Texas Terror-Nacht
am Freitag, den 5.03. um 23 Uhr im Kino Babylon der Pelmke
In Texas ist ein Menschenleben nicht viel wert. Das wusste schon M. Emmet
Walsh als Auftragskiller Visser in BLOOD SIMPLE, dem Debutfilm der
Gebrüder Joe und Ethan Coen. Keine Gegend der Welt — und
speziell in den USA — scheint besser geeignet für das Genre
des sogenannten Terrorfilms.
Was genau darf man darunter verstehen? — Anders als im herkömmlichen
Horror- oder Splatterfilm wird die Bedrohung für die
Protagonisten nicht durch Monster, Zombies oder Außerirdische
dargestellt, sondern durch (mehr oder weniger) normale Menschen. Der
Horror dringt nicht von außen ein, wird nicht durch das
Unbekannte personifiziert, sondern kommt von innen. Das ist es, was
das Grauen besonders unbegreiflich macht: die Erkenntnis, dass die
Gefahr aus der menschlichen Gesellschaft selbst in die Normalität
der scheinbaren bürgerlichen Sicherheit eindringt.
Eines der extremsten und klassischsten Beispiele des Terrorkinos der 70er Jahre
war Wes Cravens LAST HOUSE ON THE LEFT (Dt.: "Mondo Brutale") von
1972, ein Film, der selbst 38 Jahre später noch die Wirkung
eines Fausthiebs in die Magengrube hat. Erst kürzlich wurde ein
Remake gedreht, was jedoch an die Radikalität des Originals
nicht heranzureichen vermag.
Die soziopathischen Killer und Vergewaltiger des Terrorkinos sind keine
maskierten, überdimensionalen Schattenwesen wie im Slasherfilm
(etwa HALLOWEEN oder FREITAG DER 13.). Die Dämonisierung ist
endgültig aufgehoben — das Böse versteckt sich nicht
länger hinter dem Monströsen, es trägt das Gesicht von
Nachbarn, Freunden, Mitmenschen.
Die Geschichten folgen, speziell im Backwood-Film, einem streng
definierten Untergenre im Terrorkino, einem stets ähnlichen
Strickmuster — man könnte fast sagen, einem Kodex:
Eine Familie oder jugendliche Clique begibt sich auf eine zunächst idyllische Reise in die Wildnis/Wüste/Provinz/in unwegsames Gelände. Häufig weist ein wunderlicher Einsiedler als letzter Außenposten der Zivilisation den (Irr-)Weg, der letzte (oft bereits schrullige oder leicht verrückte) Vertreter der menschlichen Gesellschaft, welche die Protagonisten hinter sich lassen, aber andererseits auch, das schwant dem Zuschauer, als Vorbote dessen, was bald über sie hereinbrechen wird.
Eine Familie oder jugendliche Clique begibt sich auf eine zunächst idyllische Reise in die Wildnis/Wüste/Provinz/in unwegsames Gelände. Häufig weist ein wunderlicher Einsiedler als letzter Außenposten der Zivilisation den (Irr-)Weg, der letzte (oft bereits schrullige oder leicht verrückte) Vertreter der menschlichen Gesellschaft, welche die Protagonisten hinter sich lassen, aber andererseits auch, das schwant dem Zuschauer, als Vorbote dessen, was bald über sie hereinbrechen wird.
Die Reisenden verirren sich oder erleiden weitab jeglichen möglichen
Rückwegs eine Panne, was Tür und Tor für den Terror
öffnet.
Unsere bürgerlichen Protagonisten treffen nun auf entflohene
Straftäter/Sadisten/ Kannibalen, auf entmenschte Menschen, auf
das entartete, perverse Spiegelbild ihrer selbst.
Diese Antagonisten, oftmals auch eine Sippe oder familiärer Bund,
eröffnet eine gnadenlose Jagd, in deren Verlauf die Bürgerlichen
empfindlich dezimiert werden. Die Harmlosesten (vermeintlich:
Unschuldigen) trifft es zumeist am härtesten, diesen galligen
Spaß möge man den Regisseuren des Genres gönnen. Etwa
zur Mitte der Filme besinnen sich die Verbliebenen ihres
Überlebenswillens, beginnen zurückzuschlagen und schütteln
die ihnen verbliebenen, angekratzten Reste von Moral, ethischen
Schranken und Humanität ab. Sie werden selber zusehends
"entmenscht", verlieren ihre Tabus, mutieren von Opfern zu
Tätern.
