DAS GESICHT IM DUNKELN
(„A doppia faccia“, Italien/Deutschland 1969) R: Riccardo Freda
John
Alexander (Klaus Kinski) ist mit der wohlhabenden Fabrikbesitzerin
Helen (Margaret Lee) verheiratet. Obwohl John seine Gattin liebt,
ist das Verhältnis zu ihr stark abgekühlt, mehr und mehr
distanziert. Während ihr Gatte eine Liebschaft mit seiner
Sekretärin unterhält, vergnügt sich Helen in einer lesbischen
Beziehung, die sie mit der attraktiven Liz (Annabella Incontrera)
auslebt. Als Helen die Villa der Eheleute verlässt, sie will für
unbestimmte Zeit Abstand gewinnen, kommt sie bei einem schrecklichen
Autounfall ums Leben. Da der Witwer mit der Situation überfordert
ist, übernimmt Helens Stiefvater (Sydney Chaplin) zunächst die
Firmenleitung. Nach seiner Rückkehr erfährt John, dass
offensichtlich polizeiliche Ermittlungen angestellt wurden, die man
aber inzwischen eingestellt hat. Hinter den trügerischen Kulissen,
haben sich die Behörden selbstverständlich nicht auf die faule
Haut gelegt. Denn als Erbe des erheblichen Vermögens der
Verstorbenen, besteht ein gewisser Verdacht gegen den nun
schwerreichen Hinterbliebenen. John trifft bei seiner Rückkehr in
die Villa, eine junge Dame unter der Dusche an. Im Schlepptau von
Christine (Christiane Krüger), findet sich John plötzlich im
Hinterzimmer einer wüsten Party wieder, in dem man kleine, schäbige
Erotikfilmchen vorführt. In einem dieser Machwerke, glaubt er seine
angeblich verstorbene Frau zu erkennen, was ihn zu weiteren
Nachforschungen antreibt. Ein nicht ungefährliches Unterfangen, wie
John bald am eigenen Leibe zu spüren bekommt...
Nach
"Der Mann mit dem Glasauge", der 28. von Rialto
produzierten Edgar Wallace Verfilmung, ging der bewährte Regisseur
Alfred Vohrer von Bord. Mit ihm verließen viele langjährige
Mitarbeiter die Produktion, die der Reihe seit Jahren ein
eigenständiges Gesicht verliehen hatten. Für "Das Gesicht im
Dunkeln" baute man auf die Zusammenarbeit mit italienischen
Produzenten, wodurch sich der Film deutlich von den zuvor
entstandenen Wallace Werken abhebt. Für die Regie zeichnet Riccardo
Freda verantwortlich, der zwar nicht zu den bekanntesten Vertretern
seiner Zunft zählt, aber jedem Fan des italienischen Genrekinos ein
Begriff sein dürfte. Fredas Inszenierung unterscheidet sich auf den
ersten Blick, deutlich von den nebelverhangenen Filmen der
Schwarzweiß-Ära, hat aber mit dem irrwitzigen Popanz der späten
Vohrer-Phase ebenso wenig gemein. Die Kamera schwelgt in
wundervollen, stilvollen Kulissen, geradezu hippieske Momente,
bilden einen unerwartet harschen Kontrast dazu, nackte Tatsachen
werden hier erst gar nicht verschämt durch Albernheiten kaschiert.
Doch auch "klassische Wallace Momente" werden geboten. Man
beachte die Szenen, in denen der rastlose Kinski durch nächtliche
Gassen schleicht, verfolgt von einer merkwürdigen Gestalt,
unterlegt mit einer unheimlichen Geräuschkulisse. Einen Dämpfer
erhält der Film durch den teils holprigen Schnitt. Die deutsche
Version wurde um einige Minuten erleichtert, was dem Gesamtbild
leider nicht unbedingt zuträglich ist. Mir liegt zusätzlich eine
längere Fassung vor, die in der Tat besser funktioniert. Eine
weitere Fußangel sind die "Unfallszenen", bei denen
Modelle zum Einsatz kommen. Diese (sehr kurzen) Szenen, sind
handwerklicher Murks ersten Grades. Nun liebe ich Modelle in Filmen
bekanntlich sehr, die hier gezeigten Momente finde ich durchaus
liebenswert, regelrecht knuffig (jaja, mein Lieblingswort), doch sie
sind schlicht und ergreifend deplaziert. Es handelt sich nur um
wenige Sekunden, auf die man damals besser verzichtet hätte. Dem
Verständnis der Vorgänge wäre es nicht abträglich gewesen, denn
dieses ergibt sich aus dem weiteren Verlauf. Für mich ist dieser
knuffige (!) Mumpitz kein relevanter Kritikpunkt. Ich buche den
offenkundig aufblitzenden Dilettantismus, unter der Rubrik
"charmante Ausfälle" ab. Der unrunde Schnitt wiegt ohne
Zweifel schwerer, beschädigt den Film nachhaltiger.
