DER FLÜSTERNDE TOD
(„Albino“, Deutschland/Großbritannien/Rhodesien/Südafrika 1976) R: Jürgen Goslar
Große Gefühle, weites Land
Terrick (James Faulkner) beendet seine
Dienstzeit bei der Polizei, freut sich auf eine glückliche Zukunft
mit Sally (Sybil Danning). In letzter Zeit sorgen Ausbrüche von
Gewalt für Unruhe, Terrick warnt seinen Vorgesetzten Bill
(Christopher Lee) vor drohender Gefahr. Am Abend der Abschiedsfeier
passiert das Unfassbare, Sally wird vom irren Terroristen Albino
(Horst Frank) überfallen und bestialisch getötet. Rasend vor Hass
und Schmerz schwört Terrick Rache! Ohne Rückendeckung seitens
zuständiger Behörden und Gesetzeshüter, begibt er umgehend sich
auf die Fährte des Albinos …
Jürgen Goslar ist dem deutschen
Publikum vor allem als Regisseur (und Darsteller) diverser
TV-Produktionen bekannt, dazu gehören unverwüstliche Reihen wie z.
B. "Derrick" oder "Der Alte". Er war aber auch
als Produzent und Drehbuchautor aktiv, erledigte diese Aufgaben beim
hier kurz vorgestellten Film. Hier gelingt ihm als Regisseur und
Drehbuchautor die wunderbare Verschmelzung unterschiedlicher Genres,
munter bedient sich Goslar aus verschiedenen Schubladen, fügt
Fragmente zu einem durchweg stimmungsvollen Werk zusammen. Zu Beginn
gibt es zwischen Faulkner und Danning romantische Momente, teils
nahezu in Gefilde à la Rosamunde Pilcher führend. Doch schon
während dieser Phase sind brodelnde Zwischentöne auszumachen, bis
die Romanze abrupt per roher Gewalt beendet wird. Nun folgt eine Hatz
inklusive Mord und Totschlag, mehrfach von kerniger Gangart, dennoch
lässt sich Goslar nie zu extrem ruppigen Details hinreißen. Neben
Liebe und Rache ist Loyalität ein Thema, während die politischen
Aspekte im Pulverfass südliches Afrika lediglich als Aufhänger
dienen, nicht genauer umrissen unter der Lupe des Betrachters landen.
Erstaunlich nüchtern (gleichwohl betörend) fängt die Kamera das
Geschehen inmitten prächtiger Landschaften ein. Weder Regie und noch
Kamera erliegen der Versuchung sich lustvoll in Schönheit zu aalen,
in diesem Rausch den roten Faden zu verlieren. Kameramann Wolfgang
Treu lässt dem Umfeld genug Raum um den Zuschauer zu faszinieren,
degradiert aber Handlung und Akteure nie zur Nebensache. Treu
bezeichnet seinen Stil als "eine Art poetischen Realismus",
treffender kann man es wohl nicht ausdrücken (zu finden im
Bonusbereich der Veröffentlichung von Koch Media).
Regie und Kamera großartig, wie ist es
um die Herrschaften vor der Kamera bestellt? James Faulkner mag
zunächst etwas unscheinbar anmuten, erweist sich mit
fortschreitender Spieldauer jedoch als Glücksgriff. Terrick ist kein
unverwundbarer Rächer aus einem Comicstrip, Faulkner zeichnet
überzeugend einen verzweifelten Menschen, der sich nur noch aus
einem Grund aus den Trümmern seines zerstörten Lebens erhebt, er
will Vergeltung, egal um welchen Preis, er hat nichts mehr zu
verlieren. Antagonist Horst Frank kommt mit vergleichsweise wenig
Spieldauer aus, bleibt allerdings dauerhaft in Erinnerung. Monströs,
animalisch, fanatisch, obendrein kann die Arbeit von Makeup Artist
Colin Arthur nur als grandios bezeichnet werden. Christopher Lee
agiert als lokaler Polizeichef zurückhaltend, dem aufmerksamen
Zuschauer werden kleine Spitzen sicher nicht entgehen. Sybil Danning
erfreut in der frühen Phase unsere Augen, Trevor Howard sehen wir
als ihren gebrochenen Vater. Erstaunlich wandlungsfähig Erik
Schumann, seine Darstellung des harten Offiziers ist ein Hochgenuss!
Sascha Hehn, damals noch ein ganz junger Bursche, kommt in seiner
Nebenrolle als Freund des Hauptcharakters angenehm unschleimig daher.
Weitere Nebenrollen wurden mit schwarzen Darstellern besetzt, teils
als Begleiter Terricks, teils als Sympathisanten des irren
Aufwieglers Albino.
"Der flüsternde Tod" ist ein
fast vergessenes Kleinod! Vielleicht mag der Plot nichts
bahnbrechendes bieten, doch phantastisches Umfeld, wundervolle
Kamera, motiviert aufspielendes Ensemble, platziert einem Gerüst aus
zuverlässigem Handwerk, machen den Streifen zu einem herrlichen und
unvergesslichen Filmerlebnis! Bei aller Begeisterung für Regie,
Kamera und Ensemble, soll der sehr eingängige und angenehme Score
von Erich Ferstl nicht unterschlagen werden.
Großes Lob für die DVD aus dem Hause
Koch Media! Der Film liegt in sehr ansprechender Verfassung vor,
schöne Farben und angenehme Schärfe, Laufstreifen und Kratzer
sorgen für "echtes Filmfeeling", fernab zu Tode
gefilterter Sterilitäten. Offensichtlich blieb der Filterwolf im
Zwinger, vielen Dank dafür! Eine zweite DVD liegt bei, dort finden
wir aktuelle Interviews mit Jürgen Goslar (rund 40 Minuten),
Kameramann Wolfgang Treu (rund 28 Minuten), zusätzlich ältere
Ausführungen von Erik Schumann (rund 14 Minuten). Anschauen, es
lohnt sich! Ich möchte daher auch die Veröffentlichung von Koch als
Kleinod bezeichnen, ganz klarer Kaufzwang!
Dicke 8/10 (sehr gut) für den Film!
Höchstnote für den Repertoirewert der DVD, sicher eine der
wichtigsten Veröffentlichungen der letzten Jahre!
Lieblingszitat:
"Ich will den Albino!"
Blap
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.