Die Zivilisation und ihre *Werte* entpuppen sich als eine Art dünner
Lack, der zu bröckeln beginnt, was auf den Zuschauer verstörend
wirken kann und soll. Die Verstörung wächst, wenn der
Kinobesucher sich dabei ertappt, plötzlich die Seite zu wechseln
und seine Sympathie unmerklich zu den Antagonisten überschwappt.
Derartige Verschiebungen stellen den Zuschauer vor eine kaum zu lösende
Frage: Soll er die filmische Gewalt genießen, was "böse"
wäre, oder sie verabscheuen, was "gut" ist? Macht ihn das
Betrachten der Bilder zum schockierten Betrachter oder gar zum
Mittäter?
Weitere Filmbeispiele des klassischen Terrorkinos sind THE HILLS HAVE EYES
("Hügel der blutigen Augen"), 1977, oder der
schwarz-komödiantische MUTTERTAG (1980). Die Italiener
reagierten ihrerseits auf das Subgenre und schickten ihre Beiträge
ins Rennen, die zudem mit dem charismatischen LAST
HOUSE-Hauptdarsteller David Hess besetzt wurden: AUTOSTOP SANGUE
ROSSO ("Wenn du krepierst, lebe ich"), 1977, und LA CASA SPERDUTO
NEL PARCO ("Der Schlitzer"), 1980. Einer der Wegbereiter des
Backwood-Genres ist John Boormans grandioser DELIVERANCE ("Beim
Sterben ist jeder der Erste"), 1972.
Der zeitgenössische Terrorfilm erlebt seine Renaissance vor allem in
Frankreich, während die USA fast ausnahmslos schwächliche
Remakes produzieren. Einer der besten Vertreter ist Alexandre Ajas
HAUTE TENSION ("High Tension") von 2003, der Elemente des
Terrorkinos mit dem Slasher-Genre verbindet. Es folgte FRONTIER(S)
aus dem Jahr 2007 von Xavier Gens, sowie der blutrünstige À
L´INTÉRIEUR ("Inside"), ebenfalls 2007, von
Alexandre Bustillo, der in Deutschland trotz massiver Schnitte
mittlerweile beschlagnahmt wurde.
Unser Exkurs führt uns zurück in den blutigen Staub der
texanischen Provinz.
Ein Meilenstein des Terrorfilms wurde von Tobe Hooper im Jahre 1974
inszeniert. Bis zum heutigen Tage gilt diese filmische Tour de Force
als ein unerreichter Klassiker des Subgenres. Zwar wurden gleich
mehrere Fortsetzungen, Prequels und Remakes gedreht, aber keins davon
kann dem Original das Wasser reichen.
Vier junge Leute begeben sich mit ihrem Volkswagen-Bus auf einen
Wochenendausflug ins Hinterland. Dort treffen sie auf die Sippe der
Hewitts — eine etwas andere Familie...
Review von Carsten Henkelmann auf senseofview.de
http://www.senseofview.de/review/283
http://www.senseofview.de/review/283
Der zweite Filmbeitrag unserer texanischen Nacht wurde fast 30 Jahre später
von Rob Zombie auf Zelluloid gebannt und macht uns mit einer anderen
"etwas anderen" Familie bekannt — der Sippe Firefly. Der Film
gilt als Fortsetzung von Zombies Debütwerk HOUSE OF 1000
CORPSES, funktioniert jedoch auch als eigenständige Geschichte.
Hier verwischen sich die Konturen von "Gut" und "Böse"
endgültig: Der Zuschauer wird im Verlauf der Handlung regelrecht
dazu gezwungen, die Perspektive der Täter einzunehmen, die
Antagonisten werden restlos zu Protagonisten und schließlich
sogar zu Sympathieträgern. Ein äußerst verstörendes
Seherlebnis, bei dem das Popcorn im Halse stecken bleibt...
Review von Carsten Henkelmann auf senseofview.de
http://www.senseofview.de/review/684
http://www.senseofview.de/review/684
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Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.