Don Coscarelli-Nacht
am Freitag, den 14.06. um 23 Uhr im Kino Babylon
Elvis. Elvis als Kung Fu-Kämpfer. Fliegende silberne Killer-Kugeln. Zwerge
in Kutten. Barbaren, die mit Säbelzahntigern und Adlern sprechen
können. Sojasauce. Psychedelische Sojasauce. Bizarre Dimensionen, in
denen die Toten versklavt werden. Fünfläufige Schrotflinten. Der
King of Rock. John F. Kennedy, der eingefärbt wurde. Ein
altägyptischer, seelenfressender Pharao mit John Wayne-Hut.
Pandämonium. Bratwürste. Wahnsinn. Elvis. Erwähnte ich schon
Elvis?
Don Coscarelli macht Filme, wie so viele andere Regisseure, aber seine
Filme sind anders als alle anderen. Geboren wurde Coscarelli am 17.
Februar 1954 in Tripolis/Libyen, und wuchs in Long Beach/Kalifornien
auf, wohin seine Familie kurz nach seiner Geburt emigrierte. Bereits
als kleiner Junge war er fasziniert von Filmen und Kameras und drehte
mit seinen Spielkameraden im Garten seiner Eltern Super 8-Kurzfilme.
Als 15jähriger gewann er den Nachwuchspreis eines lokalen
Fernsehsenders. Mit 19 Jahren galt Coscarelli als das neue
Wunderkind, und Hollywood wurde auf ihn aufmerksam, nachdem er für
seinen selbstproduzierten Independent-Film JIM THE WORLD’S GREATEST
(1976) als jüngster Filmemacher aller Zeiten einen Deal mit
Universal Pictures an Land ziehen konnte.
Was man ihm dort anbot, interessierte ihn jedoch nicht. Stattdessen trieb
er für sein nächstes Projekt eigenhändig Geld auf und schrieb,
produzierte und inszenierte den Horrorfilm PHANTASM („Das Böse“,
1979) unabhängig von den Movie-Mogulen aus „Glitzerstadt“. Der
außergewöhnliche und originelle Film spielte das Vielfache seiner
Produktionskosten ein und mauserte sich zu einem weltweiten Kulthit,
der drei Fortsetzungen nachfolgen ließ (ebenfalls alle von
Coscarelli gedreht). Angus Scrimm, der Darsteller des „Tall
Man“, entwickelte sich zu einer populären Horrorfilm-Ikone wie
Freddy, Jason oder Pinhead von HELLRAISER.
Knapp
drei Jahre später drehte Coscarelli den hochgradig unterhaltsamen
Fantasyfilm BEASTMASTER (1982), der sich jedoch leider nicht gegen
die harte Konkurrenz des erfolgreichen Barbarenfilms
CONAN
(1982) durchsetzen konnte und bei einem Produktionsbudget von 9
Mio. Dollar nur 4 Millionen einspielte. Der Film wurde zu einem
klassischen „Sleeper“, der erst später seine Fan-Gemeinde fand
und vor allem Erfolge im US-Kabelfernsehen feierte. Später brachte
er sogar zwei Fortsetzungen (bei denen Coscarelli aber nicht die
Regie übernahm) und eine Fernsehserie hervor. In Deutschland
fristete der Film ein unbeachtetes Dasein auf Videokassette und wurde
leider bisher nicht auf DVD veröffentlicht.
Dies
war sicherlich einer der Gründe, warum Coscarelli erst sieben Jahre
später einen neuen Film produzierte, den spannenden
Abenteuer-Thriller SURVIVAL QUEST (1988), der in Deutschland unter
dem Titel „Camp der verlorenen Teufel“ auf VHS verwurstet wurde
und mit einem unpassend prolligen Cover gestraft war. Innerhalb von
Coscarellis Filmographie stellt das Werk, das eher als eine Art
„Brot-Job“ zu werten ist, eine Ausnahme dar – von der üblichen
wilden Originalität ist hier wenig zu spüren. Das mag auch daran
liegen, dass Don seine Imaginationskraft lieber in das zeitgleich
entstandene Sequel zu PHANTASM steckte. Was SURVIVAL QUEST jedoch an
Bizarrem mangelt, macht er durch ein durchdachtes Script mit
sorgfältigen Charakterisierungen und schauspielerischen
Glanzleistungen (u.a. Lance Henricksen) wieder wett.
