Antonio Margheriti-Nacht
am Freitag, den 05.10. um 21:00 Uhr im Kino Babylon
Bevor
es im November heiß hergeht und Premiere gefeiert wird bei Filmclub
XXX, lüften wir noch einmal den Vorhang für einen regulären
Club-Abend, den wir diesmal dem italienischen Genre-Tausendsassa
Antonio Margheriti gewidmet haben.
Nur
die wenigsten Mainstream-Zuschauer dürften wohl die kleine Hommage
an den verdienstvollen italienischen Genreregisseur in Quentin
Tarantinos INGLOURIOUS BASTERDS verstanden haben, als dieser seinem
Charakter Sgt. Donnie Donowitz bei der berühmten
Filmpremieren-Sequenz den Tarnnamen „Antonio Margheriti“
verpasste. Die Szene sorgt für Erheiterung, da Donowitz (Eli Roth)
den Namen selber kaum artikulieren kann, während sein Gegner, der
SS-Oberst Hans Landa fließend italienisch spricht und den
ungebildeten Amerikaner oberlehrerhaft vorführt. B-Film-Nerd
Tarantino hat sich bereits mehrfach als Margheriti-Fanboy geoutet;
dem absoluten Gros der internationalen Kinozuschauer wird die Person
hinter dem Namen jedoch nicht das Geringste gesagt haben.
„Man müsste mich schon erschießen, um mich vom Regieführen abzuhalten.“
--- A. Margheriti
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Wenn man Margheriti etwas vorwerfen wollte, so wäre dies das Fehlen eines
uneingeschränkten, allgemein anerkannten „Meisterwerks“ im Œvre
des fleißigen Filmhandwerkers. Sergio Martino hat seinen TORSO,
Ruggero Deodato seinen CANNIBAL HOLOCAUST, Alberto de Martino seinen
SCHWARZE MESSE DER DÄMONEN. Bei Umberto Lenzi denkt man sofort an
Kannibalenfilme, bei Lucio Fulci an Zombies, bei Dario Argento an
stylische Gialli, bei Mario Bava an kunstvollen Gothic-Horror, bei
Joe D’Amato an die sleazige Melange von Sex & Tod. Margheriti
war während seiner fast 40 Jahre umfassenden Laufbahn im
italienischen Filmgeschäft in (fast) allen Genres umtriebig, und
seine Arbeiten zeichnen sich durch eine solide Bodenständigkeit und
formale Versiertheit aus, es fehlt in seinem Schaffen jedoch der
charakteristische Trademark-Film, mit dem man seinen Namen
unmittelbar assoziieren könnte.
Antonio
Margheriti wurde am 19. September 1930 als Sohn eines
Eisenbahningenieurs in Lazio, in der Nähe von Rom, geboren. Er
begann seine Karriere im Filmgeschäft in den frühen 50er Jahren,
als er für die Produktionsgesellschaft Titanus in verschiedenen Jobs
tätig war. Anfangs war er das typische „Mädchen für alles“,
unternahm Botengänge, kochte Espresso oder schleppte „Props“,
später verdingte er sich jedoch auch als Cutter, Assistent in der
Special Effects-Abteilung und interessierte sich bereits frühzeitig
für die Anfertigung von Modellbauten und Miniaturen. 1956 war er für
die Gesellschaft S.P.I.C. als Drehbuchautor tätig und verfasste als
Co-Autor das Skript für die Komödie PRESENTIMENTO unter der Regie
von Armando Fizzarotti. In den folgenden zwei Jahren schrieb er die
Bücher zu CLASSE DI FERRO (1957) und PROMESSE DI MARINAIO (1958)
gemeinsam mit dem Regisseur Turi Vasile. Ebenfalls im Jahr 1958
führte er erstmals Co-Regie (an der Seite des erprobten Turi Vasile)
