Filmclub Bali
   
 

DER HEXENJÄGER

(„Witchfinder General“, Großbritannien 1968) R: Michael Reeves

Das Böse im Menschen

1645 leidet die englische Bevölkerung nicht nur unter dem auf der Insel tobenden Bürgerkrieg, obendrein treibt der gnadenlose Hexenjäger Matthew Hopkins (Vincent Price) sein Unwesen. Kaum ein braver Bürger ist vor dem willkürlichen Zugriff des Unholdes sicher, die groben Folterarbeiten erledigt Hopkins sadistischer Scherge John Stearne (Robert Russell), welcher die unglücklichen "Verdächtigen" mit großer Freude misshandelt und erniedrigt. Eines Tages gerät der Geistliche John Lowes (Rupert Davies) in die grausame Foltermühle der Perverslinge, der Tod durch den Strang beendet die Qualen des alten Mannes. Zuvor versuchte Sarah Lowes (Hilary Dwyer) ihren Onkel zu retten, bot dem Hexenjäger ihren wohlgeformten Körper an. Als der Soldat Richard Marshall (Ian Ogilvy) vom Leid seiner zukünftigen Frau erfährt, will er Hopkins und Stearne um jeden Preis zu Fall bringen. Tatsächlich trifft er nach nicht allzu langer Suche auf Stearne, doch der Handwerker des Todes kann seinem Verfolger nach einem kurzen Kampf entkommen. Auf Richard kommen Probleme zu, immerhin hat er sich unerlaubt von der Truppe entfernt. Dank (s)eines gutmütigen Vorgesetzten -dem Richard einst das Leben rettete- entgeht der junge Bursche einer harten Bestrafung, für Richard Marshall ist die Rechnung mit Hopkins und Stearne noch längst nicht beglichen…
Der Hexenjäger
Michael Reeves ist wohl eine der tragischen Figuren des Filmgeschäfts. Der 1943 im Großraum London geborene Reeves, konnte bereits 1966 seinen ersten abendfüllenden Spielfilm auf der Kinoleinwand bewundern. Für die britisch-italienische Co-Produktion "Revenge of the Blood Beast" aka "The She-Beast" aka "La sorella di Satana", konnte die Horror-Halbgöttin Barbara Steele gewonnen werden. 1967 folgte "The Sorcerers" (Im Banne des Dr. Monserrat) mit Ikone Boris Karloff. Der hier kurz vorgestellte "Witchfinder General" ist leider das letzte Werk des jungen Regisseurs, im Februar 1969 verstarb Reeves an einer Überdosis Medikamente. Blickt man auf die viel kurze Karriere des Nachwuchsfilmers zurück, wird man mit drei sehr sehenswerten Filmen belohnt, vor allem "Witchfinder General" hat nichts von seiner ungeheuren Kraft verloren. Welch großartige Werke hätte Michael Reeves uns noch schenken können, wir werden es unglücklicher Weise nie erfahren.
Hexenjäger Matthew Hopkins ist kein reines Phantasieprodukt, der skrupellose Massenmörder ist eine Figur aus der englischen Historie (gleiches gilt für einen Teil der übrigen Charaktere). Freilich ist der Film um Hopkins kein historisch bis in Detail korrekter Bericht. Dennoch transportieren uns die stimmungsvollen Kulissen, gelungen Kostüme und die zartherbe Landschaft Englands, mitten in ein besonders finsteres Kapitel der britischen Geschichte. "Witchfinder General" schreckt nicht vor ruppigen Gewaltausbrüchen zurück, die nie wie sensationslüsterner Selbstzweck anmuten, um ein durch und durch intensives Gesamtbild zu erzeugen. Eingebettet in diese Hölle auf Erden, präsentiert uns Reeves eine anrührende Liebesgeschichte, pendelt in dieser Disziplin souverän zwischen Gesäusel und greifbarer Leidenschaft (Spoiler verbieten mir näher auf die Story einzugehen, vielleicht ist es trotzdem ratsam die nächsten Sätze zu überlesen und mit dem folgenden Absatz fortzufahren). Unaufhaltsam steuern die Beteiligten auf einen Rausch aus Rachsucht und Gewalt zu, die Protagonisten geraten in einen Strudel ohne Ausweg. Letztlich ist es egal ob Richard mit Hopkins und Stearne abrechnen kann, zurück bleiben Leichen und zerstörte Seelen in geschundenen Leibern, niemand entkommt dem Albtraum halbwegs gnädig. Hysterische Schreie begleiten mich zurück in die Nacht, erden mich auf meinem Sofa. Beeindruckt und berührt starrte ich auf den Abspann, eiskalt erwischt, ein prächtiges Filmerlebnis!
