ALLEIN UNTER NACHBARN – LA COMUNDIDAD
(„La comunidad“, Spanien 2000) R: Alex de la Iglesia
Julia (Carmen Maura) versucht
sich seit kurzer Zeit als Immobilienmaklerin. Als sie eine Wohnung
im Zentrum von Madrid den skeptischen Interessenten anpreist, ist
sie vor allem selbst von der hübschen Unterkunft beeindruckt. Ergo
ruft sie flugs ihren Gatten herbei, um mit ihm eine romantische
Liebesnacht in der Butze zu verbringen. Dieser zeigt sich wenig
begeistert von der Idee. Überhaupt plagt ihn der Frust, da er vor
kurzem seinen Job verloren hat, sich nun als Türsteher einer Disco
verdingen muss. Bald stellt sich heraus, dass es in der Wohnung
darüber zu einem tragischen Vorfall gekommen ist. Ein alter Mann
ist verstorben und gammelte etliche Wochen vor sich hin. Die
Räumlichkeiten sehen aus wie eine Müllhalde, doch Julia macht eine
interessante Entdeckung. Der Alte hatte eine riesige Summe Geld im
Fußboden versteckt, insgesamt rund 300 Millionen Peseten! Heimlich
bringt Julia den Zaster an sich, doch sie hat nicht mit den übrigen
Hausbewohnern gerechnet. Die verschwore Gemeinschaft überwachte den
alten Herrn rund um die Uhr, man wollte um jeden Preis an sein Geld
kommen. Dies führte dazu, dass der Alte keinen Fuß mehr vor die
Tür setzte, daher blieb auch sein Tod zunächst unbemerkt. Nun
kommt eine Außenstehende daher, die sich alles unter den Nagel
reißen will. Man belauert sich gegenseitig, es brodelt und brodelt
unter der spießigen Oberfläche, eine Eskalation scheint nahezu
unvermeidbar...
Es ist schon weit über zehn Jahre her, seit
ich zum ersten Mal einen Film von Regisseur Álex de la Iglesia
schaute. Damals wanderte "Perdita Durango" (1997) in den
Player, der mir zuvor mit Nachdruck empfohlen wurde. Die Rechnung
ging nicht auf, der Streifen konnte mich nicht überzeugen, ich
verfolgte den Werdegang von de la Iglesia nicht weiter. Erst 2007
bekam der gute Mann eine neue Chance, ich legte mir "El día de
la bestia" (1995) zu, der dann auch tatsächlich massiv in
meinem Schädel zündete. "Allein unter Nachbarn" wurde
kurz danach angeschafft, verschwand aber für einige Zeit im Regal
der jungfräulichen DVDs (gewissermaßen meine persönliche
"Filmhalde"). Ich nehme es gleich vorweg, de la Iglesias
Arbeit zündet erneut, ich werde sogar dem ungeliebten "Perdita
Durango" eine zweite Chance einräumen.
"La
comunidad" ist eine herrlich schwarze Komödie, die uns
unverblümt den Spiegel vor die entstellten Fratzen hält. Wie groß
kann die Gier nach Geld sein? Welche Grenzen wäre man bereit zu
überschreiten, um die Kohle in die Finger zu bekommen? Gibt es
überhaupt noch Grenzen, wenn die Raffgier erst so richtig zugepackt
hat, Besitz von Leib und Seele ergriffen hat? Glücklicherweise
kommt der Film nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher, sondern
gibt dem Zuschauer offenkundige Denkanstösse, ohne dabei dem
Versuch der pseudointellektuellen Gängelung zu erliegen. Bei allem
Humor, der angenehmerweise nicht in den platten Stumpfsinn
abgleitet, wird es zeitweise auch richtig spannend, regelrecht
packend. Die Kombination von Humor und Spannung funktioniert
erstaunlich gut, ergänzt sich gar vortrefflich. Dass man letztlich
nicht auf den Einsatz kleiner Effekthaschereien verzichten
konnte/wollte, mag ein Zugeständnis an den Massengeschmack sein,
trübt den Filmgenuss allerdings kaum bis gar nicht.
