Krautploitation-Nacht
am Freitag, den 24.09. um 23 Uhr im Kino Babylon der Pelmke
Exploitation,
Sexploitation,
Blaxploitation
– das
alles sind Begriffe, die sich bereits geschmeidig in den alltäglichen
Sprachgebrauch des Filmfreundes integriert haben. Hauptsächlich
handelt es sich hierbei um preiswert heruntergekurbelte Importware
aus B-Film-erprobten Ländern wie Italien, Frankreich oder den
USA. Was nur wenige Eingeweihte wissen: Selbst in unserer
Bananenrepublik entstanden in den 60er und 70er Jahren zahlreiche
Filme mit exploitativen Inhalten – in Kennerkreisen als
Krautploitation bezeichnet. (Der Fachausdruck bedient bewusst das
Klischee des Deutschen vom permanent Wurst fressenden, Bier saufenden
und Sauerkraut inhalierenden Wüterich mit Pickelhaube. Was im
Großen und Ganzen richtig ist.)
Jawoll,
auch in good old Germanien wurden B-Filme gedreht! Und das zu einer
Zeit, als weltfremde und selbstverliebte Möchtegern-Kunstfilmer
wie Achternbusch, Kluge & Konsorten das Publikum mit
pseudo-literarischem Großkotzertum aus den Lichtspielhäusern
ekelten. Filme wurden mit den Mitteln der staatlichen Filmförderung
hergestellt, da kümmerte man sich einen Scheißdreck um das
zahlende Publikum. Elitäre 68er-Snobs feierten sich selbst und
ihre langweiligen Ergüsse, die Leinwände verkopften und
vertrockneten, während die Zuschauer zunehmend in die Röhre
glotzten – der (beinahe!)Tod des Kinos und der Siegeszug des
Fernsehens ist zum Gutteil diesem Missstand geschuldet.
Beim
Begriff „Deutsche B- und C-Filme” werden den meisten Menschen
allenfalls die alpinen Lederhosen-Sexfilmchen oder die zahllosen
„Lass jucken, Kumpel!”-Derivate mit schlüpfrigem
Ruhrpott-Kolorit einfallen. Dann wären da noch Edgar Wallace,
Karl May und Jerry Cotton. An einem Ende der Messlatte gammelten die
harmoniesüchtigen Nachkriegs-Heimatschinken für Oma und
Opa, am anderen Ende das Gefummel in den „Schulmädchen-Reporten”
für verklemmte Spießbürger.
Aber es
ging auch anders: Der große Roland Klick schuf mit dem genialen
DEADLOCK (1970) eine Art deutschen Italowestern oder mit SUPERMARKT
(1973) eine Mischung aus Gangsterfilm und Jugenddrama – für
diesen Frevel wurde er von den bundesdeutschen „Autorenfilmern”
mit Ächtung gestraft, die Kritik ignorierte seine Werke. Selbst
der vom „Oberhausener Manifest” akzeptierte Hans W. Geißendörfer
drehte mit seinem Debüt JONATHAN (1970) einen waschechten
Vampirfilm.
Zu einem
der fleißigsten und fähigsten Handwerker in der Zunft der
Krautploitation zählt Rolf Olsen. Bereits mit seinem sleazigen
B-Krimi RASTHAUS DER GRAUSAMEN PUPPEN (1967) machte er deutlich,
woher der Wind künftig wehen sollte. Es folgten eine ganze Reihe
– teilweise wirklich toller – Filme, die Hamburg oder St. Pauli
zum Schauplatz der Handlung hatten. Dazu gehörten AUF DER
REEPERBAHN NACHTS UM HALB EINS (1969), DAS STUNDENHOTEL VON ST. PAULI
(1970) und KÄPT'N RAUHBEIN AUF ST. PAULI (1971), alle mit Curd
Jürgens.
Sein
Meisterwerk schuf Olsen aber 1972 mit dem rasanten und ultrabrutalen
Gangsterfilm BLUTIGER FREITAG, in dem man den legendären
Kartoffelzerquetscher Raimund Harmstorf in seiner wohl besten Rolle
als skrupellosen Bankräuber „Heinz Klett” bewundern kann.