bei der Totò-Komödie GAMBE D’ORO. Weitere Arbeiten im
Spezialeffektbereich brachten ihm schließlich mit dem
Ultra-Lowbudget Science Fiction-Film SPACE MEN (1960) seinen ersten
Regieauftrag für die Titanus ein, bei dem er bereits unter seinem
langjährigen Nom d’Art „Anthony M. Dawson“ zeichnete. Mit IL
PIANETA DEGLI UOMINI SPENTI (1961) folgte eine weitere preisgünstige
Space Opera all’italiana, dieses Mal sogar in Farbe gedreht. Nach
einem Ausflug in das von „Märchen aus 1001 Nacht“ inspirierte
Sandalenfilm-Drama LA FRECCIA D’ORO („Der goldene Pfeil“, 1962)
und dem Historienschinken IL CROLLO DI ROMA („Die Zerstörung
Roms“, 1963), fand Margheriti zu dem Genre, in dem er neben Mario
Bava und Riccardo Freda Meisterschaft erlangen sollte: dem
Italo-Gothic Horror. Den Anfang machte der formidable I VERGINE DI
NORIMBERGA („Das Schloss des Grauens“, 1963) mit Christopher Lee,
der bereits alle Ingredienzien des mediterranen Gänsehautkinos in
sich vereinte: Alte (Pappmaché-) Spukgemäuer, wehende Vorhänge und
flackernder Kerzenschein, kapuzentragende Unholde und fragile
Schönheiten in Nachthemden, mittelalterliche Folterinstrumente und
kryptische Geheimgänge, steinerne Sarkophage und herumliegende
Knochengerippe. Der atmosphärisch ungemein dicht gewobene Film
besticht durch die brillante Kameraarbeit von Riccardo Pallottini und
dem jazzigen Score von Riz Ortolani, der neben dem musikalischen
Soundtrack auch die stimmungsvollen Schreck- und Schauermomente mit
eigens komponierten, punktgenauen Klangeffekten in Form von schrillen
Bläser-Crescendi untermalte. Bemerkenswert ist auch der Einsatz von
Miniaturen in einigen Einstellungen, der in späteren Filmen von
Margheriti zu einer Art Markenzeichen werden sollte. Diese brachte er
auch immer wieder in seinen versiert gefertigten Action- und
Kriegsfilmen zum Einsatz.
Es
folgte dichtauf die im Folgejahr inszenierte italienisch-französische
Koproduktion LA DANZA MACABRA (1964), bei der ursprünglich zuerst
Sergio Corbucci als Regisseur vorgesehen war, sowie I LUNGHI CAPELLI
DELLA MORTE (1964). Beide Filme bezaubern durch die hervorragende
Bildgestaltung von Margheritis Stammkameramann Pallottini und die
Anwesenheit der unvergleichlichen Barbara Steele, die durch ihre
Hauptrolle in Bavas Meisterstück LA MASCHERA DEL DEMONIO („Die
Stunde wenn Dracula kommt“, 1960) in Italien bereits als
Grusel-Göttin gefeiert wurde. Auch mit Komponist Riz Ortolani
arbeitete Margheriti zum wiederholten Mal zusammen. Der Meister
hierzu: „Ich bevorzuge es […] mit dem gleichen Cast und der
gleichen Crew immer wieder zu arbeiten. Das ganze Verhältnis
untereinander ist dann viel familiärer auf dem Set. […] Man dreht
mit einem eingespielten Team, nicht mit einer Gruppe von
‚Fachleuten‘, die sich herzlich wenig um den Menschen gegenüber
kümmern.“
Beachtlich
ist auch die Tatsache, dass Margheriti beide Filme in nur jeweils
zwei Wochen (zuzüglich je zwei Tage für Spezialeffekte!) abdrehte,
wobei er ein Talent zur Ökonomie bewies, das auch von den
Produzenten seiner späteren Filme sehr geschätzt werden sollte.