Die
Besetzung liefert durch die Bank großartige Leistungen ab. Allen
voran natürlich Carmen Maura, die als Frau in den besten Jahren
alle Register zieht. Sie durchlebt das volle Gefühlskaleidoskop,
Emotionen jeder Form und Farbe spielen sich in ihrem Gesicht ab,
stürzen gleichzeitig in Form der Hausbewohner auf sie hinab. Ein
tolle Leistung, ich ziehe meinen Hut vor dieser begnadeten
Schauspielerin. Doch auch die übrige Cast lässt sich nicht lumpen.
Da hätten wir die vergnatzen Damen, die eifersüchtig und habgierig
jeden Schritt der "Neuen" beobachten, sich dabei selbst
kaum ertragen können. Den Verwalter, hinter dessen
Gutmenschenfassade der Verfall bereits nachhaltig gewütet hat. Das
debile Bürschlein, welches ständig im Lord Vader Kostüm durch das
Gemäuer taumelt. Nicht zu vergessen der Möchtegern-Latin Lover,
selbst Mitglied der Hausgemeinschaft, von dieser zwecks Ablenkung
auf Julia angesetzt. Lauter schräge Gestalten, Menschen die man
ungern in der eigenen Nachbarschaft wissen möchte. Doch... sind
diese vermeintlich ach so schrägen Charaktere uns wirklich so
fremd, so fern, so anders als wir selbst? Finden wir uns nicht -mehr
oder weniger- in diesem Zerrspiegel wieder? Wollen wir überhaupt
darüber nachdenken??? Es bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen.
Ich wühlte noch einige Zeit in meinem Hirnkasten, was für weitere
Schmunzler sorgte. Denn "La comunidad" ist weitaus näher
an der Realität, als man sich selbst eingestehen möchte.
Leider
bin ich der spanischen Sprache nicht mächtig. Ergo muss ich mich
auf die Qualität der deutschen Synchronisation verlassen. In
technischer Hinsicht ist diese fraglos gut gelungen. Wie es um den
Transport des spanischen Humors, in die deutsche Sprache bestellt
ist, lässt sich dank meiner Unkenntnis der Originalsprache
natürlich nur vermuten. Auf mich macht die Umsetzung einen soliden
Eindruck, sie scheint dem Zungenschlag des Originals gerecht zu
werden. Es wäre sicher sehr interessant, dazu die Meinung eines
Filmfreundes zu hören, dem beide Sprachoptionen ohne
Einschränkungen zugänglich sind. Mir hat "La comunidad"
richtig gut gefallen, Álex de la Iglesia hat sich nun endgültig
Zugang zu meinem Filmherzen verschafft. Ich freue mich auf weitere
Filme des Regisseurs, entsprechende Scheiben werden bald in meiner
Sammlung ihren Platz finden.
"Allein unter Nachbarn"
wurde von E-M-S für den deutschen Markt ausgewertet. Es gibt
diverse Auflagen, die mit verschiedenen Covern und teils
unterschiedlicher Ausstattung ins Haus kommen. Die DVD bietet eine
sehr anständige Bildqualität. Aktuell scheint mir das Angebot des
OFDB-Shops am reizvollsten. Dort gibt es die "2 DVD Special
Edition" für schlappe 2.98€, alternativ die "Álex de
la Iglesia Collection" zum Kurs von 7.98€ (dort sind ferner
"Ein verpektes Verbrechen" (2004) und "800 Bullets"
(2002) enthalten). Die mir vorliegende Single Disc bietet ein
tadelloses Bild, kommt allerdings mit geringerer Ausstattung daher.
Lasst euch nicht von den günstigen Preisen abschrecken, es handelt
sich keineswegs um Veröffentlichungen in "Wühltischqualität",
hier werden einfach nur die E-M-S Überreste verschachert.
Eine
liebenswerte Komödie. 7/10 (gut) ...mit steigender Tendenz.
Lieblingszitat:
"Einmal mach' ich Urlaub und schon passiert diese Scheiße!"
"Einmal mach' ich Urlaub und schon passiert diese Scheiße!"
- Blap -
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