BARQUERO
(USA 1970) R: Gordon Douglas
Jacob Remy (Warren Oates) und
seine Bande überfallen eine Bank. Dabei geht das Gesindel extrem
rücksichtslos und brutal vor, die meisten Bewohner der kleinen
Ortschaft werden abgeknallt wie räudige Köter. Dieser
Raubzug soll der letzte von Remy und Konsorten sein, mit der
reichhaltigen Beute will man sich nach Mexiko absetzen. Dort soll
geteilt werden und jeder kann seines Weges gehen. Nicht weit von der
mexikanischen Grenze entfernt, betreibt der kantige Travis (Lee Van
Cleef) eine Fähre. In der näheren Umgebung gibt es keine
Alternative, will man mit schwerem "Gepäck" über
den Fluss kommen. Remy und sein Gefolge müssen auf ihrer Flucht
über den Fluss. Ergo trifft eine kleine Vorhut ein, schließlich
ist man auf die Fähre angewiesen, daher muss sie rechtzeitig
unter Kontrolle gebracht werden. Zwar können die Schergen den
Fährmann zunächst überwältigen, doch sie haben
nicht mit dessen Freund Mountain Phil (Forrest Tucker) gerechnet, der
alte Trapper setzt die Schurken außer Gefecht. Bevor Remy
anrückt, bringt Travis die Siedler der bei seiner Fähre
gelegenen Ortschaft über den Fluss in Sicherheit. Der
Oberschurke schäumt vor Wut, er kann und will nicht begreifen,
wie jemand die Frechheit besitzen kann ihm die Stirn zu bieten. Der
fiese Franzose Marquette (Kerwin Mathews) ist der wichtigste
Vertraute und "Berater" des cholerischen Banditen, doch
selbst seine Ratschläge verpuffen sang und klanglos. Remy hat
sich in seinen perfekten Plan verbissen, jede Änderung lehnt er
mit Nachdruck ab. Während Remy am Rande des Wahnsinns wandelt,
regt sich auf der "sicheren" Seite zaghafter Widerstand.
Ein selbsternannter Geistlicher fürchtet um sein Anwesen, er
will der Bande die Fähre überlassen. Der Nervenkrieg weitet
sich so auch auf die eigenen Reihen aus, wer wird am Ende den Kopf
über Wasser halten können...???
Als Regisseur Gordon Douglas 1970 "Barquero" inszenierte,
konnte er bereits auf eine lange Karriere zurückblicken. Mir ist
besonders der "Ameisen-Schocker" namens "Formicula"
(Them!, 1954) in bester Erinnerung geblieben, da ich Monsterfilme
sehr liebe und "Formicula" schon als kleiner Rotzlöffel
im Fernsehen sah. "Barquero" hat mir eine ähnliche
"Seherfahrung" beschert, ich kam 1980/81 in den Genuss
einer "Sicherheitskopie" auf VHS. Damals beeindruckte mich
der Streifen sehr, verehrte ich Lee Van Cleef doch wegen seiner
Auftritte in Sergio Leones Klassikern "Für ein paar Dollar
mehr" (Per qualche dollaro in più, 1965) und "Zwei
glorreiche Halunken" (Il buono, il brutto, il cattivo, 1966).
"Barquero" kommt als US-Western mit "Italo-Einflüssen"
daher. Fiesling Remy könnte durchaus einem Beitrag aus dem
Stiefelland entsprungen sein, der "Held" Travis ebenso, die
Boshaftigkeit mancher Szenen untermauert diese Einflüsse. Dem
entgegen steht allerdings die eindeutig amerikanische, eher
konservative Art der Inszenierung von Gordon Douglas. Grafische
Härten oder besonders kreative Kameraeinstellungen sucht man
hier vergeblich. Was den Film wirklich zu einer besonderen
Angelegenheit macht, ist weniger sein leichtes "US-Italo-Zwittertum",
viel mehr ist es die hier angenehm ausgewälzte, ein wenig
unübliche Thematik. Die gegnerischen Parteien beziehen ihren
Antrieb nicht aus Rachegelüsten -die wohl DAS Hauptmotiv vieler
Western sind- auch geht es nicht um zu kassierendes Kopfgeld. Zwei
unverbesserliche Sturköpfe beharren auf ihren Standpunkten,
koste es was es wolle. Im wahrsten Sinne des Wortes, spielt der Fluss
mittendrin die dritte Hauptrolle. Die Besetzung ist grössenteils
erstklassig gewählt. Lee Van Cleef gibt den gewohnt sperrigen
Charakter, ein Gesicht wie aus Stein gemeißelt, man möchte
auf die Knie fallen. Natürlich kommt er nicht strahlender Held
daher. Zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt des Films, offenbart er
gar einen recht widerlichen Charakterzug, bleibt dabei aber
selbstverständlich ruhig, tiefenentspannt. Warren Oates hingegen
darf richtig abgehen. Damit gleich jedermann weiß wo es lang
geht, lässt Douglas ihn eine Frau erschießen, mit der er
wenige Sekunden zuvor noch das warme Bett teilte. Im Fortgang der
Erzählung durchläuft Remy etliche Stimmungen, pfeift sich
eine Tüte durch die Lungen, "erschießt" den
Fluss, den verdammten Fluss! Bei den Nebendarstellern glänzt
Forrest Tucker, der einerseits den großväterlichen Trapper
mimt, dabei aber auch durchaus bizarre Angewohnheiten und bei Bedarf
seine ruppige Seite zeigt. Ein echter Naturbursche, das Herz am
rechten Fleck, durch die "Trapperbrille" betrachtet sicher
in keinster Weise bizarr oder unangemessen roh. Kerwin Mathews
überzeugt als aalglattes Helferlein von Oates, John Davis
Chandler passt durch seine widerliche Ausstrahlung, sowie sein
schleimiges Äußeres perfekt in die Rolle des kleinen
Gauners. Attraktive Damen sucht man hier leider vergeblich. Mir
gefallen Mariette Hartley und Marie Gomez überhaupt nicht, an
ihren schauspielerischen Darbietungen gibt es allerdings nicht zu
bemängeln (Ja, ich fieses Chauvischwein).
"Barquero" möchte ich sowohl Freunden des US- als auch des Italo-Western
empfehlen! Zwar hätte ich mir eine deutlichere
"Italo-Schlagseite" gewünscht, was bei einem Regisseur
wie Gordon Douglas aber kaum zu erwarten ist. Früher gehörte
der Film zu meinen absoluten Westernlieblingen, wohl zu meinen
persönlichen Top 20. Nun, seither sind viele Jahre ins Land
gezogen, doch enttäuscht hat mich "Barquero" auch anno
2010 keinesfalls. Für einen Platz auf dem Altar mag es nicht
mehr ganz reichen, für einen schönen Filmabend mit viel
Nostalgiefeeling aber auf jeden Fall! Koch Media hat "Barquero"
ungekürzt auf DVD veröffentlicht, endlich liegt der Film in
ungekürzter Form vor. Die Bildqualität ist überwiegend
sehr schön, das Cover nett, ein kleines Booklet liegt bei.
Insgesamt also eine runde Veröffentlichung, die man sich als
alter -und zukünftiger- Freund des Streifens gern in die
Sammlung stellt.
Gut bis sehr gut = 7,5/10 ("Persönlicher Nostalgiewert" = unbezahlbar, herrlich,
liebenswert!)
Lieblingszitat:
"Dieser verdammte Fährmann!"
"Dieser verdammte Fährmann!"
- Blap -
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