IM BANNE DES DR. MONSERRAT
(„The Sorcerers“, Großbritannien 1967) R: Michael Reeves
Omi auf Abwegen
Seine
Forschungen haben Professor Marcus Monserrat (Boris Karloff) wenig
Respekt eingebracht, auch finanziell zahlten sich die Arbeiten nicht
aus. Der alte Wissenschaftler hat die Hoffnung jedoch noch nicht
vollständig verloren, will seine Fähigkeiten noch einmal unter
Beweis stellen. Eine von Monserrat entwickelte Apparatur, soll eine
Testperson in Hypnose versetzen. Im Unterschied zur gewöhnlichen
Hypnose, soll der Proband per Gedankenkraft des Professors
"gesteuert" werden, selbst über größere Entfernung.
Mike (Ian Ogilvy) zieht Nacht für Nacht mit seiner Freundin Nicole
(Elizabeth Ercy) und seinem Kumpel Alan (Victor Henry), durch im
Pulsschlag dröhnenden Clubs von London. Obwohl ständig auf Achse,
ist der junge Mann zunehmend gelangweilt. Er lässt sich von
Monserrat aufgabeln, der ihm einen interessanten Trip in Aussicht
stellt. Tatsächlich funktioniert das Experiment, Monserrat und
seine Frau Estelle (Catherine Lacey) können Mike per Kraft ihres
Geistes kontrollieren, während Mike sich nicht mehr an das Treffen
mit dem alten Paar erinnern kann. Der Erfolg übersteigt alle
Erwartungen, denn die "Testperson" lässt sich nicht nur
lenken, die Erlebnisse des Kontrollierten werden für die älteren
Herrschaften sogar fühlbar. Während Professor Monserrat seine
Erfindung für gute Zwecke einsetzen möchte, bricht aus Estelle die
Gier hervor, sie verlangt nach Genugtuung für die Entbehrungen der
vergangenen Jahrzehnte. Widerwillig lässt Marcus sie gewähren, als
Estelle den ahnungslosen Mike einen Pelz stehlen lässt. Mike wird
während der Tat fast von einem Polizisten erwischt, der Kick der
mitgefühlten Anspannung steigert Estelles Verlangen noch weiter.
Monserrat lernt die bösartige Seite seiner Gattin kennen, die zu
allem Überfluss eine weitaus stärkere Macht über Mike ausüben
kann, als es dem Professor selbst möglich ist. Estelle gerät
ausser Kontrolle, grauenvolle Ereignisse zeichnen sich am Horizont
ab. Wird Monserrat seine Frau rechtzeitig stoppen können? Kann sich
Mike aus eigenem Willen aus der Gewaltherrschaft befreien, die
seinen Verstand in Besitz genommen hat...???
Der
leider viel zu früh verstorbene Michael Reeves, inszenierte mit
"The Sorcerers" einen recht eigenständigen und sehr
konsequenten Horrorthriller. 1968 folgte der bekanntere "Witchfinder
General" (Der Hexenjäger), bevor Reeves sich 1969 aus dem
Leben verabschiedete. Das hoffnungsvolle Nachwuchstalent wurde
lediglich 25 Jahre jung. "Im Banne des Dr. Monserrat"
fällt zunächst durch seine harschen Kontraste auf. Auf der einen
Seite sehen wir drei junge Leute, die sich im London der Swinging
Sixties tummeln. Dem gegenüber steht die Wohnung des Ehepaares
Monserrat, karg und bieder eingerichtet, doch hinter einer Tür
lauert ein abenteuerliches "Hypnosezentrum". Reeves
gelingt es mit recht einfachen Mitteln, die jeweils gewünscht
Atmosphäre zu erzeugen. Im Club spielt eine Band flott auf, die
Sängerin trällert uns allerliebst in die Ohren, wird später zum
Bestandteil der tragischen Handlung. In der Bude des alten Ehepaares
herrscht Tristesse, die nicht minder intensiv auf den Betrachter
einwirkt. Doch hat diese Tristesse nicht längst auch die
Glitzerwelt erobert, in der sich die jungen Leute die Nächte um die
Ohren schlagen? Wie ist es um das Gefühlsleben von Mike bestellt,
der sich innerlich leer und angeödet präsentiert? Ein guter
Einsteig, um auf die Mitwirkenden und die von ihnen dargestellten
Charaktere einzugehen. Mehr dazu im folgenden Absatz.
