ENDGAME
(„Endgame - Bronx lotta finale“, Italien 1983) R: Joe D‘Amato
Lederschlampe Al macht uns den Hengst
Nach dem Atomkrieg liegt die Menschheit
endgültig am Boden, die Überlebenden werden mit Brot und Spielen
bei Laune gehalten. Die herrschenden Militärschädel fürchten sich
vor begabten Mutanten, denen sie mit unbarmherziger Härte und roher
Gewalt begegnen, ständige Säuberungsaktionen sind brutaler Alltag
in der trostlosen Welt von Morgen. Ron Shannon (Al Cliver) verdient
seine Brötchen als Gladiator, seit einiger Zeit gilt er als der
beste Vertreter seiner Zunft. Wieder steht ein Kampf auf Leben und
Tod an, plötzlich tritt die Mutantin Lilith (Laura Gemser) in
Shannons Leben, bittet den Fighter um Hilfe. Ron soll Lilith und
einige andere Personen aus der Stadt schaffen, innerhalb weniger Tage
muss ein Treffpunkt weit außerhalb erreicht werden, 50 kg Gold
Belohnung winken. Zunächst muss unser Held seine Gegenspieler
ausschalten, dem besiegten Kurt Karnak (George Eastman) gewährt er
Gnade, Karnak schließt sich Shannon an. Eilig wird ein
schlagkräftiges Team zusammengestellt, der Weg zum vorgegebenen
Treffpunkt entpuppt sich dennoch als lebensgefährlich. Überall
lauern mordlüsterne Unholde, zu allem Überfluss hat sich Ron mit
dem fanatischen Colonel Morgan (Gordon Mitchell) angelegt…
Endzeitfilme aus Italien entstanden vor
allem in der ersten Hälfte der achtziger Jahre, der große Erfolg
der australischen Produktion "Mad Max" (1979) löste eine
regelrechte Welle aus. Namhafte Genre-Regisseure wie z. B. Ruggero
Deodato, Sergio Martino und Enzo G. Castellari fügten der Spielart
Werke zu. Auch der von mir sehr geschätzte Schmuddelfilmer Joe
D'Amato ließ sich nicht lumpen. Neben "Endgame - Das letzte
Spiel mit dem Tod" verdankt das Genre ihm ferner den
unterhaltsamen "2020 – Texas Gladiators" (Anno 2020 - I
gladiatori del futuro, 1982).
"Endgame" bietet dem
Endzeit-Fan knapp 93 Minuten Vollbedienung, gehört meiner Meinung
nach zu den stärksten Vertretern seiner Zunft. D'Amatos
ausgezeichnetes Gespür für Atmosphäre kommt prächtig zur
Entfaltung, zunächst wird in einer düsteren Trümmerstadt
gemeuchelt, später führt uns die Sause durch triste Landschaften,
in denen unter jedem Stein ein widerlicher Mistkäfer hervorkriecht.
Die deutsche Synchronisation passt prima zur Gangart, pendelt munter
zwischen ruppig und flapsig umher. Lustige Gestalten taumeln geifernd
durch das Szenario, irgendwas ist immer los, Hänger sind nicht
auszumachen. Waffen jeglicher Art kommen zum Einsatz, es wird
geballert, geschnitten und geprügelt, jeder Beteiligte tötet und
pöbelt so gut er kann. Naja, das ist nicht die ganze Wahrheit. Die
Mutanten um Lilith ticken anders, sie träumen den Traum von einer
Welt ohne Gewalt, möchte ihre Vision von Friede und Freude
verwirklichen. Fiesester Gegenspieler der friedlichen Damen und
Herren ist der kaltherzige Colonel Morgan, dessen Truppen in
faschistoide Uniformen gekleidet sind, gewisse Seitenscheitelträger
hätten sicher viel Freude an der schiesswütigen Schutzstaffel des
sadistischen Offiziers.
Mein eigener Freudentaumel nimmt kein
Ende, der Blick auf die Besetzungsliste treibt mir Freudentränen
über die entstellte Fratze (Freude, Freude, Freude. Ausgelöst durch
Endzeit. Was wird mein Psychologe dazu sagen?). Al Cliver haut sie
alle auf die Schnauze, Leder auf dem Leib, Herz am richtigen Fleck
(nein, nicht am rechten Fleck, dafür ist Herr Mitchell zuständig).
An Al Cliver kommt kein Verehrer des italienischen Genrekinos vorbei,
unverzichtbare Klassiker zieren die Filmographie des in Ägypten
geborenen Darstellers, diese beiden Werke von Lucio Fulci sprechen
Bände: " Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies" (Zombi
2, 1979), "Die Geisterstadt der Zombies" (…E tu vivrai
nel terrore! L'aldilà, 1981). Al bringt den kernigen Helden
erstklassig rüber, wer braucht schon "Mad Max", Ron
Shannon rockt das Gesindel weitaus lockerer in den verseuchten Staub.
