mag alles sehr durchschaubar sein, doch ich liebe den Mann dafür!
Was fällt noch auf? Mehr denn je hat Tarantino ein Auge für wundervolle Einstellungen. Die Flucht von Shosanna oder die "Kinorache" seien hier als Anhaltspunkte genannt. Action gibt es in kleiner Dosierung, mehr hätte den Fluss des Werkes vermutlich gestört. Lediglich die Schiesserei in der Bar ist mir fast ein wenig zu hektisch ausgefallen. Seiner Vorliebe für Damenfüße gibt Quentin wie erwartet nach. Immerhin sind die Füße von Diane Kruger ansehbarer als die von Uma Thurman, was dem ollen Perversling sicher nicht entgangen ist. Rund zweieinhalb Stunden wurde ich sehr gut unterhalten. Gerade WWII Filme faszinieren mich meist, doch hier geht der Reiz eindeutig stärker von der Inszenierung und den Figuren aus. So fühlte sich der zweite Weltkrieg noch nie an, da macht die Umschreibung der Geschichte richtig Laune! Nun aber genug, ich kann nur noch vermelden, dass sich jeder Filmfreund diesen Streifen ansehen sollte. Vielleicht zündet er nicht gleich bei der ersten Sichtung, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen! Der Film hat jede Menge Potential, eine Wohltat im Vergleich zum ansonsten meist glattgebügelten, oft langweiligen Mainstream, obwohl selbst Mainstream. Verschroben und doch massentauglich, ein Kunstgriff!
Die Blu-ray bietet eine sehr schöne Bildqualität und interessantes Bonusmaterial. Die Boni habe ich noch nicht vollständig gesichtet, was ich aber auf jeden Fall noch tun werde! Da ich der festen Überzeugung bin, dass "Inglourious Basterds" im Laufe der Jahre noch deutlich wachsen wird, will ich es zunächst bei 8/10 (sehr gut) belassen. Pflichtprogramm! (Was übrigens auch für "Inglorious Bastards" (1978) von Enzo G. Castellari gilt. Tarantions Basterds sind allerdings kein Remake des Streifens, dies nur am Rande).
Lieblingszitat:
"Say auf Wiedersehen to your Nazi-Balls"
- Blap -





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