THE GOOD, THE BAD, THE WEIRD
("Joheunnom nabbeunnom isanghannom",Südkorea 2008) R: Kim Ji-woon
Ende der 30er Jahre: Ein Auftragskiller (Lee Byeong-heon), ein Zugräuber
(Song Kang-ho) und ein Kopfgeldjäger (Jeong Woo-seong) jagen in
den Weiten der Mandschurei einer vermeintlichen Schatzkarte
hinterher. Verfolgt werden sie bei diesem Unterfangen von
Opiumhändlern, Industriellen, Dieben und Verrätern, der
japanischen Armee und einer Legion weiterer Interessenten.
Viel Gutes hat man im Vorfeld über TGTBTW gehört – auf dem
Fantasy Filmfest räumte er ab und die Asien-Filmfans sind alle
aus dem Häuschen. Aber nicht nur die reichlichen
Vorschußlorbeeren, allein schon der Titel und die Prämisse
steigerten die Erwartungshaltung ins Unermessliche: eine koreanische
Hommage an Sergio Leone und den Italowestern will Regisseur Kim
Ji-woon (A TALE OF TWO SISTERS, A BITTERSWEET LIFE) hier fabriziert
haben. Das sind hehre Ansprüche, und das kritische Auge schaut
umso strenger auf das Ergebnis.
Beginnen wir mit dem
Positiven: Der Film ist von der ersten bis zur letzten Sekunde eine
visuelle Orgie. Die Bilder sind berauschend, die Kameraführung
schlichtweg genial, die Farben grell und bunt, die Ausleuchtung
kunstvoll. Auch die üppige Ausstattung, die Kostüme und die
Kulissen sind eine Wucht, man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr
heraus. Vor lauter "Ohs!" und "Ahs!" bemerkt man anfangs auch
kaum, daß da irgendwas fehlt.
Es wird im Dauerfeuer geklotzt, nie gekleckert. Action satt, Action nonstop, Action, Action und nochmals Action! Pausenlos wird geschossen, in die Luft geflogen, explodiert – Züge entgleisen, Motorräder überschlagen sich, Menschen trotzen der Schwerkraft, Kugelhagel, Bombenteppich, Messertanz! Die ganze Mandschurei wird aus den Angeln gehoben. "Bullet Ballet" ist das falsche Wort, hier werden noch zwei, drei Kellen draufgeschüttet, noch ein paar Scheite unter den Kessel gelegt. Auch an Blut, krachenden Knochen und einigen wohlfeilen Sadismen wird nicht gespart – die Freigabe Ab 16 muss ein Scherz sein. Zwischendurch trumpft man mit unglaublichen Massenszenen auf, die bei den Regieassistenten für Nervenzusammenbrüche gesorgt haben müssen: Alle gegen alle, zu Pferde, zu Fuß, auf dem Lande und in der Luft. Jeden Moment erwartet man, daß ein Ozeandampfer einfach aus dem Himmel fällt um den Irrsinn perfekt zu machen. Oder daß Godzilla auftaucht.
Das macht natürlich alles mächtig Spaß, das ist Achterbahn und Autoscooter in Unisono. Alles geht so rasant schnell, alles fetzt und kracht derart bombastisch, daß man gar nicht ins Nachdenken kommt...
Es wird im Dauerfeuer geklotzt, nie gekleckert. Action satt, Action nonstop, Action, Action und nochmals Action! Pausenlos wird geschossen, in die Luft geflogen, explodiert – Züge entgleisen, Motorräder überschlagen sich, Menschen trotzen der Schwerkraft, Kugelhagel, Bombenteppich, Messertanz! Die ganze Mandschurei wird aus den Angeln gehoben. "Bullet Ballet" ist das falsche Wort, hier werden noch zwei, drei Kellen draufgeschüttet, noch ein paar Scheite unter den Kessel gelegt. Auch an Blut, krachenden Knochen und einigen wohlfeilen Sadismen wird nicht gespart – die Freigabe Ab 16 muss ein Scherz sein. Zwischendurch trumpft man mit unglaublichen Massenszenen auf, die bei den Regieassistenten für Nervenzusammenbrüche gesorgt haben müssen: Alle gegen alle, zu Pferde, zu Fuß, auf dem Lande und in der Luft. Jeden Moment erwartet man, daß ein Ozeandampfer einfach aus dem Himmel fällt um den Irrsinn perfekt zu machen. Oder daß Godzilla auftaucht.
Das macht natürlich alles mächtig Spaß, das ist Achterbahn und Autoscooter in Unisono. Alles geht so rasant schnell, alles fetzt und kracht derart bombastisch, daß man gar nicht ins Nachdenken kommt...
...und das ist freilich auch gut so (und
möglicherweise so gewollt). Denn wenn man sich den ganzen
optischen Firlefanz, den Bombast, die Knallerei – also 99% des
Films – mal einfach wegdenkt, wenn man zurück zur Substanz,
zur Basis, vorzudringen versucht – bleibt nicht viel übrig.