Vincent Price! Ich erspare mir eine Aufzählung seiner unverzichtbaren Klassiker, konzentriere mich auf seine Darstellung des Matthew Hopkins. Herr Price agiert nur auf den ersten Blick zurückhaltender als erwartet. Ja, er hat Mimik und Gestik auf die wesentlichen Elemente reduziert. Matthew Hopkins blickt aus kalt-arroganten Augen bösartig auf alle anderen Akteure herab, sogar der engste Mitarbeiter Stearne bekommt häufig die Verachtung seines Herrn zu spüren. Überdies kann nur der englische Originalton mit einem weiteren gewaltigen Pfund wuchern, der unvergleichbaren Stimme des unvergessenen Vincent Price! Vor dieser Darbietung knie ich in Ehrfurcht nieder, wälze mich freudig im Staub und küsse die Stiefel des Meisters (Schwester Elfriede! Patient Blap benötigt dringend seine bunten Pillen!). Ich übertreibe? Ich verliere die Fassung? Mag sein, aber es fühlt sich richtig an. Price erweckt den abstoßenden Hopkins zum Leben. Der Hexenjäger steht wie ein Monument des Schreckens im Mittelpunkt, seinem teuflischen Auge entgeht nichts und niemand. Selbstverständlich sollen die weiteren Mitwirkenden ebenfalls gewürdigt werden. Ich beginne mit Robert Russell, der das sadistisch-primitive Helferlein John Stearne verkörpert. Russell glotzt mondgesichtig aus der der Wäsche, Stearne vergeht sich mit ausufernder Freude an den Opfern seines Chefs. Die rechte Hand des Todes agiert weniger vorausschauend, dessen ungeachtet sollte seine Verschlagenheit nicht unterschätzt werden. Ian Ogilvy ist in allen von Michael Reeves inszenierten Filmen zu sehen, ansonsten wirkt er bis in die heutige Zeit in etlichen TV-Produktionen mit. Der tapfere Liebhaber auf dem Rachetrip, Ogilvy meistert extreme und ruhige Momente, die Chemie zwischen ihm und Hilary Dwyer stimmt. Schon spüre ich das Wort "Kitsch" an meinen entzündeten Ohren nagen. Derartige Vorhaltungen laufen ins Leere, vorwiegend hat das junge Paar mit dem puren Grauen zu ringen. Rupert Davies steuert einen weiteren Sympathieträger bei, der kluge und warmherzige John Lowes kann der eisigen Grausamkeit seiner Peiniger nicht viel entgegensetzen, der Zuschauer leidet mit. Nun sind die zentralen Charaktere und ihre Darsteller kurz umrissen, ich muss auf Ausführungen zu den kleineren Nebenrollen verzichten. Warum? Ist doch klar, der nächste Film wartet bereits auf mich!
Perverse Gelüste, Gier nach Geld und Macht! Der Hexenjäger lässt seine dämonischen Umtriebe ohne Skrupel durch das England des 17. Jahrhunderts galoppieren. Ob Michael Reeves der damaligen Realität sehr nahe kommt? Ob die Wirklichkeit noch weitaus schrecklicher wütete? Völlig unerheblich, denn "Witchfinder General" zieht mich von der ersten bis zur letzten Sekunde in den Bann. Dem Film gelingt etwas sehr Erstaunliches, die Verschmelzung von stimmungsvoller Unterhaltung und nachhaltig wirksamen Schlägen in die Magengrube. Wohlfühlen trifft auf Grauen, eine Vollsuhle der besten Sorte! Voller Wonne aale ich mich meiner Spätsechziger-Kuscheldecke, plötzlich spüre ich fiese Stachel in meiner Haut, in meinem Pansen, in meinem alten Herzen. Zugegeben, ich verliere genau in diesem Moment die Contenance, die Gedanken an den Film treiben mir wohlige Schauer über den Rücken, verpassen mir gleichzeitig ein flaues Gefühl in der Magengegend. Schmerzhaft vermisse ich weitere Werke von Michael Reeves, der junge Mann hätte uns noch so viel geben können… (es kann ich oft genug betont werden)!
Fakten. Odeon Entertainment hat "Witchfinder General" in sehr ansprechender Qualität auf BD veröffentlicht. Die Scheibe enthält die ungekürzte Fassung, allerdings nicht die die sogenannte "Exportversion" mit nackten Tatsachen (die alternativen Szenen sind im Bonusbereich zu finden). Ferner ist ein Beitrag über Michael Reeves enthalten, dazu ein köstlicher TV-Auftritt von Vincent Price, ein Kurzfilm zum Thema Hexenverfolgung und weitere Kleinigkeiten (Trailer, Bildergalerie usw.). Insgesamt eine gute Blu-ray zu einem hervorragenden Film. Wer nicht ohne die deutsche Synchronisation auskommen kann/mag, muss auf dem einheimischen Markt nach Alternativen Ausschau halten.
Feiste 9/10 (überragend)!!!

Lieblingszitat:
"Men sometimes have strange motives for the things they do!"
- Blap -





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