DURST
("Bakjwi”, Südkorea 2009) R: Park Chan-wook
Der junge und engagierte Priester Sang-hyun (Song Kang-ho) hegt Zweifel
am Sinn seiner Aufgaben und stellt sich als freiwilliges Testobjekt
bei der Bekämpfung des tödlichen Emmanuel-Virus zur
Verfügung. Er infiziert sich mit der grässlichen Seuche und
stirbt an den Folgen der Krankheit – nur um wenige Sekunden später
auf wundersame Weise ins Leben zurückzukehren. Als einziger
Überlebender der Seuche wird er künftig als "bandagierter
Heiliger" von unheilbar Kranken verehrt. Kurze Zeit darauf stellt
er dramatische Veränderungen in seinem Verhalten fest: er
entwickelt ein krankhaftes Interesse an Blut, verfügt über
außergewöhnliche Körperkraft und beginnt unter
direkter Sonneneinstrahlung zu dampfen. Obendrein scheint er
plötzlich wundersame Heilkräfte zu besitzen. Zu den von ihm
eher unfreiwillig Geheilten zählt auch sein krebskranker
ehemaliger Schulkamerad Kang-woo (Shin Ha-kyun), zu dessen
zwangsverheirateter Ehefrau Tae-ju (Kim Ok-bin) sich Sang-hyun
hingezogen fühlt. Zwischen den beiden entbrennt eine
leidenschaftliche und zuweilen blutige Liebesaffäre, die vor dem
Rest der Familie geheim gehalten werden muss. Die Situation beginnt
zu eskalieren, als das Liebespaar den störenden Kang-woo
gemeinsam umbringt und Sang-hyun dem Drängen seiner Gespielin
nachgibt, sie ebenfalls zum Vampir zu machen. Der ehemalige Priester
merkt zu spät, dass er sich in einer Spirale befindet, die
unausweichlich in den Abgrund führt...
Dem koreanischen Ausnahmeregisseur Park Chan-wook (OLDBOY, I´M A
CYBORG BUT THAT`S OK) ist mit DURST eine absolut eigenständige
und ungewöhnliche Re-Vitalisierung des Vampirfilms gelungen, den
man nach den seichten Verkitschungen durch die unsägliche
TWILIGHT-Serie bereits in den letzten Zügen wähnte. Dabei
beschreitet der Film ähnliche (und ähnlich gute!) Pfade wie
der schwedische SO FINSTER DIE NACHT von Tomas Alfredson, obgleich
hier an die Stelle des ausgegrenzten Jugendlichen die unterdrückte
Ehefrau tritt. Park erzählt eine deliriöse und
bildgewaltige Geschichte von obsessiver Liebe, Gewissensqualen, dem
konsequenten Ausleben des freien Willens und den Triebkräften,
die das Böse und Abseitige des Menschen an die Oberfläche
spülen. Dabei setzt der Film weniger auf die verstörende
Wucht eines OLDBOY, sondern entspinnt seine Story mit schleichender
Sogkraft, die stets die perfekte Balance zwischen der Ernsthaftigkeit
eines reinrassigen Genrefilms und der brutalen Komik einer Groteske
hält. Das episodenhafte Drehbuch glänzt mit teilweise
herrlich überdrehten und absurden Situationen, sorgt ständig
für Überraschungen und geizt nicht mit Selbstironie. DURST
ist anders, so absolut anders, dass man garantiert nicht weiß,
was das Skript dem Zuschauer als nächstes vorsetzen wird. Ein
solcher Film kann wohl nur aus Korea, allenfalls noch aus Japan
kommen.
Dabei verzichtet die Narration auf überflüssiges
Beiwerk oder gar Erklärungsmodelle – wer haarkleine
Hintergrundinformationen und handfeste Logik verlangt, ist an der
falschen Adresse. Park verweigert dem Zuschauer konsequent eine
Begründung, wie und warum der Priester zum Blutsauger wird,
lässt die Herkunft des Virus und die wundersame Heilung im
Ungewissen, verzichtet auf Erläuterung der Fähigkeiten. Im
Mittelpunkt der Handlung stehen durchgehend die Charaktere und ihre
Entwicklung, die bizarre Liebesaffäre, die Wandlung der Figuren
und deren Innenleben. In den Vordergrund der Erzählung wird das
Leiden des Menschen gerückt, der zum Monster geworden ist und
mit seiner Einsamkeit und seinen Hoffnungen ringt. Dass der Film
dabei nie seinen absurden (und teilweise recht kranken) Humor
verliert, ist ein weiterer Pluspunkt. Die dezent eingestreuten Ekel-
und Blut-Schauwerte wirken in ihrer drastischen Unmittelbarkeit dabei
umso schockierender – gegen Ende steigert der Film sich in ein
Delirium des Blutes, aber die Sonne soll mich verbrutzeln, wenn ich
an dieser Stelle noch mehr verrate...
Auf technischer und formaler Ebene wird schiere Brillanz geboten. Die Kameraaufnahmen
sind virtuose Gemälde von suggestiver Kraft, ausgeführt mit
farbintensiven Pinselstrichen und exquisit komponiert. In visueller
Hinsicht erreicht DURST eine selten gesehene Meisterschaft – die
wundervollen und intensiven Bilder brennen sich nachhaltig ins
Gedächtnis.
Der häufige Einsatz von CGI-Technik wirkt sich dabei keinesfalls störend oder gar artifiziell aus, im Gegenteil, die Effekte dienen niemals dem Selbstzweck, sondern fügen sich geschmeidig in die Story ein. Auch die Musik ist fantastisch und verknüpft traditionelle asiatische Arrangements mit westlichen Themen.
Der häufige Einsatz von CGI-Technik wirkt sich dabei keinesfalls störend oder gar artifiziell aus, im Gegenteil, die Effekte dienen niemals dem Selbstzweck, sondern fügen sich geschmeidig in die Story ein. Auch die Musik ist fantastisch und verknüpft traditionelle asiatische Arrangements mit westlichen Themen.
Dass Song Kang-ho ein hervorragender und vor allem
außergewöhnlicher Schauspieler ist, stellte er bereits
hinlänglich in THE HOST und dem wunderbaren MEMORIES OF MURDER
unter Beweis. Das Glanzlicht von DURST ist jedoch die faszinierende
Kim Ok-bin (THE ACCIDENTAL GANGSTER AND THE MISTAKEN COURTESAN),
deren Metamorphose von der unterdrückten Ehegattin wider Willen
zur lasziven und blutrünstigen Vampirbraut sich mit derartiger
Intensität und Überzeugungskraft vollzieht, dass sämtliche
anderen Akteure dagegen verblassen. Wundervoll ist aber auch Hae-sook
Kim (EYE FOR AN EYE) als Tae-jus trinkfreudige und despotische
Schwiegermutter "Frau Ra", sowie Shin Ha-kyun, der den
hypochondrischen, verwöhnten Kang-woo gibt.
Ein charmant schräger, seltsamer und außergewöhnlicher Filmbeitrag
aus Südkorea, der auf erfrischende und unkonventionelle Weise
mit den Klischees des Vampir-Genres jongliert – und ein weiterer
Meilenstein im fulminanten Oevre des Park Chan-wook.
- Pelle -
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.