DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER
(„Quella villa accanto al cimitero“, Italien 1981) R: Lucio Fulci
Von der fairen Entlohnung einer Immobilienmaklerin...
Dr. Norman
Boyle (Paolo Malco) will die Forschungsarbeit seines verstorbenen
Kollegen Dr. Peterson weiterführen. Das Ende des Wissenschaftlers
gibt Rätsel auf, denn offenbar tötete er zunächst seine
Lebensgefährtin, und richtete sich anschließend selbst per
Galgenstrick. Boyles Gattin Lucy (Catriona MacColl) ist nicht
besonders begeistert, denn die Familie zieht in jenes Haus ein, in
dem zuvor der durchgedrehte Dr. Peterson lebte. Bob (Giovanni
Frezza), der kleine Sohn des Ehepaares, beunruhigt seine Mutter
durch Geschichten von angeblichen Begegnungen mit einem Mädchen,
welches scheinbar nun in seiner Phantasie existiert. Mae (Silvia
Collatina) warnt Bob immer wieder vor dem Haus, doch bei seinen
Eltern stößt der Junge auf taube Ohren. Tatsächlich strahlt das
Haus eine unheimliche Atmosphäre aus, Lucy fühlt sich alles andere
als wohl in ihrem neuen Heim. Als sie dann auch noch eine Art
Grabplatte unter einem Teppich vorfindet, überkommt sie endgültig
eine sehr ungute Vorahnung. Derweil wird Norman davon angetrieben,
das Rätsel um den Tod seines Kollegen zu lösen. Vor langer Zeit
lebte ein gewisser Dr. Freudstein mit seiner Familie in dem nun von
den Boyles bewohnten Haus. Welches schreckliche Geheimnis verbirgt
sich in dem alten Gebäude? Wer oder was lauert im dunklen
Keller...???
Wenn ich Beiträge zu "Das Haus an der
Friedhofsmauer" lese, ist in vielen Fällen davon die Rede,
dass der Film für ein Werk von Lucio Fulci eher harmlos und
unblutig sei. Zu dieser "Erkenntnis" kann man nur
gelangen, wenn man das Schaffen des Regisseurs auf dessen
Horrorfilme reduziert, die seit den späten siebziger Jahren
entstanden. Unbestritten bieten Flicks wie z.B. "Woodoo - Die
Schreckensinsel der Zombies" (Zombi 2, 1979) oder "Die
Geisterstadt der Zombies" (E tu vivrai nel terrore - L'aldilà,
1981) mehr Blut und Gedärm, doch wo bitte bleiben da die herrlichen
Gialli und Western, die Lucio Fulci in den Jahren zuvor inszenierte?
Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass Fulci viel mehr als
Gewalt und Mettgut zu bieten hat! Doch bevor ich mich weiter
ereifere und einen Herzinfarkt erleide, will ich lieber ein paar
Zeilen zu "Das Haus an der Friedhofsmauer" schreiben.
Der Plot mutet simpel an, tatsächlich läuft die Handlung
ohne wirklich große Überraschungen ab. "Friedhofsmauer"
wird dadurch aber nicht beschädigt, denn der Film ist auf einem
anderen Fundament aufgebaut. Hier herrscht eine intensive und
wohlige Gruselatmosphäre vor, die ab und an durch (teils)
sadistische Morde aufgebrochen wird. Sicher würde der Film auch
ohne die "Momente des Mettguts" vortrefflich
funktionieren, diese sind wohl als Zugeständnis an die damalige
Erwartungshaltung zu betrachten. Bevor wir uns falsch verstehen, die
blutigen Szenen wirken nicht wie Fremdkörper, sie wurden durchaus
stilsicher in das Geschehen eingebaut. Dank der tollen Kameraarbeit
von Sergio Salvati, der häufiger mit Fulci arbeitete, mutet das
Szenario noch stimmungsvoller an, sorgen bereits eigentlich harmlose
Außenaufnahmen des Hauses für einen ersten Anflug von Gänsehaut.
Nicht minder gut gelungen ist der Score von Walter Rizzati, der sich
eindringlich in den Gehörgängen des Zuschauers festsetzt. Doch
nicht nur der Soundtrack ist äußerst gut gelungen, auch darüber
hinaus hat man den Film mit einer sehr eindringlichen
Geräuschkulisse unterlegt.
