Samurai-Nacht
am Freitag, den 05.02. um 23 Uhr im Kino Babylon der Pelmke
Die Ursprünge des Samuraifilms (japanisch: Chambara Eiga)
liegen im japanischen Kabuki- und Nō-Theater. Bereits in diesen traditionellen
dramatischen Kunstformen wurde die Figur des Samurai (oder des Ronin,
des herrenlosen Samurai) auf der Bühne eingesetzt, wenngleich
die Aufführungen wenig actionbetont waren. Dies änderte
sich erst, als die ersten Samurai-Epen nach Ende des zweiten
Weltkriegs die — zunächst nur einheimischen — Leinwände
eroberten. Das ehrenvolle, traditionelle Bild des Samurai wandelte
sich zugunsten von dunkleren, seelisch aufgewühlten und
gewalttätigen Kriegern, deren innerer Konflikt oftmals die
Abkehr von alten Werten und Normen darstellte.
Der Begriff "Chambara" (je nach Region auch "Chanbara")
leitet sich ab vom Klang der Musik, die in der Stummfilmzeit bei historischen Filmen,
hauptsächlich während Schwertkampf-Szenen, verwendet wurde
und sehr rhythmisch war (z.B. wurden traditionelle Taiko-Trommeln
eingesetzt).
Einer der großen Wegbereiter des modernen Samuraifilms war Akira Kurosawa (* 23. März
1910; † 6. September 1998). Kurosawa studierte zunächst Malerei, schrieb dann
fast 50 Drehbücher, bis er 1943 zum ersten Mal Regie führte (JUDO SAGA — DIE LEGENDE VOM GROSSEN JUDO).
1959 gründete er seine eigene Produktionsfirma. Zu seinen Werken
zählen unverzichtbare Klassiker des japanischen Kinos, wie
RASHOMON, DIE SIEBEN SAMURAI oder RAN.
Kurosawa portraitierte die Samurai in seinen Filmen meistens als Einzelgänger und
einsame Wanderer, die ihre kämpferischen Qualitäten eher
verbergen, als mit ihnen zu prahlen. Seine Samurai-Epen beschwören
nicht den Glanz und die Bedeutung einer elitären Kaste herauf,
sondern zeigen sie als durch die zunehmende Einführung von
Schusswaffen arbeitslos und zu Landstreichern gewordene Proletarier, die frei von Lohnarbeit,
Besitz und Produktionsmitteln trotz ihrer immensen Fähigkeiten als Klasse untergehen. Die
Schwertkämpfe finden in abgewrackten Städten oder im
Schlamm armer Provinzdörfer statt.
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Neben Kurosawas einzigartigem visuellen Stil, waren es vor allem seine
außergewöhnlichen Sujets, die ihn aus der Masse
herkömmlicher Produktionen herausragen ließen. So
verfilmte er auch Stoffe, die an die Dramen von William Shakespeare
angelehnt waren, wie etwa DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD (Macbeth) und
RAN (König Lear). Mehrere von Kurosawas Werken erfuhren Remakes
durch westliche Regisseure, darunter Sergio Leones FÜR EINE
HANDVOLL DOLLAR (Remake von YOJIMBO) oder DIE GLORREICHEN SIEBEN von
John Sturges.
Chambara-Filme sind in Japan eng verbunden mit dem Genre des Jidaigeki-Eigu, dem
Historienfilm. Der Begriff "Jidaigeki" bezieht sich auf
Geschichten, die in einer bestimmten historischen Epoche angesiedelt
sind (z.B. der berühmten Tokugawa-Ära), aber nicht
zwangsläufig mit der Figur des Samurai zu tun haben müssen.
In diesen Filmen sieht man Samurai vielmehr als loyale Elitesoldaten
eines Fürsten oder Shogun, während die Epen Kurosawas den
Samurai meistens aus diesem rigiden Kontext herausgelöst zeigen.
