HALLOWEEN II
(USA 2009I) R: Rob Zombie
Metzelmasse mit Charakter
Zwei Jahre sind ins Land gezogen, seit Michael
Myers (Tyler Mane) in der Kleinstadt Haddonfield Terror und Tod
verbreitete. Damals überlebten Laurie (Scout Taylor-Compton) und
ihre Freundin Annie (Danielle Harris) nur knapp, Lauries Zieheltern
wurden von Michael brutal abgeschlachtet. Die Mädchen leben mit
Sheriff Lee Brackett (Brad Dourif), dem Vater Annies, in einem Haus
außerhalb von Haddonfield. Noch immer kämpfen die Überlebenden
mit den Folgen des Unheils, Laurie unterzieht sich einer
psychologischen Therapie, wird ständig von fürchterlichen
Albträumen heimgesucht. Auch Dr. Loomis (Malcolm McDowall), der
Michael seit dessen Kindheit psychologisch betreute, haben die
Vorfälle verändert. Er schert sich einen Dreck um andere Menschen,
verdient mit seinen Büchern über den Serienkiller gutes Geld. Die
Leiche von Michael Myers ist kurz nach seinem vermeintlichen Ableben
verschwunden, wodurch sich zusätzliche Unruhe und beklemmendes
Unwohlsein verbreiten. Freilich weilt Myers noch immer unter uns,
als schweigsamer Einzelgänger zieht er durch die Wälder und Felder
des Umlands. Halloween steht vor der Tür, Michael hat in
Haddonfield noch einen Job zu erledigen. Angespornt durch seine tote
Mutter Deborah (Sheri Moon Zombie), die ihm immer wieder in Visionen
erscheint und zu ihm spricht, macht sich Michael auf den Weg in die
Stadt...
"Halloween" (1978) von John Carpenter
zählt zum Kreis meiner absoluten Lieblingsfilme. Daher war ich
recht skeptisch, als Rob Zombie 2007 ein Remake des Streifens an den
Start brachte. Doch die Befürchtungen waren ohne Grund. Das Remake
konnte zwar nicht mit dem Original mithalten, funktionierte als
eigenständig betrachteter Film aber solide. Bevor ich "Halloween
II" schaute, gab es vorgestern erneut ein Date mit Zombies
erstem Streich, der positive Eindruck festigte sich. Bei "Halloween
II" geht Rob Zombie noch einen Schritt weiter, seine
Version/Vision von Michael Myers gewinnt der legendären Reihe ganz
neue Aspekte ab. Ich musste durchaus um Fassung ringen, wenn Michael
teils ohne Maske durch die Landschaft stiefelt, dabei ein Antlitz
wie Rübezahl offenbart. Diese Ausrichtung lässt den Schlächter
noch menschlicher als im Vorgängerfilm wirken, nimmt dem Killer
einen Teil seiner erschreckenden, grausigen Anonymität, nagt am
Mythos Michael Myers. Und doch, der Film packte mich von Beginn an,
entließ mich bis zur letzten Sekunde nicht aus seinem gnadenlosen
Würgegriff.
Zunächst sei ein kurzer Blick auf die Besetzung
gestattet. In der Rolle der Laurie Strode, sehen wir erneut Scout
Taylor-Compton, die diese zentrale Figur bereits im vorherigen Film
spielte. Einst ein wohlbehüteter Teeny, aufgewachsen bei
liebevollen Eltern, wurde Laurie durch die schrecklichen Ereignisse
völlig umgekrempelt, traumatisiert und entwurzelt. Der Verfall ist
sehr überzeugend dargeboten, Scout Taylor-Compton wird hier weitaus
mehr abverlangt, als man es aus anderen Slasherfilmen gewöhnt ist.
Während sich Lauries Verzweiflung immer wieder durch Albträume und
hysterische Ausbrüche entlädt, wirkt Annie in sich gekehrter,
leidet leise hinter ihrer zerkratzten Fassade. Danielle Harris
wirkte bereits als Kind in der alten Halloween-Reihe mit (Halloween
4 & 5). Inzwischen ist aus ihr eine junge, attraktive Frau
geworden, die wie ihre Kollegin Scout Taylor-Compton eine tolle
Leistung abliefert. Harris strahlt noch immer eine kindliche
Unschuld aus, ein reizvoller Kontrast zu der von ihr in "Halloween
II" dargestellten tragischen Figur. Brad Dourif sieht man
überwiegend in der Rolle von Fieslingen, Zombie lässt ihn als
besorgten Vater agieren. Es ist eine Wohltat den geschätzten Brad
Dourif anders erleben zu dürfen, er liefert auch als "Guter"
eine tadellose Vorstellung ab! Malcolm McDowell zeigt einen ganz
anderen Dr. Loomis, als man ihn von Donald Pleasence kennt. Der alte
Loomis schien stets am Rande des Zusammenbruchs und Irrsinns zu
stehen, war jedoch immer um seine Mitmenschen besorgt. Er wollte dem
Treiben des Michael Myers ein Ende setzen, auch wenn er dafür sein
eigenes Leben in die Waagschale werfen musste. McDowells Loomis ist
ein selbstgerechtes, arrogantes und zynisches Arschloch, doch sein
Verhalten ist letztlich auch nur eine Art der Flucht, der Versuch
mit dem erlebten Schrecken und dem eigenen Versagen umzugehen. In
Traumsequenzen und Visionen erscheint Sheri Moon Zombie, feenhaft
und zugleich unterschwellig bedrohlich. Michael sehen wird mehrfach
als Kind, ein junge namens Chase Wright Vanek hat diesen Part
übernommen. Zuvor spielte ein gewisser Daeg Faerch jene Rolle, er
wirkte eindrucksvoller, war diesem Part aber vermutlich bereits
entwachsen. Der erwachsene Michael wird erneut von Tyler Mane
verkörpert, ein beeindruckender Brocken. Damit soll genug zu den
relevanten Figuren gesagt sein. Die Leistungen der Besetzung
überzeugen durch die Bank, ganz besonderes Lob gebührt Scout
Taylor-Compton.