Knapp sieben Jahre später inszenierte er ein Remake unter dem Titel
NELLA STRETTA MORSO DELL´RAGNO („Dracula im Schloss des
Schreckens“, 1971) mit Klaus Kinski in der Hauptrolle und in Farbe,
worüber er sich später wenig glücklich äußerte: „Leider musste
ich damals den Film in Farbe drehen. Wahrscheinlich ist das wahre
Geheimnis der alten Gothic-Horrorfilme die fremdartige, fast surreale
Welt, die ein schwarzweiß gedrehter Film vermittelt. Farbe verändert
diese Welt in einen realistischen Ort, der natürlich viel von dieser
Faszination verliert.“
Im
Verlauf seiner weiteren Karriere erwies Anthony M. Dawson sich als
ungemein effizienter, rasch und gründlich arbeitender Handwerker,
der sich in nahezu jedem Genre zuhause fühlte und dessen Spezialität
„Neuvariationen“ (böse Zungen könnten auch meinen: „Rip-Offs“)
erfolgreicher Hollywood-Stoffe werden sollte. Tatsächlich gibt es
kaum ein filone (ital.: Genre), das von Margheriti nicht mit Erfolg beackert wurde. Er
schwamm auf der in den 60ern populären Agentenfilm-Welle mit
(OPERACIÓN CASABLANCA, dt.: „Gemini 13 – Todesstrahlen auf Kap
Canaveral“, 1966, und A 077 – SFIDA DIE KILLERS, dt.: „Bob
Flemming – Mission Casablanca“, ebenfalls 1966), trieb sich im
Spaghetti-Western herum (JOE L’IMPLACABILE, dt.: „Der Tod reitet
mit“, 1967, und JOKO, INVOKA DIO… E MUORI, dt.: „Fünf blutige
Stricke“, 1968) und machte Stippvisiten im Edgar
Wallace-inspirierten Giallo-Thriller (NUDE… SI MUORE, dt.: „Sieben
Jungfrauen für den Teufel“, 1968).
Mit
Geschepper und Kawumm geht es auch direkt bei unserer
Oktober-Kinonacht los, wenn David Warbeck im vietnamesischen
Dschungel die Wildsau von der Kette lässt. Dieser zur Blütezeit der
Gewaltvideo-Hysterie inszenierte Kriegsfilm lehnt sich an
Genre-Klassiker wie APOCALYPSE NOW und DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN an,
würzt das explosive Gebräu aber mit pikanten Zutaten aus der
typisch italienischen Zelluloid-Küche. Modellbau-Spezi Antonio
präsentiert mal wieder zahlreiche in Fetzen fliegende Miniaturen,
Spezial-Make Up-Zauberer Massimo Giustini drückt hemmungslos auf die
Blutmatsch-Tube und Franco Micalizzis fetziger Score lässt die Yucca
Palmen wackeln.
„Margheriti inszeniert seinen
Vietnamfilm als zupackenden Actioner, dessen Härten mehr als einmal
an die ungefähr zur selben Zeit grassierenden Auswüchse des
italienischen Zombie- und Kannibalenfilms erinnern […]. Da werden
Augäpfel aus dem Schädel geschossen, fallen halbverweste
Fallschirmspringer mit heraushängenden Eingeweiden aus Bäumen,
explodieren Bäuche und Brustkörbe unter einschlagenden Geschossen
und fliegen abgetrennte Unterschenkel durch die Gegend.“
---- Oliver Nöding auf Remember it for later
Mit
dem zweiten Film des Abends brechen wir zum ersten mal mit einem
unserer Gundsätze, keinen Film zweimal zu zeigen: Der vorliegende
Streifen ist einfach eine so unfassbare Granate, dass kein Weg daran
vorbeiführt, auch wenn wir ihn schon einmal
gehen mussten. Dieser wahnwitzige Film vollbringt nämlich das schier
unglaubliche Kunststück, das Erfolgsrezept der Barbaren-Welle mit
einem weiteren Blockbuster der Ära zu verquicken – mit KRIEG DER
STERNE („Star Wars“, 1977)!! – Was bei diesem Experiment
herauskam, ist kaum noch in Worte zu fassen.
Wenn Hauptdarsteller Reb Brown mit blonder Zottelperücke und grenzdebilem
Grinsen zur heroischen
Titelmusik der OLIVER ONIONS die
Gummikeule schwingt, dann ist restlos Zappenduster, dann brennt
endgültig der Pappmaché-Dschungel…
„Margheriti ist ein ebenso unterhaltsames wie aufregendes Actionabenteuer
gelungen, das fraglos einen der Höhepunkte italienischer
Barbarenfilmkunst darstellt. Langweilige Momente gibt es kaum, es
kracht und zischt an allen Ecken, und auch in seinem Spezialmetier -
der Effektkunst - lässt Antonio sich nicht lumpen. Die vermutlich
bereits in der Originalfassung nicht übermäßig kopflastigen
Dialoge wurden von der deutschen Synchronisation noch mit einigen
Esslöffeln puren Deliriums abgeschmeckt. Dies stünde einem
schwedischen Grübeldrama kaum gut zu Gesichte, hier ist es
allerdings das Salz in der Suppe!”
---- Christian Keßler
Wir zeigen beide Filme ungekürzt und in berauschend restaurierter
Bildqualität!!
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.