Kinski-Nacht
am Freitag, den 15.07. um 23 Uhr im Kino Babylon der Pelmke
Gottes Zorn & Satans Rache! Herkömmliche Begrifflichkeiten
versagen, wenn man sich mit den Filmen eines der meist gehassten und
verehrten Schauspielern der deutschen Nachkriegszeit beschäftigt –
nur der inflationäre Gebrauch alttestamentarischer Gewaltbilder wird
dem Wahnwitz dieses unvergesslichen Mimen gerecht! Werte
Clubmitglieder, folgen Sie uns in dieser Nacht auf einen Trip in die
totale Klaustrophobie…
Klaus Kinski wurde am
18. Oktober 1926 unter dem bürgerlichen Namen Klaus Günter Karl
Nakszyński als Sohn eines Apothekers in Sopot/Polen geboren, das
damals noch in der Freien Stadt Danzig lag. 1930 zog die Familie nach
Berlin, wo Klaus nach eigenen Aussagen schon während der Schulzeit
Geld zum Unterhalt selbst verdienen musste; dass er, wie er erwähnte,
Schuhputzer, Laufjunge und Leichenwäscher gewesen sei, ist nicht
weiter belegt. Im Zweiten Weltkrieg wurde er 1944 zu einer
Fallschirmjägereinheit eingezogen und geriet an der Westfront in
Holland in britische Gefangenschaft. Bereits im Gefangenenlager
spielte er erste Theaterrollen auf der provisorischen Lagerbühne.
Ab 1946 wirkte Kinski,
obwohl er nicht klassisch ausgebildet war, als Schauspieler an
prominenten Berliner Bühnen. Als er einmal vor Wut die Scheiben des
Theaters einschlug, wurde er entlassen und besuchte, nun arbeitslos,
die Schauspielschule von Marlise Ludwig, wo er unter anderem mit
Harald Juhnke Szenen aus William Shakespeares Romeo
und Julia einstudierte.
Privat unterhielt
Kinski auch Beziehungen zu Berliner Halbweltkreisen. Seine erste
Filmrolle erhielt er in MORITURI (1948), der die Geschichte von
geflohenen KZ-Insassen erzählt, die sich vor den deutschen Häschern
verstecken. Der Film war umstritten, es gab Drohbriefe und ein
Hamburger Kino wurde zertrümmert. Kinski befand sich im Jahr 1950
für drei Tage in psychiatrischer Behandlung in der Berliner
Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, nachdem er eine Ärztin tätlich
angegriffen hatte.
Ab 1952 wurde Kinski
einem stetig wachsenden Publikum als „Ein-Mann-Wanderbühne“ in
Berlin, München und Wien bekannt. Er rezitierte auf kleinen Bühnen
und um 1960 im großen Berliner Sportpalast Arthur Rimbaud, François
Villon, Friedrich Nietzsche, Kurt Tucholsky und das Neue Testament
und kam mit Bertolt Brecht sowie der Theaterregie-Ikone Fritz Kortner
in Berührung. 1955 verursachte Kinski einen Autounfall, außerdem
kam es zu einem Bootsunfall auf dem Starnberger See.
Gerichtsverfahren und Strafen schlossen sich an, die finanziellen
Folgen belasteten den Schauspieler jahrelang.
Kinskis Rezitationen,
beispielsweise aus Werken von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich
Schiller und Brecht, wurden auf über 25 Sprechplatten eingespielt
und 2003 als Box-Set „Kinski spricht Werke der Weltliteratur“ mit
20 CDs neu veröffentlicht. Spätestens durch die deutschen
Edgar-Wallace-Verfilmungen wurde Kinski dem Kino-Publikum und damit
der breiten Öffentlichkeit bekannt. Die Aufmerksamkeit des
internationalen Publikums erregte vor allem seine eindrucksvoll
gespielte Nebenrolle in David Leans DOKTOR SCHIWAGO (1965). Am 20.
November 1971 versuchte sich Kinski als Jesus-Rezitator mit einem
skandalträchtigen Auftritt in der Berliner Deutschlandhalle mit dem
Titel "Jesus Christus Erlöser". Nach Zwischenrufen von
autoritätskritischen Zuschauern und einem harten Wortgefecht kam es
zu einem frühen Abbruch der Veranstaltung und der geplanten Tournee.
Kinski drehte während
seiner farbenprächtigen und skandalumwitterten Laufbahn Hunderte von
Filmen und war sich nie zu schade, auch bei billigen
Exploitationfilmen und Schund fürs Bahnhofskino mitzuwirken. Seine
Filmographie umfasst daher so unterschiedliche Werke wie die
legendären Edgar Wallace-Verfilmungen, zahllose Italowestern,
Kriegsfilme, Horrorschocker oder Jess Franco-Schmierstücke, als auch
die berühmten Werner Herzog-Filme wie FITZCARRALDO und NOSFERATU
oder dem Skandalfilm NACHTBLENDE mit Romy Schneider.1989 stellte er
mit PAGANINI sein letztes Filmwerk fertig. Nachdem er den Stoff über
Jahre hinweg vergeblich Produzenten und Regisseuren angetragen hatte,
übernahm er schließlich Regie, Drehbuch, Schnitt und Hauptrolle
selbst. Werner Herzog hatte zuvor mit der Begründung abgelehnt, das
Drehbuch sei „unverfilmbar“. Nach vereinzelten Aufführungen in
Europa anlässlich des Todes Kinskis kam der Film in den späten
1990er Jahren doch noch in die Kinos.