George Eastman und Joe D'Amato arbeiteten häufig miteinander, es
würde den Rahmen sprengen die Zusammenkünfte der Herren Montefiori
und Massaccesi hier aufzulisten. Eastman fällt eine ambivalente
Rolle zu, stets bleibt er als Bedrohung präsent, lauert mit
stechendem Blick auf seine Chance, hin und wieder nimmt man ihm das
fleißige Helferlein ab. Laura Gemser wurde nicht zwecks Erotik
verpflichtet, lediglich in einer Szene gönnt uns Herr D'Amato einen
Blick auf die Auslage der schmalen Schönheit. Ich schrieb es schon
häufiger, Laura passt nicht wirklich in mein Beuteschema (dazu ist
sie nicht üppig genug. Fünf Euro ins Sexistenschwein), aber ich mag
sie gern, sehe sie gern, die Dame ist fraglos schön und sympathisch.
Wenn Laura Gemser am Start ist, darf in vielen Fällen ihr Ehegatte
Gabriele Tinti nicht fehlen, ihm bleibt immerhin eine kampfstarke
Nebenrolle im Heldenschatten des prächtigen Al Klitoris. Gordon
Mitchell ist auf Bösewichter abonniert, bei der Ekelfratze kein
Wunder. So steht im der perverse Oberfascho erwartungsgemäß bestens
zu Gesicht, Mitchell zieht ordentlich vom Leder. Charakterkopf und
omnipräsenter Nebenrollenbekleider Nello Pazzafini darf nicht
fehlen, damit genug zum Ensemble, Fans werden weitere Herrschaften
erkennen und zu schätzen wissen.
Keine Besserung nach dem Atomkrieg.
Fünfzig Jahre später drangsalieren skrupellose Machthaber die
Bevölkerung, Menschen mit besonderen Fähigkeiten werden als
Bedrohung wahrgenommen und ausgerottet. Die Fronten sind klar, auf
der einen Seite friedliche Übermenschen, auf der anderen Seite
ekelhafte Faschisten. Dazwischen unser Held Al Cliver und jede Menge
Gestalten jenseits von Gut und Böse. Knuffiger Humor bricht immer
wieder hervor, ich sage nur Werbung für "Energie Plus".
Während der Auftakt von seiner stimmungsvollen Finsternis lebt,
steuert der Film während der zweiten Hälfte in Richtung Action,
Herr D'Amato tritt das Gaspedal voll durch. Angenehmerweise verliert
das Treiben dabei nie die "postnukleare Atmosphäre" (oh
weh!) aus den Augen, ich bin begeistert! Am Score von Carlo Maria
Cordio gibt es nichts zu mecken, passende Synthie-Sounds aus den
frühen Achtzigern. Vergesst "Mad Max", vergesst "Running
Man"! Werft euch vor "Endgame - Das letzte Spiel mit dem
Tod" in den Staub!
CMV hat den Film im Rahmen der
wundervollen Trash Collection veröffentlicht, die mit diesem Beitrag
bereits bei Nr. 90 angekommen ist, Respekt! Die sehr
abwechslungsreiche Reihe bot bereits vor einiger Zeit zwei starke
Beiträge zum Thema Italo-Endzeit: "Fireflash - Der Tag nach dem
Ende" (2019: Dopo la caduta di New York, 1983) und "Metropolis
2000" (I nuovi barbari, 1982)! "Endgame - Das letzte Spiel
mit dem Tod" fügt der Trash Collection einen weiteren Höhepunkt
zu, vielen Dank dafür! Die DVD präsentiert den Film in ordentlicher
Qualität, das Bildformat 1,33:1 wirkt nicht beschnitten, vermutlich
handelt es sich um das Originalformat (eventuell Open Matte?).
Zusätzlich ist eine Bildergalerie an Bord, ergänzt durch diverse
Trailer. Wie üblich kommt die Scheibe in einer kleinen Hartbox ins
Haus, für diesen Titel stehen drei unterschiedliche Cover zur
Auswahl bereit (mir liegt das oben abgebildete Cover A vor).
Zunächst wollte ich 8/10 (sehr gut)
ziehen, doch ich muss noch ein halbes Pünktchen draufpacken! Dicke
8,5/10 (sehr gut bis überragend)!!!
Lieblingszitat:
"Tanken Sie Lebensfreude und Manneskraft durch Energie Plus!"
Blap
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.