DAS GRAUEN KOMMT NACHTS
("Delirio Caldo", Italien 1972) R: Renato Polselli
Dr. Herbert Lyutak (Mickey Hargitay) berät
die Polizei seit einiger Zeit bei deren Ermittlungen. Momentan
erschüttert eine grässliche Mordserie an jungen Frauen die
Region. Sogar Lyutak selbst gerät in Verdacht, da ihn ein Zeuge
mit einem Mädchen sieht, kurz bevor diese den Löffel für
immer reicht. Tatsächlich hat der gute Herbert ein Problem, er
ist impotent und ein zu allem Überfluss auch noch ein
Sexualmörder. Seine Gattin Marcia (Rita Calderoni) kommt ihm auf
die Schliche, doch da sie ihn abgöttisch liebt, beschließt
sie seine Taten zu decken. Der freiwillig arbeitende Parkwächter
eines Nachtclubs (Stellenbeschreibung aus dem Film) schnüffelt
Lyutak hinterher, denn auch er steht im Verdacht der Killer zu sein,
was man als anständiger und freiwillig arbeitender Parkwächter
natürlich nicht auf sich sitzen lassen kann. Weitere Morde
geschehen, doch an diesen scheint der impotente Irre
(Selbsteinschätzung Herberts) nicht beteiligt zu sein...
Unglaublich,
unfassbar, unbeschreiblich! Es entzieht sich meiner Kenntnis, welche
Stoffe sich Regisseur Renato Polselli und die anderen
Verantwortlichen durch sämtliche Körperöffnungen
gezogen haben, aber dieser Film sprengt mir die Positronik aus dem
Schädel! Als Freund des schlechten Geschmack und absonderlicher
Filme bekommt man im Laufe der Jahre einiges zu sehen, aber "Das
Grauen kommt nachts" nimmt eine Sonderstellung ein. Den
Darstellern entgleisen beständig die Gesichtszüge, wenn
Mickey Hargitay vor dem Spiegel steht und "Hyäne, Hyäne"
schreit, verschlägt es selbst dem gestandenen Trash-O-Logen die
Sprache. Besondere Erwähnung verdient auch seine Filmgattin,
gespielt von Rita Calderoni, die aus der Wäsche glotzt als hätte
sie Tonnen weißen Pulvers aufgesogen. Es soll nicht
unterschlagen werden, dass die Dame eine eigenwillige Schönheit
ausstrahlt, die den Wahn trefflich untermauert. Dann wäre da
noch der Typ namens Kartoffel, der dem kranken Doc nachstellt. Die
Dialoge kommen in der deutschen Synchronisation erst so richtig zur
Geltung. Man könnte hier Seiten mit unvorstellbaren Auswüchsen
füllen, doch ich will nicht zu viel verraten und empfehle den
mutigen Selbstversuch. Besonders Herbert rockt immer wieder das Haus,
wenn er bedeutungsschwanger seine Weisheiten zum Besten gibt.
Herrlich auch die Szenen mit Marcia. Sie hebt den Telefonhörer
mit einem panischen "Bitte?" ab, das muss man einfach
gesehen haben, es ist nicht mit Worten zu erfassen. Noch besser der
Moment, in dem im Lyutak Anwesen plötzlich das Licht ausgeht.
"Wer sind Sie?", "Wer schreit da"? "Wer ist
es, ich sterbe!", Marcia und eine Verwandte wälzen sich
grundlos auf dem Boden, plötzlich entdecken sie einen
Cassettenrecorder. All diese Knüller kann man im ersten Moment
kaum erfassen. Als ich ca. zwei Stunden nach dem Genuss im Bett lag,
überkamen mich noch immer Lachanfälle, mein armes
Zwerchfell...
Was den Film zu einem bewusstseinserweiternden
Erlebnis der ganz besonderen Art macht, ist die völlige
Abwesenheit jeglicher Selbstironie. Alles ist offensichtlich völlig
ernst gemeint, mit entsprechender Konsequenz und ohne Gnade
vorgetragen. So grandios und auf ganzer Linie ist noch kein Film
gescheitert! "Delirio Caldo" ist ein einzigartiger Giallo,
gleichzeitig Schandfleck und mutiertes Juwel des Genres. Mir liegt
die US-Scheibe von Blue Underground vor, die den Titel "Delirium"
trägt. Erfreulicherweise hat man mir als Ergänzung eine
gebastelte Version mit der deutschen Synchronisation überlassen.
An dieser Stelle mein Dank an den edlen Spender! Ich finde keine
Worte, die dem Streifen in irgendeiner Form angemessen wären.
Man muss diesen Film gesehen haben um das Nirwana zu erreichen, denn
Doktor Herbert Lyutak hat immer das Verbrechen bekämpft!
Die
übliche Punktewertung entfällt. Wie soll man dieses Treiben
mit Zahlen erfassen? 11/10 auf der nach oben offenen Skala des
Wahnsinns?¿
Lieblingszitat:
"Aber ich habe einen instinktiven Verdacht metaphysischen Charakters."
...einer geht noch rein:
"Ich bin´s, der Kartoffel."
"Aber ich habe einen instinktiven Verdacht metaphysischen Charakters."
...einer geht noch rein:
"Ich bin´s, der Kartoffel."
- Blap -
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