Kinski hatte einen
exzentrischen Charakter, der von liebenswürdiger Sanftheit bis zu
fürchterlichen Zornesausbrüchen mit wüsten öffentlichen
Beschimpfungen reichte. Seine Reifejahre waren von hypochondrischen
Befürchtungen geprägt. Zugleich litt er tatsächlich an
gesundheitlichen Problemen, die ihm zu schaffen machten. Bei den
Dreharbeiten zu COBRA VERDE (1987) brach er einmal zusammen, später
in Südamerika konnte er mehrere Tage lang nicht drehen.
In dem Dokumentarfilm
MEIN LIEBSTER FEIND schildert der Regisseur Werner Herzog das
Verhältnis zwischen sich und Kinski, mit dem er in seiner Jugend
kurze Zeit in derselben Pension gelebt hatte. Herzog berichtet, dass
er einerseits von Kinski verachtet und bei Dreharbeiten oft
gedemütigt und wüst beschimpft wurde. Andererseits habe sich in
ihrem Verhältnis eine kreative und künstlerische Kraft entwickelt,
die sich auf ihre immerhin fünf gemeinsamen Filme übertrug. Herzog
beschreibt Kinski auch als außerordentlich fleißigen Schauspieler,
der seine Rollen tagelang einstudierte, allerdings auch – oft
grundlose – Wutanfälle hatte, insbesondere dann, wenn er den
Eindruck hatte, nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen.
Häufig verkörperte
Kinski Schurken und Psychopathen und bestätigte dieses Image durch
sein exzentrisches, aggressives Auftreten in der Öffentlichkeit.
Legendär ist sein Auftritt in der WDR-Talkshow Je später der
Abend im Jahr 1977, in der er auf viele Fragen des Moderators
Reinhard Münchenhagen nicht einging, ihn aber immer wieder mit „Herr
Münchhausen“ anredete und sich mit einem Zuschauer anlegte.
Zwischenrufer aus dem Publikum wurden von ihm gern als „Du dumme
Sau“ und „Scheiß-Gesindel“ beschimpft. Seine von Armut und
Verzicht gezeichnete Kindheit und Jugend glich er später durch einen
aufwändigen Lebensstil aus. Dennoch oder gerade deswegen übernahm
er nach eigener Aussage den größten Teil seiner Rollen aus Geldnot
und trat in Produktionen des europäischen Horror- und Softsexfilms
der 1970er und des internationalen B-Actionfilms der 1980er Jahre
auf.
In einem Interview mit
der Zeitschrift >Stern erzählte Nikolai Kinski, er habe kein
einziges Mal erlebt, dass sein Vater privat je aggressiv oder
ausfallend geworden sei, und sagte über ihn: „Mein Vater war
privat der sanfteste Mensch, den man sich vorstellen konnte“.
Auch Egar
Wallace-Stammregisseur Alfred Vohrer und Joachim Fuchsberger, die in
den 1960er Jahren häufig mit Kinski gedreht hatten, beschrieben ihn
rückblickend als ruhigen und unauffälligen Kollegen mit
liebenswürdigen Zügen. Auch zahlreiche italienische
Genre-Regisseure äußern sich durchweg positiv über Kinski.
Kinski starb am 23.
November 1991 im Alter von 65 Jahren in seinem Anwesen im
kalifornischen Lagunitas an Herzversagen.
Das erste Filmwerk
unserer Kinski-Nacht ist ein Italowestern aus dem Jahr 19XX,
inszeniert von B-Film-Veteran Antonio Margheriti. Der unschuldig zu
zehn Jahren Steinbruch verurteilte Guy Hamilton Kinski) kommt auf
freien Fuß und schwört blutige und erbarmungslose Rache an seinem
früheren Freund Acombar (Peter Carsten), der ihm einen Mord
angehängt hat, um sich Hamiltons wertvolle Bergbaugrube unter den
Nagel reißen zu können.
Margheriti verknüpft
hierbei klassische Western-Szenarien mit Motiven des
Gothic-Horrorfilms, eine ungewöhnliche Genremixtur, die
atmosphärisch und inhaltlich allenfalls mit Clint Eastwood EIN
FREMDER OHNE NAMEN (1970) vergleichbar ist. Kinski glänzt in dieser
unheimlichen Paraderolle, obendrein eine seiner wenigen Hauptrollen
in einem Genrefilm der Ära.
Rezension von GrossOut auf Allesglotzer:
http://allesglotzer.blogspot.com/2011/07/satan-der-rache.html
http://allesglotzer.blogspot.com/2011/07/satan-der-rache.html
Der zweite Filmbeitrag
wurde von Werner Herzog im Jahr 1971 gedreht und markiert insofern
einen Meilenstein, da es sich um die erste Zusammenarbeit zwischen
Herzog und Kinski handelt.
Anno 1560: Die
Amazonasexpedition einiger spanischer Conquistadores gerät zum
Himmelfahrtskommando – in dem Irrglauben das legendäre Goldland
Eldorado zu entdecken, dringt Lope de Aguirre (Kinski) mit seinen
Leuten immer tiefer ins "Herz der Finsternis", bis er
endgültig dem Wahnsinn verfällt…
Interview mit Kinski aus den 70ern:
http://www.youtube.com/watch?v=c0Efhz8jxNI
http://www.youtube.com/watch?v=c0Efhz8jxNI
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