Lange bevor die Kameras rollen, bevor die Scheinwerfer leuchten und
die Special Effects gezündet werden, steht lediglich das
geschriebene Wort auf nacktem Papier. Das Drehbuch. Und davon merkt
man bei TGTBTW nicht allzu viel. Selten war der Ausdruck "Style
over Substance" zutreffender, als hier.
Das Debakel beginnt
bei den Charakteren, die ganz einfach keine sind. Wir haben es mit
Comicfiguren zu tun, mit Gestalten, die sich darin erschöpfen so
und so auszusehen und so und so zu chargieren. Der eine ist cool, der
andere trottelig und lustig (je nach Humorverständnis), der
andere böse. An keiner Stelle wird diese enge Gussform
aufgebrochen, niemals verlässt eine der Figuren das steife
Korsett, worin das Skript sie gezwungen hat. Lee Byeong-heon (A
BITTERSWEET LIFE) gibt den "Bad Guy", komplett mit schwarzem
Anzug und Lederhandschuhen, Narben im (hübschen) Fressbrett und
Manga-artiger Haarschüppe, die sehr publikumswirksam ständig
die rechte Gesichtshälfte bedeckt. Seine Mimik erschöpft
sich darin, sehr eeeeeevil von unten nach oben zu gucken. Song
Kang-ho (aus dem herausragenden THE HOST, einem der allerbesten Filme
aus Südkorea) spielt natürlich den "Weird Guy", dem die
Klamaukkasper-Rolle auf den Leib geschrieben wurde – das ist
zeitweise schon hart zu goutieren, denn hier bricht häufig der
typisch infantile asiatische Humor durch, der gewiss nicht Jedermanns
Fall ist. Dennoch bestreitet er seine Aufgabe noch am besten, weil er
einfach ein guter Schauspieler ist. Jeong Woo-seong (MUSA – DER
KRIEGER) ist für die Schublade des "Guten" zuständig
und bleibt dabei farblos bis zur Gleichgültigkeit. Er vertritt
auch am offensichtlichsten das Rollenmuster des "Cowboys",
komplett mit Hut & Pferd, Staubmantel und Scharfschützengewehr.
Drüber hinaus wird ein gigantisches Heer an Nebenrollen und
Statisten aufgefahren, die auftauchen und untergehen, erscheinen und
wieder verschwinden, pittoresk durch die Gegend fliegen und sterben –
keiner von ihnen erzeugt irgendeinen Nachhall.
Woran der Film
aber komplett scheitert, ist sein Ruf, der ihm vorauseilt und dem
Anstrich, den Regisseur Ji-woon ihm offenbar geben wollte. Von einer
ernstzunehmenden Verbeugung vor Sergio Leone ist nicht viel zu
spüren, sieht man mal von der offensichtlichen (und sehr
bemühten) Figurenkonstellation und dem Titel ab. Denn restlos
alles, was Leones Filme auszeichnet, glänzt hier mit
Abwesenheit. Es sind doch die großen Momente, die
unvergesslichen Dialoge und die originellen Einfälle, die einen
Western von Meister Leone so großartig machen. Eben Dinge, die
bereits auf dem Papier standen, bevor auch nur ein Meter Zelluloid
verballert wurde.
Was nun die viel beklatschte "Hommage
an den Italowestern" angeht, so wird deutlich, daß Kim
Ji-woon offenbar nicht allzu viele Spaghettiwestern gesehen hat.
Sonst hätte er wohl nicht jede Gelegenheit, die sich für
ein Zitat böte, sattsam vergeigt. Immer wieder während
seiner stolzen 125 Minuten Laufzeit liefert der Film Situationen auf
dem Silbertablett, die einfach nicht wahrgenommen oder verschenkt
werden. Diese Unfähigkeit, den Kodex des Genres zu lesen und
anzuwenden, kulminiert schließlich im finalen Dreier-Duell, das
in seiner Belanglosigkeit beispiellos ist. Die "Innovation"
erschöpft sich in einem blutigen Kugelhagel, der den Zuschauer
nach dem vorausgegangenen pausenlosen Bleigewitter vollkommen
unberührt lässt. Lediglich der Schlussgag – die
Auflösung, worum es sich bei dem "Schatz" tatsächlich
handelt – entlockt einen müden Lacher und verdient einen
Pluspunkt.
Ach ja... natürlich wurde auch wieder die
inflationär verwendete Formel "tarantinoesk" zur
Beschreibung des Films bemüht. Da warten wir doch lieber mal ab,
was man zu sehen bekommt, wenn Quentin endlich seinen eigenen Western
dreht. Ich wage jetzt schon zu behaupten, es wird besser.
Fazit:
Popcornkino mit kinetischer Reizüberflutung par excellence. Hirn
ausschalten, Sinne aufsperren, bloß nicht nachdenken und ja
nicht an Sergio Leone denken – dann bereitet das Spektakel durchaus
ein Quäntchen Heidenspaß.
Zitat:
"Ich will wissen, ob es Gold oder Scheiße ist!"
"Ich will wissen, ob es Gold oder Scheiße ist!"
- Pelle -
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