Der Großteil der Samurai-Geschichten ist in der bereits erwähnten Tokugawa-Ära
angesiedelt, einer historischen Epoche, die von ca. 1600 — 1868
währte. Häufig handeln die Storys vom Verlust der typischen
Werte, vom Abweichen vom "Weg des Kriegers", dem Bushido, oder
portraitieren herrenlose und abtrünnige Samurai, die sogenannten
Ronin. In einigen extremen Fällen werden sogar Krieger
gezeichnet, die den menschlichen Weg restlos verlassen haben und als
(Auftrags-)Mörder durch die Lande ziehen oder allein vom
Gedanken der Rache angetrieben werden. Ein häufiges Thema ist
auch der Wandel der Gesellschaft, mit dem der Samurai nicht Schritt
halten kann.
Der Chambara Eiga erlebte seine Blütezeit in den 70er Jahren, bis der Siegeszug
seichter Fernsehserien, das zunehmende Älterwerden der großen
Stars des Genres (z.B. Toshiro Mifune oder Shintarō Katsu) und der
schleichende Niedergang des japanischen Genrekinos dem klassischen
Samuraifilm ein Ende bereiteten. Erst in den letzten Jahren haben
sich junge Filmemacher auf dieses intensive und künstlerisch
herausfordernde Genre zurückbesonnen, und es werden wieder
vermehrt Chambara-Stoffe in Japan produziert.
Neben Kurosawa und seinen Filmen gibt es etliche weitere, leider aber weniger populäre
Regisseure, die sich dem Chambara Eiga angenommen haben. Die Filme
von Kihachi Okamoto, allen voran SAMURAI ASSASSIN und SWORD OF DOOM,
beleuchten Charaktere, die sich von ihrer Umgebung entfremdet haben
und Gewalt als letzten Ausweg anwenden. Hideo Gosha wiederum gilt als
Schöpfer des archetypischen "Outlaw-Samurai". Obwohl Goshas
Filme (SAMURAI WOLF, GOYOKIN oder TÖDLICHER SCHATTEN) den Werken
Kurosawas sowohl in visuellem Ausdruck als auch in erzählerischer
Hinsicht ebenbürtig sind, erlangte er im Westen nie den
Bekanntheitsgrad seines berühmten Kollegen. Goshas Filme
thematisieren häufig den Konflikt zwischen Tradition und
Moderne.
Daneben waren auch (Film-)Serien mit wiederkehrenden Charakteren in Japan sehr beliebt.
Einer der populärsten Vertreter dieser Gattung ist ZATOICHI, der
blinde Samurai, Protagonist von insgesamt 26 Kinoproduktionen. Die
Figur (ein blinder Masseur und Schwertfechter, dessen Kampfkunst auf
seinem außergewöhnlichen Gehör basiert) war derart
wegweisend, daß mehrere Filmemacher sie für Remakes
heranzogen — CRIMSON BAT, das weibliche Pendant von Zatoichi, war
Hauptdarstellerin in einer Reihe von vier Filmen.
Ein weiterer beliebter Samuraicharakter war KYOSHIRO NEMURI (in der Serie SLEEPY EYES OF
DEATH), ein vagabundierender Krieger, dessen Nemesis seine eigene
Vergangenheit ist: Als unehelicher Sohn eines portugiesischen
Priesters und einer japanischen Mutter, gerät er ständig in
den Widerstreit zwischen Tradition und Ehre auf der einen Seite und
Loyalität zur Familie auf der anderen.
Auch über den berühmten Schwertmeister MIYAMOTO MUSASHI, den Verfasser
spirituellen Kriegerleitfadens BUCH DER FÜNF RINGE, wurde eine
Reihe von sechs Kinofilmen produziert, in denen Kinnosuke Yorozuya
die Hauptrolle spielte.
Die mit Abstand absurdeste Filmreihe ist aber HANZO — THE RAZOR mit Shintarō
Katsu, bei der neben Swordplay vor allem Sex eine große Rolle
spielt.
Die wohl populärste Serie bestand aus einer Reihe von sechs Filmen, die einen abtrünnigen
Samurai als Hauptfigur hat, der mit seinem kleinen Sohn auf einem
blutigen Rachefeldzug durch die Lande zieht. Dazu später mehr...