Die
Kautploitation trieb etliche bizarre Blüten. Schlagergott
Christian Anders drehte den extrem unterhaltsamen Kung Fu-Kracher
BRUT DES BÖSEN (1979) und den Insel-Sexploiter DIE TODESGÖTTIN
VOM LIEBESCAMP (1981), zwei Filme, die mit ihrem Trashgehalt den
Kopfumfang sprengen; Ingrid Steeger ließ sich in ICH – EIN
GROUPIE (1970) splitternackt und vollgedröhnt mit Heroin in
Schwabing platt fahren; Fassbinder-Stammakteur Kurt Raab tauchte tief
in schmierige Gewässer mit seinem „Women in Prison”-Vertreter
INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE (1982); Herbert Fux und Udo Kier spielten
gemeinsam in dem Inquisitions-Folterfilm HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT
(1970); der spanische C-Film-Papst Jess Franco kurbelte etliche
Streifen auf deutschem Boden und mit deutschem Ensemble herunter, so
etwa NECRONOMICON – GETRÄUMTE SÜNDEN (1967), DER
TODESRÄCHER VON SOHO (1971) mit Horst Tappert, JACK THE RIPPER –
DER DIRNENMÖRDER VON LONDON (1976) mit Klaus Kinski und Herbert
Fux oder DIE SÄGE DES TODES (1981) mit Olivia Pascal (!), um nur
einige zu nennen. Sogar ein „deutscher Zombieschocker” entstand
zu dieser Zeit: DER IRRE VOM ZOMBIEHOF (1978), in dem aber weder
Irre, noch Zombies auftauchten.
Aber nicht
nur das Heimatland brachte erstaunliche Genreproduktionen zustande,
auch die benachbarten Emirate waren nicht untätig: Der
Österreicher Eddy Saller drehte die unvergesslichen
Exploitation-Kanonen GEISSEL DES FLEISCHES (1965) mit Herbert Fux und
SCHAMLOS (1968) mit Udo Kier, die in keiner gepflegten
Schmuddelfilmsammlung fehlen sollten.
Der
Filmclub BALI hat es sich zur Aufgabe gemacht, einige dieser
vergessenen Juwelen des deutschen Schmutz & Schund-Kintopps aus
der Mottenkiste zu graben und zur Wiederaufführung auf die große
Leinwand zu bringen. In einer breit angelegten Retrospektive
(hüstel!) werden wir in der kommenden Zeit einige unterschlagene
Meisterwerke der Krautploitation präsentieren.
Den Anfang
machen zwei Produktionen aus der Filmschmiede des Wolf C. Hartwig
(u.a. EIN TOTER HING IM NETZ) und seiner Firma Rapid-Film.
Der erste
Beitrag wurde 1973 von Krimi-Veteran Jürgen Roland in Szene
gesetzt und gilt als einer der besten deutschen Gangsterfilme –
obwohl er ein absoluter Geheimtip für Insider ist. Es lassen
sich deutliche Parallelen zum damals populären Gangster- und
Polizeifilm aus Italien ziehen, was durch die Mitwirkung von
Italo-Gangster-Ikone Henry Silva (DER BERSERKER, DIE RACHE DES PATEN)
noch unterstrichen wird.
Inhalt:
In Hamburg
ist die Hölle los: Unterweltboss Otto Westermann (Herbert
Fleischmann) hat nicht nur seine liebe Not, seinen rebellischen
Sohnemann (Horst Janson) an der kurzen Leine zu halten, obendrein
wird sein Imperium aus Prostitution, Glücksspiel und
Drogenhandel von dem zugereisten Italo-Amerikaner Luca Messina (Henry
Silva) bedroht – denn der will nicht nur ein Stück, sondern
gleich die ganze Torte! Man kommuniziert mit der rauhen Sprache der
Gosse: Fäuste, Messer und Schießeisen sprechen zum Gebet.
Ein blutiger Bandenkrieg scheint unausweichlich, und bald brennt in
Blankenese der Asphalt…
Der zweite
Film unseres deutschtümelnden Nachtprogramms ist ein ganz
besonderes Schmankerl, denn es handelt sich um eine Koproduktion der
Münchner Rapid-Film mit der Zelluloidschmiede der Shaw Brothers
aus Hongkong, auf deren Konto etliche Kung Fu-Klassiker der 70er
Jahre gingen. Den Regiestuhl teilten sich Ernst Hofbauer (WENN DIE
PRALLEN MÖPSE HÜPFEN) und Kuei Chi-Hung (DAS BAMBUSCAMP DER
FRAUEN). Was den Film zu einem unvergleichlichen Kleinod des
Exploitation-Kinos macht, ist vor allem seine unfassbar sleazige
Mischung aus Sex-Krimi à la Russ Meyer und überkandidelter
Martial Arts-Komödie, was gekrönt wird durch eine gnadenlos
kalauernde Asi-Synchronisation, die man einfach gehört haben
muss, um es zu glauben…
Nie war
Bahnhofskino essentieller als hier!
Inhalt:
Chinesische
Piraten überfallen ein Handelsschiff und verschleppen fünf
junge Damen, um sie als Lustsklavinnen an schlitzäugige
Bösewichte zu verscherbeln, denen sie gegen ihren Willen zum
Wohlgefallen dienen sollen. Da haben die garstigen Chinamänner
aber die Rechnung ohne unsere blonden Katzen gemacht, denn die können
nicht nur wild küssen – sondern auch Karate!
In der
Pause zwischen den Filmen wird im Café des Kinos eine deftige,
urdeutsche Zwischenmahlzeit serviert.
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.