Werfen wir den fälligen Blick
auf die Akteure vor der Kamera. Catriona MacColl war gewissermaßen
Star der legendären Fulci-Flicks "Die Geisterstadt der
Zombies" und "Ein Zombie hing am Glockenseil", die
allesamt sehr zeitnah entstanden. Frau MacColl ist mir sympathisch,
doch in "Friedhofsmauer" überschreitet sie manchmal die
Grenze zur Nervensäge. Wirklich vorwerfen mag ich ihr das nicht,
denn die Rolle wurde entsprechend angelegt. Dank ihrer natürlichen
und angenehmen Ausstrahlung, driftet ihre Lucy nicht in
unerträgliche Gefilde ab, ergo zeigt der Daumen klar nach oben.
Paolo Malco macht als emsiger Wissenschaftler eine gute Figur. Als
Freund des italienischen Genrekinos begegnet man Malco hin und
wieder, er ist mir bisher als Bereicherung in Erinnerung geblieben.
Sehr gut gefällt mir die Darbietung von Ania Pieroni, die als
Kindermädchen ins Haus der Familie Boyle kommt. Pieroni umgibt
stets eine rätselhafte, unheimliche, ja regelrecht bedrohliche
Aura. Besonders bei der Erstsichtung dürfte ihr Part voll ins
Schwarze treffen, doch auch nach vielen Durchläufen verliert ihr
Auftritt kaum etwas von seiner Kraft. Dagmar Lassander sehen wir als
Maklerin, die in dem von ihr vermittelten Haus eine sehr unangenehme
Begegnung hat. Bei den Kinderdarstellern ist meine Meinung geteilt.
Während Silvia Collatina ihre Sache wirklich gut macht, mit einer
Mischung aus "unheimlich und gütig" punktet, geht mir
Giovanni Frezza schon ein wenig auf den Zeiger. Sorry, aber ich kann
dieses kleine Ohrfeigengesicht nicht ausstehen. Auf die übrigen
Mitwirkenden gehe ich nicht weiter ein, teils wegen akuter
Spoilergefahr. Nur der Hinweis auf einen der üblichen Kurzauftritte
von Lucio Fulci sei mir noch gestattet.
Insgesamt kann man
den Schauspielern ein gutes Zeugnis ausstellen, die kleine Kröte
Giovanni Frezza kann mir den Spass nicht verderben. Lob verdienen
auch die Effekte, denn wenn es tatsächlich zu Metzeleinlagen kommt,
sind diese genauso ausgeführt wie man es als Fan erwartet und
liebt. Doch selbst in dieser Disziplin verlässt sich Fulci nicht
auf stumpfsinniges Gesplatter. Man beachte die knuffige
Attacke der blutrünstigen Fledermaus, die für regelrechte
Gothic-Gruselschauer sorgt. Herrlich mutet die Aufmachung des
"Bösewichts" an, der locker als Anwärter auf den Titel
"Gesichts- und Körperruine des Jahres" durchgeht. Ich
kann es nicht oft genug betonen, "Das Haus an der
Friedhofsmauer" ist ein toller "Atmosphärenschmeichler",
wem der Sinn lediglich nach Mettgut steht, der sollte sich besser an
anderer Stelle umsehen!
Mir liegt der Film als alte DVD von
Laser Paradise vor, die nicht unbedingt Anlass zur Freude ist, dem
Film leider nicht gerecht wird. Zusätzlich befindet sich die
Ausgabe von CMV in meiner Sammlung, welche eine weitaus bessere
Qualität anbietet. Wer sich für den Streifen interessiert und
nicht auf die deutsche Synchronisation verzichten möchte, macht mit
der Scheibe aus dem Hause CMV einen guten Fang.
"Das
Haus an der Friedhofsmauer" wächst im Laufe der Zeit. War ich
früher nicht so ganz mit diesem Film glücklich, hat er inzwischen
längst einen Platz in meinem Herzen erobert. Daher ziehe ich
verdiente 8/10 (sehr gut) ...und freue mich bereits auf unser
nächstes Wiedersehen!
Lieblingszitat:
"Hier wird es dir gleich besser gehen. Spürst du die herrliche Luft?"
"Hier wird es dir gleich besser gehen. Spürst du die herrliche Luft?"
- Blap -
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