Der Einfluss des Samuraifilms auf das westliche Kino ist unübersehbar. Zatoichi
diente als Vorlage für zwei Aufgüsse: die amerikanische
Produktion BLIND FURY mit Rutger Hauer, sowie der Italowestern
BLINDMAN von Ferdinando Baldi. Sergio Leone nennt Kurosawa als seinen
Haupteinfluss, was auch anhand seines visuellen Stils erkennbar ist.
Walter Hills LAST MAN STANDING ist ein weiteres Remake von YOJIMBO
und George Lucas führt THE HIDDEN FORTESS als Inspirationsquelle
für seine STAR WARS-Saga an.
Die Struktur vieler Samuraifilme ähnelt tatsächlich oftmals dem typischen
Italowestern. Häufig wird die Figur des "einsamen Wolfs"
thematisiert, oft geht es um Rache. Der größte Unterschied
zwischen beiden Genres ist die Motivation: Der (Anti-)Held im
Spaghettiwestern wird häufiger von "niederen" Beweggründen
angetrieben (z.B. Geld), während es sich beim Samurai zumeist um
die Wiederherstellung oder den Erhalt von Ehre dreht. Was beide
Genres gemeinsam haben ist das Motiv der Blutrache.
Während der Bahnhofskino-Ära in Deutschland standen in diesen
Lichtspielhäusern häufig Samuraifilme auf dem Programm,
wobei diese selten von den üblichen Kung Fu-Streifen der Zeit
abgegrenzt wurden. Sicherlich ein Fehler, denn der Charakter der
Chambara Eiga unterscheidet sich gewaltig von den typischen Martial
Arts-Krachern, wie sie beispielsweise von den Shaw Brothers am
Fließband produziert wurden. Freilich kümmerte das den
durchschnittlichen Kinogänger herzlich wenig.
Im Februar zeigt der Filmclub BALI Ihnen als ersten Vertreter seiner Gattung ein kleines
Juwel: den ersten Teil einer Reihe von sechs legendären Filmen,
die den Rachefeldzug des Ogami Itto zum Inhalt haben. Ogami verdingte
sich als offizieller Kaishakunin des Shoguns (eine Art ritueller
Henker, der entehrten Adligen den Kopf abschlägt, während
die Harakiri begehen), bis er durch Verrat, Mord und Intrige zum
Witwer gemacht wird und fürderhin mit seinem kleinen Sohn
Daigoro den "Pfad der Hölle" geht — er wird zum
(Auftrags-)Mörder. Der Clou dabei ist, daß er sein
Söhnchen in einem hölzernen Kinderwagen vor sich
herschiebt, der nach Art eines James Bond-Fahrzeugs mit Waffen
gespickt ist.
In der Hauptrolle sehen sie Tomisaburō Wakayama in einem gleichermaßen gewalttätigen
wie poetischen Meisterwerk von Kenji Misumi aus dem Jahr 1972.
Review auf senseofview.de von Frank Meyer:
http://www.senseofview.de/review/622
http://www.senseofview.de/review/622
Der zweite Beitrag wurde 1974 von Toshiya Fujita inszeniert und erzählt die
Geschichte von Yuki Mashima, einer jungen Frau, die von ihrer Mutter
nur zu einem einzigen Zweck geboren wurde: um als Instrument der
Blutrache zu dienen. Der Film gereichte u.a. Quentin Tarantino als
Inspiration für KILL BILL — mit der Unterweltkönigin
O-Ren Ishii schuf er eine Hommage an die Rolle von Meiko Kaji und
verwendete beim finalen Duell im Schnee auch den von ihr eigens
gesungenen Titelsong.
Ein intensives Stück Filmkunst mit einer unvergleichlichen Bildsprache.
Mit wundervollen Aufnahmen und prächtigen Farben wird hier eine regelrechte
Ästhetik des Tötens zelebriert. Nie war Sterben schöner
als durch Meiko Kajis Schwert!
Review auf senseofview.de von Carsten Henkelmann:
http://www.senseofview.de/review/584
http://www.senseofview.de/review/584
Wir zeigen beide Filme im japanischen Original mit deutschen Untertiteln!
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.