In den folgenden Jahren konzentrierte Coscarelli sich gänzlich auf die
Fertigstellung seiner PHANTASM-Tetralogie, die mit PHANTASM IV (1998)
zu einem fulminanten Abschluss fand. Was er dem Kinopublikum dann
drei Jahre später vorsetzte, ist an Irrsinn kaum noch zu überbieten,
doch dazu gleich mehr. Zwischen seinem Opus Magnum und seinem
aktuellen Ausflug in den Wahnwitz drehte er, quasi als
Zwischenhäppchen, eine der besten und originellsten Episoden der –
ansonsten eher durchwachsenen – MASTERS OF HORROR-TV-Serie:
INCIDENT ON AND OFF A MOUNTAIN ROAD (2005), basierend auf einer
Kurzgeschichte von Joe R. Lansdale, kombiniert auf kongeniale Weise
Elemente des Backwood- und Survival-Horrors der 70er mit
rabenschwarzem Humor, nur um die Erwartungen des Zuschauers dann
völlig auf den Kopf zu stellen.
Womit wir endlich bei den beiden Leckerbissen unserer Juni-Filmnacht im
BALI angelangt wären.
Der
erste Beitrag, entstanden im Jahr 2002, handelt von niemand
Geringerem als dem King of Rock’n’Roll höchstpersönlich –
Elvis Presley ist keineswegs an Koks- und Alkoholmissbrauch und zu
viel Schoko-Bananen-Torte mit Nougatcremefüllung gestorben. Der King
lebt! – Beziehungsweise vegetiert er in einem Altersheim in Muddy
Creek, Texas, vor sich hin, seit er bei einem Auftritt in den 70er
Jahren von der Bühne stürzte, sich das Becken brach und seitdem von
dem ganzen Showbusiness-Rummel die Nase voll hat. An seiner Statt
tingelte seitdem der Elvis-Imitator Sebastian Haff durch die
Provinznester der USA, bis dieser 1977 das Mikro warf. Der wahre
Elvis fristet daraufhin ein trostloses und todlangweiliges Leben im
Old Folks Home, an der Seite seines besten Kumpels John F. Kennedy –
der in Wahrheit ein Schwarzer ist. Der schnöde Alltagstrott von
Klistierbehandlungen und Kaffeekränzchen wird jedoch jäh durch das
Auftauchen einer 3000 Jahre alten ägyptischen Mumie aufgemischt, die
sich zudem als Cowboy verkleidet hat…
In
der Rolle des Kings brilliert Bruce Campbell, der hier die wohl beste
Performance seiner Schauspielerkarriere aufs Parkett legt. Der Film
wurde für das beste Drehbuch (ebenfalls basierend auf einer Story
von Joe Lansdale) mit einem Bram Stoker-Award ausgezeichnet,
Hauptdarsteller Bruce Campbell und Drehbuchautor Don Coscarelli
erhielten zudem den Preis der Jury des U.S. Comedy Arts Festival.
Selbst das sonst so gnadenlose „Lexikon des internationalen Films“
urteilte wohlwollend über Campbell, auch wenn die Autoren den
restlichen Film offenbar nicht kapiert haben:
„Abstrus-originelle Horrorkomödie, die die hirnrissige Handlung
völlig überzogen
abspult. Hauptdarsteller Bruce Campbell, ein Veteran des
Hard-Core-Horror (‚Tanz der Teufel‘), überzeugt als einziger
unter den Darstellern.“
Obwohl
der Film ein weltweiter Kult-Erfolg unter Fans wurde, sollte es
sieben Jahre dauern, bis Coscarelli wieder auf dem Regiestuhl Platz
nahm. Er blieb seiner Linie treu, lehnte tapfer jeden Schmonzens ab,
dem man ihm aus Lollywood anbot und drehte sein neuestes Werk erneut
als unabhängig finanzierte Independent-Produktion. Was dabei
herauskam, lässt sich unmöglich in Worte kleiden – es muss
erlebt, erfahren, erduldet werden. Was Sie, werte Gäste und
Clubmitglieder erwartet, ist eine Achterbahnfahrt nach Absurdistan,
ein filmisches Delirium, ein pulp-surrealistischer Exzess, ein
Höllenritt in den taumelnden Wahnsinn.
Worum es geht? Um eine neue Droge, die in Form von Sojasauce (!) injiziert
wird. Um Dämonen. Um überlappende Dimensionen innerhalb von
überlappenden Dimensionen. Um Bratwürste, mit denen man ins
Jenseits telefonieren kann. Ach, und: John stirbt am Ende.
Martin Beck bringt es auf kino-zeit.de auf den Punkt:
„[Der Film] ist ein echter Trip, und so ungehemmt
fantasievoll, dass man das angerichtete Durcheinander überhaupt nicht
aufräumen möchte. […] Junge Junge, was für ein schräger
Film!“
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.