Klaus
Kinski war zuvor stets in (mehr oder weniger) verschrobenen
Nebenrollen zu sehen. Eine Ausnahme bildet der 1967 von Alfred
Vohrer inszenierte Film "Die blaue Hand". Doch erst "Das
Gesicht im Dunkeln", macht Kinski zum unbestrittenen
Platzhirsch, der den Großteil des Werkes auf seinen Schultern
trägt. Wie er dieses Werk dann trägt, ist in der Tat aller Ehren
wert. Diesmal erwartet uns kein völlig irrer, grotesker Charakter,
dem von einem ausufernd chargierenden Kinski Leben eingehämmert
wird. Nein, wir bekommen einen verzweifelten, einsamen, trauernden
und rastlosen Mann zu Gesicht. Klaus Kinski versteht es auf andere
Weise, seiner Rolle Tiefe, echten Charakter zu verleihen. Er gibt
sich gegenüber Dritten distanziert, wahlweise auch schroff und
unnachgiebig. Doch wo er in seinen Nebenrollen zur Hysterie neigte,
triumphiert nun eine heißkalte Präsenz, die mich nachhaltig
beeindruckt hat. Es wundert daher kaum, dass sämtliche
Nebendarsteller, letztlich lediglich wie Stichwortgeber und
Füllmaterial anmuten. Doch dieses "Füllmaterial" hat
Klasse, allein die Riege schöner Frauen sorgt für freudige
Erregung. Zunächst begegnen wir der herrlich unterkühlt
aufspielenden Margaret Lee, die später auch in "Das Schloss
der blauen Vögel" (La bestia uccide a sangue freddo, 1971),
zusammen mit Kinski vor der Kamera stand. Die kaum minder anmutige
Annabella Incontrera, ist als lesbische Nebenbuhlerin zu sehen. Die
Dame kennt man aus diversen Gialli, die sich durchaus zum
erweiterten Kreis der Genre-Prunkstücke zählen dürfen: "Das
Geheimnis der blutigen Lilie" (Perché quelle strane gocce di
sangue sul corpo di Jennifer?), sowie "Der schwarze Leib der
Tarantel" (La tarantola dal ventre nero), seien als Beispiele
angeführt. Barbara Nelli, in der Rolle der liebesbedürftigen
Sekretärin, soll an dieser Stelle nicht unterschlagen werden. Ein
Streitpunkt ist die Leistung von Christiane Krüger, an deren
Darbietung sich die Gemüter spalten. Mir gefällt sie als leicht
nuttiges Hippie-/Pippi-Mädchen, ihre laxe, teils rotzlöfflige Art,
passt meiner Meinung nach unbedingt zur Rolle. Die Herren in den
Nebenrollen, haben gegen einen fantastischen Kinski, ergänzt durch
eine Handvoll schöner Frauen, wahrlich keinen leichten Stand.
Sydney Chaplin kann als berechnender Stiefvater trotzdem Punkte
sammeln. Als Ermittler bietet man uns Luciano Spadoni und Günther
Stoll an, deren Rollen aber kaum Raum zur Entfaltung lassen.
Besonders der sympathische Günther Stoll, kommt hier fast überhaupt
nicht zum Zuge, bleibt beliebig austauschbar. Die unscheinbare
Anlage der Ermittlerrollen ist nicht negativ zu bewerten, denn der
Fokus liegt ganz klar auf dem Part von Klaus Kinski.
