Filmclub Bali
   
 

ASTARON – BRUT DES SCHRECKENS

("Contaminazione", 1980) R: Luigi Cozzi

In New York läuft ein herrenloses Frachtschiff mit hingemeuchelter Besatzung ein, auf dem sich ausnahmsweise keine Zombies aus Matul verstecken – dafür aber kistenweise grüne Eier, die aufplatzen, wenn man sie berührt oder Wärme aussetzt. Der austretende Schleim hat die unangenehme Eigenschaft, daß alle Menschen, die mit ihm in Berührung kommen, explodieren. Der New Yorker Polizist Tony Aris (Marino Masé) und Stella Holmes (Louise Marleau), Colonel des Verteidigungsministeriums, machen sich gemeinsam mit dem Ex-Astronauten Commander Ian Hubbard (Ian McCulloch) an die Aufklärung des Falles. Die Spur führt nach Kolumbien, wo man bald eine außerirdische Verschwörung aufdeckt, die die gesamte Menschheit bedroht...

Astaron
Luigi Cozzis Film kann durchaus Spaß machen, wenn man gewillt ist, sich auf eine abenteuerliche Reise in die Abgründe des Kernschrotts einzulassen, bei der man nur mit dem Allernötigsten unterwegs ist. So etwas wie ein Drehbuch sollte man zum Beispiel nicht erwarten. Allenfalls gab es eine lose Zettelsammlung, die wahrscheinlich morgens vor dem Dreh in verkatertem Zustand bekritzelt wurde. Auf diese Weise wurde ja häufiger in Bella Italia gearbeitet – Castellari wusste auch oft am Morgen noch nicht, was er tagsüber eigentlich drehen wollte, aber der konnte wenigstens flott inszenieren. Mit solchen Lappalien hält Cozzi sich nicht auf; er nimmt sich viiieeel Zeit und lässt seinen Knallchargen reichlich Gelegenheit deppert in der Gegend rumzustarren. Nein, auch von einer temporeichen Regie ist hier nichts zu spüren, aber das macht nichts. Man hat Muße, sich zwischendurch ein paar Eier in die Pfanne zu hauen, ohne etwas Weltbewegendes zu verpassen.
A propos, das Ensemble: Ian McCulloch spielt einen versoffenen Astronauten, dessen Marsexpedition ihn traumatisiert hat. Dort wurde er bereits einer Pappmaché-Höhle mit besagten Eiern ansichtig, seitdem schaut er in die Flasche. Will heißen: er präsentiert den gesamten Film über den einen hölzernen Gesichtsausdruck, den er beherrscht und schon auf Matul draufhatte. Hier trägt er aber wenigstens ein vollständiges Toupet.
Für die Rolle der Stella Holmes war ursprünglich Caroline Munro vorgesehen, die war den Produzenten aber eine Nummer zu sexy, wodurch sie angeblich an "Glaubwürdigkeit" eingebüßt hätte. Schade eigentlich, ich hätte den Anblick von Carolines fleischlichen Reizen der eh nicht vorhandenen Glaubwürdigkeit von Louise Marleau vorgezogen.
Marino Masé gibt den Spaßkasper und gleicht das Understatement der anderen Darsteller durch beherztes Overacting aus. In Kolumbien tänzelt er schwul durch die Straßen und trägt ein geschmackvolles Hemd, das bis zur Schambehaarung aufgeknöpft ist.
Auf der Seite der antagonistischen Verschwörer schimmert Siegried Rauch in trübem Glanze und keucht bedeutungsschwangere Sätze in die Kamera, wie: "Astaron wird die Menschheit von der Erde hinwegfegen!" Yeah, that´s the spirit, Baby! Wenn das die Tattergreise gewusst hätten, die einige Jahre später mit dem TRAUMSCHIFF auf Kreuzfahrt gingen, dessen Kommandatur Rauch innehatte...
Sein Gspusi wird von einer extrem unterkühlten Gisela Hahn gegeben, die noch im selben Jahr als JUNGFRAU UNTER KANNIBALEN Furore machte.
Der Film lebt natürlich durch seine brillanten Spezialeffekte. Wenn die prall gefüllten Blut-und-Schmodder-Säcke unter den Hemden der Darsteller explodieren und die Kutteln auf die Auslegware platschen, dann ist das Jubeln groß! Nicht gerade hilfreich für die Glaubwürdigkeit ist die Tatsache, daß Cozzi diese Szenen in extremer Zeitlupe abgelichtet hat – aber umso hilfreicher für den Spaß. Bemerkenswert sind auch die "Spannungsszenen", z.B. wenn Colonel Holmes in der Dusche ihres Hotelzimmers eingeschlossen ist und eines der Horror-Eier unmotiviert auf den Fliesen rumgammelt. Sie kreischt sich die Seele aus dem Leib und der Zuschauer fragt sich: Warum eigentlich? Sehr lustig, das.
Alles aus und vorbei ist aber dann, wenn das große böse Mars-Alien am Schluss des Films auftaucht – der Zyklop Astaron ist das wohl unbeweglichste und trägste Zelluloidmonster aller Zeiten. Aber genug des Spottes: Wer sich die kindliche Freude in der Brust bewahrt hat, wird jauchzen ob dieser Hommage an die Kreaturen der Filme von Jack Arnold & Konsorten. Denn schließlich ist der sympathische Luigi Cozzi selber ein bekennender SF-Fan, das muss man ihm zugute halten. 1975 drehte er den gelungenen, in Deutschland aber nie erschienenen Giallo THE KILLER MUST KILL AGAIN.
Wie gesagt, wer bereit ist, solche Nebensächlichkeiten wie Logik und nachvollziehbare Dialoge über Bord zu werfen, dem wird hiermit eine unterhaltsame Sause geliefert. (Sorry, Herr Blap, dein Lieblingswort passt hier einfach zu gut!) Wirklich ganz große Klasse ist die Synthie-Musik von Goblin.
Die deutschsprachigen Auswertungen des Films sind um einige Handlungsszenen erleichtert, die man aber keineswegs vermisst. So entgeht dem Zuschauer eine sich anbahnende Romanze zwischen Tony Aris und Stella Holmes, die ziemlich hanebüchen ist. Auch einige eher überflüssige Erklärungsversuche sind der Schere zum Opfer gefallen. Meiner bescheidenen Ansicht nach hätte man den ganzen Mumpitz ruhig noch mehr straffen können, dann hätte er aber nur noch knapp eine Stunde Laufzeit gehabt.
Zitat:
"Astaron wird die Menschheit hinwegraffen!"


- Pelle -





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