Rob Zombie baut "Halloween II"
nicht unbedingt auf Spannung auf, auch die Morde sind sehr
unterschiedlich in Szene gesetzt. Teils gibt es deftige
Metzeleinlagen aufs Auge, an anderer Stelle wird nur ein wenig
gewürgt. Es gelingt Zombie allerdings immer den richtigen Ton zu
treffen, die Untaten auf den Punkt genau zu inszenieren. Die Träume
und Visionen, in denen Deborah Myers erscheint, werden ganz sicher
nicht jeden Zuschauer ansprechen. Ich halte diese Szenen für sehr
gelungen, sie unterstreichen eindrucksvoll die Eigenständigkeit des
Streifens. Der Film hat eine rohe Atmosphäre, die gelungen zwischen
grausiger Kälte und heißkalten, sleazigen Momenten pendelt. Als
Beispiel sei die Szene in der schmierigen Bar genannt, zu der sich
Michael Zutritt verschafft, während der Boss gerade eine
Angestellte nagelt. Wie man es von Filmen des Rob Zombie kennt, ist
die Sprache überwiegend von derber Natur, in dieser Hinsicht
empfindliche Zeitgenossen werden rote Ohren bekommen.
Mit
"Haus der 1000 Leichen" (2003) und "The Devil's
Rejects" (2005), lieferte Rob Zombie zwei herb-lustige, zur
Hysterie neigende Schlachtplatten ab. Zwar rissen mich beide Filme
nicht vom Hocker, doch sie sorgten dafür, dass ich den Werdegang
des Burschen weiter beobachtete. Mit seiner Version von "Halloween"
(2007) begab sich Herr Zombie auf dünnes Eis, doch zu meiner
Überraschung brach er nicht in dieses ein. Sein zweiter Aufguss des
Michael Myers Universums, spaltet die Fangemeinde offenbar sehr
stark. Man liest üble Verrisse, aber auch großes Lob. Mir
bereitete der Film, das gebe ich gern zu, auch gewisse
Kopfschmerzen, doch letztlich hat mich das Ergebnis überzeugt. Mit
"Halloween II" hat Rob Zombie seinen bisher
ambitioniertesten, intensivsten und vor allem mutigsten Film an den
Start gebracht. Die früheren Halloween Filme sind für mich
Heiligtümer. Zombie fügt der Reihe ganz neue Facetten hinzu, doch
er entwürdigt sie nicht, beschmutzt sie nicht durch Unkenntnis.
Zombies "Halloween II" ist wohl der Film aus dieser
herrlichen Reihe, der sich am deutlichsten von Horror-Mainstream
abhebt. So gefällt dann selbst einem konservativen Slasher-Spießer
wie mir, das blutige Mahl des Grauens, welches wie der Faustschlag
eines Giganten durch meine verfaulten Innereien wühlt.
Die
deutschen DVD-/BD-Veröffentlichungen sind mit Vorsicht zu genießen.
Zwar werden die Scheiben als "Director's Cut" vermarktet,
tatsächlich sind sie aber einer Zensur unterzogen worden. In
Österreich wurde die ungekürzte Fassung veröffentlicht,
allerdings wird das Set zu Bordellpreisen gehandelt. Da mir die
deutsche Synchronisation in diesem Fall nicht sonderlich wichtig
war, habe ich mich für die Blu-ray aus den USA entschieden. Diese
bietet tatsächlich den "Unrated Director's Cut" an,
abgerundet durch eine Prise Bonusmaterial. Eine sehr anständige
Veröffentlichung, die BD überzeugt mit einer perfekten
Bildqualität, glücklicherweise hat man das Material nicht durch
den Filterwolf gedreht. Da die Scheibe keine
Regionalcodebeschränkung aufweist, steht dem Kauf nichts im Wege.
Achtung: Die britische Auswertung enthält nur die Kinofassung, die
kanadische zwar den DC, doch sie ist nicht codefree!
Mich hat
Rob Zombie mit diesem Film endgültig als Sympathisant gewonnen. Gut
bis sehr gut = 7,5/10 (Tendenz zu 8/10)
Lieblingszitat:
"Now Blondie and jack-o'-lantern both have three holes."
"Now Blondie and jack-o'-lantern both have three holes."
- Blap -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.