Betrachtet
man das Drehbuch nur durch die "Kriminalfilmbrille", geht
die Story als nicht sonderlich überraschend, vielleicht gar als
recht vorhersehbar durch. Doch einen Film wie "Das Gesicht im
Dunkeln", möchte ich auf keineswegs auf den Begriff "Krimi"
reduzieren, damit würde man dem Werk nicht gerecht. Freda gewährt
uns einen fiktiven(?) (aber ohne Frage intimen) Blick, hinter die
Kulissen der sogenannten Oberschicht. Mitten im üppigen Luxus tobt
der Verfall, wüten emotionale Kälte, enttäuschte Gefühle und
verletzte Eitelkeiten. Helden gibt es nicht, selbst der
sprichwörtliche Antiheld verharrt im Ansatz, wird in einem Inferno
aus Verzweiflung, Begehren und Intrigen aufgerieben. Über das
Spielfeld des Kriminalfilms hinaus, taucht der Zuschauer in die
schöne Scheinwelt der späten sechziger Jahre ein. Taumelt mit der
Hauptfigur durch pompöse Wohnräume, die längst ihrer Bedeutung
als "Lebensräume" beraubt wurden, versinkt im
Partyuntergrund drogengeschwängerter Halbwelten, ängstigt sich in
nächtlichen Gassen, fragwürdigen Absteigen. Für die musikalische
Untermalung sorgt der grandiose Score von Nora Orlandi, der zu den
schönsten Beiträgen der gesamten Wallace Reihe zählt. An dieser
Stelle wird es Zeit für den üblichen Hinweis, der wie immer den
offiziellen DVD-Veröffentlichungen gilt, die in keiner gut
sortieren Sammlung fehlen sollten. Es sei mir aber der Hinweis
gestattet, dass man auf der deutschen DVD lediglich die gekürzte
Fassung des Films vorfindet. Diese sollte man auch gesehen haben,
sie ist schließlich ein Stück einheimischer Kinogeschichte.
Trotzdem rate ich ausdrücklich auch zur Beschaffung der längeren
Variante, die in sich stimmiger und "runder" wirkt.
Die
"Edgar Wallace Edition 8" enthält ferner folgende
Titel:
Die insgesamt fünf DVDs kommen im üblichen Schuber daher. Das ebenso übliche und informative Booklet, ist selbstverständlich auch in der achten Box vorhanden.
- Der Mann mit dem Glasauge
- Die Tote aus der Themse
- Das Geheimnis der grünen Stecknadel
- Das Rätsel des silbernen Halbmonds
Die insgesamt fünf DVDs kommen im üblichen Schuber daher. Das ebenso übliche und informative Booklet, ist selbstverständlich auch in der achten Box vorhanden.
"Das Gesicht im Dunkeln" hat bis in die heutige
Zeit keinen leichten Stand. Dem Film war an den Kinokassen kein
Glück beschert, die Fangemeinde zeigt dem Streifen noch immer die
kalte Schulter. Aber es finden sich mehr und mehr positive Stimmen,
auch dieser weniger beachtete Film, hat längst seine Liebhaber und
Fürsprecher gefunden. Als "klassischer" Wallace mag das
Werk nicht funktionieren, doch auch als Giallo wird der Film nur am
Rande wahrgenommen. Während die beiden letzten Beiträge zur Reihe
(Das Geheimnis der grünen Stecknadel, Das Rätsel des silbernen
Halbmonds), längst als Klassiker des Genres gelten, besonders
"Stecknadel" lässt kaum einen Giallo-Verehrer kalt,
behandelt man "Gesicht" noch immer weniger liebevoll. Es
mag daran liegen, dass dem Film auch die "klassischen
Giallo-Elemente" (zumindest vordergründig) abgehen. So hat
Riccardo Freda einen Film gedreht, der sich zwischen alle Stühle zu
setzen scheint, sich darüber hinaus (und das ist der entscheidende
Punkt!) nur dem aufmerksamen Zuschauer öffnet. Lässt man sich
jedoch auf "Das Gesicht im Dunkeln" ein, wird man mit
einem intensiven Erlebnis belohnt.
Gern ziehe ich 7/10
(gut). Der Film hat mit starken Mitbewerbern zu kämpfen, die aber
"eigentlich" gar keine Konkurrenten sind... ...oder
doch...?
Lieblingszitat:
"Warum denn so eilig?"
"Warum denn so eilig?"
-Blap -
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