Werfen
wir einen Blick auf die Eheleute Monserrat. Marcus Monserrat ist ein
körperlich angeschlagener Mann, um seine Psyche scheint es nicht
viel besser bestellt, aber ein letztes Fünkchen Hoffnung glimmt
noch zaghaft vor sich hin. Der offensichtliche Erfolg seiner
jahrelangen Arbeit lässt ihn wieder aufleben, neue Perspektiven
entstehen vor seinem geistigen Auge. Die Freude ist lediglich von
kurzer Dauer, denn seine Gattin macht ihm bald die Hölle heiß (was
man fast wörtlich nehmen kann, wegen Spoilergefahr aber nicht
weiter von mir ausgeführt wird). Karloff zeigt uns Marcus Monserrat
nicht als bösartigen Menschen. Ganz im Gegenteil, er möchte zwar
endlich Anerkennung erfahren, will aber in erster Line anderen alten
Menschen helfen. Die gebrechliche Rolle ist Karloff gewissermaßen
auf den Leib geschneidert, er war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten
bereits gesundheitlich angeschlagen, verstarb 1969. So solide und
anrührend Boris Karloff auch aufspielt, er wird von Catherine Lacey
fast ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Zunächst scheint die
alte Dame lediglich ein knarziger Besen zu sein, doch aus ihrer
Verbitterung erwächst eine nahezu uferlose Bösartigkeit, die
selbst vor dem Ehemann keinen Halt macht. Eine großartige
Vorstellung! Ian Ogilvy kommt als Mike wenig sympathisch daher, man
könnte ihn durchaus als Kotzbrocken bezeichnen. Zunächst fragte
ich mich, ob diese Zeichnung des Charakters den Zuschauer nicht
unnötig auf Distanz hält. Ich kann Entwarnung geben, denn
letztlich wird die schonungslose Konsequenz des Films dadurch dick
unterstrichen. Reeves, der auch am Drehbuch beteiligt war, entlarvt
die schöne Scheinwelt der späten sechziger Jahre. Hinter der
Glitzerfassade taumelt die Jugend ohne Orientierung umher, regieren
Gefühlskälte und Egoismus. Selbst die überwiegend nicht negativ
angelegte Rolle der Nicole (Elizabeth Ercy), mag sich nicht zu
echter Liebe bekennen, obschon sie sich zumindest nicht völlig
sorglos und gleichgültig gibt. Victor Henry wird von den
Ereignissen um seinen "Freund" mitgerissen, spielt seinen
Part gewollt und zutreffend unscheinbar. Die Nebendarsteller runden
das Ensemble effektiv ab, auch schauspielerisch ist hier also alles
im grünen Bereich.
Schaut man aufmerksam zu, liefert "Im
Banne des Dr. Monteserrat" ein sehr bitteres, desillusioniertes
Bild der Swinging Sixties ins Haus. Regisseur Michael Reeves -selbst
ein Teil der damals jungen Generation- inszeniert nicht wie ein
Außenstehender mit dem erhobenen Zeigefinger, wodurch ein
unangenehmer, verdächtiger Beigeschmack völlig ausbleibt.
Vermutlich ist der Film ein Abbild seines eigenen Seelenlebens,
dieser Gedanke drängt sich nach der Sichtung des Streifens geradezu
auf. Unterstrichen wird die Annahme durch das tragische Ableben des
Nachwuchstalentes, welches durch eine Überdosis Pillen aus dem
Leben schied.
"Im Banne des Dr. Monserrat" ist ein
-auf besondere Weise- authentischer Trip in die späten sechziger
Jahre. Durchaus mit "Gute Laune Momenten" bestückt, in
der Hauptsache jedoch entwaffnend ehrlich und von nachhaltiger
Wirkung. Dank der schönen DVD von E-M-S, kann man diesen sehr
sehenswerten Film der hauseigenen Sammlung zuführen. Freunde
steriler Aufbereitungen werden nicht angetan sein, diverse Kratzer,
Laufstreifen und etwas zu blasse Farben, geben dieser Personengruppe
Anlass zur Kritik. Die Kompression verhält sich erfreulicherweise
unauffällig, das Bild verbreitet eine angenehme Kinoatmosphäre,
die mir in der vorhandenen Form sehr gut gefällt. Die DVD erschien
im Rahmen der Reihe "Der phantastische Film", mit der uns
E-M-S einige Perlen auftischte. "Im Banne des Dr. Montserrat"
ist der fünfte von insgesamt neun Titeln, leider ist die Reihe
zusammen mit E-M-S von uns gegangen. Die Erstauflage kommt in einem
schicken Schuber daher, ein Booklet rundet die gelungene
Veröffentlichung ab. Wer die Erstauflage noch ergattern kann,
sollte umgehend zugreifen! Die günstige Nachpressung ist immerhin
besser als Verzicht.
Ein guter, mutiger und gnadenloser
Film. In der heutigen Zeit vielleicht aktueller denn jemals zuvor!
Dicke 7/10 (mit steigender Tendenz).
Lieblingszitat:
"Es ist ein herrliches Gefühl."
"Es ist ein herrliches Gefühl."
- Blap -
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