Italo Gangster-Nacht
am Freitag, den 09.04. um 23 Uhr im Kino Babylon der Pelmke
Ähnlich wie der Polizeifilm ("Poliziescho" oder "Poliziottescho" —
siehe hier) erfreute sich in Italien der 70er Jahre
auch der Gangsterfilm großer Beliebtheit beim Kinopublikum.
Erwartungsgemäß waren die italienischen Vertreter des Genres in
jeder Hinsicht rauer, wilder und bodenständiger als ihre angloamerikanischen
Gegenstücke. Auch hier galt wieder: Italienische Filme wurden
für den "kleinen Mann" gedreht, für das einfache Volk,
das im Kino in erster Linie Unterhaltung und Zerstreuung suchte.
Daher wurde in erster Linie auf handfeste Schauwerte gesetzt —
Schießereien, Explosionen, Autoverfolgungsjagden, nackte Haut
und harte Kerls waren Pflichtstoff auf der Leinwand. "Politische
Korrektheit" war ein Fremdwort; oft verschwamm die Grenze zwischen
Gesetz und Halbwelt, der Polizist war bei der Wahl seiner Methoden
vom Kriminellen kaum zu unterscheiden.
Zwei der fleißigsten und fähigsten Regisseure im Genre des
Polizei- und Gangsterfilms dieser Zeit waren FERDINANDO DI LEO und
UMBERTO LENZI, die einige der wichtigsten und besten Vertreter ihrer
Gattung inszeniert haben.
Ferdinando di Leo wurde am 11. Januar 1932 in San Ferdinando di Puglia geboren.
Nach einem Jurastudium gewann er als 19jähriger bereits einen Literaturpreis
und verdingte sich zunächst als Literaturkritiker für das Magazin
Cabaret. 1963 drehte er mit anderen Diplomanden des Centro Sperimentale di Cinematografia den
Episodenfilm GLI EROI DI IERI, OGGI, DOMANI und war seither vor allem
als Drehbuchautor für Italowestern aktiv.
Aus seiner Feder stammen zahlreiche wegweisende Beiträge zum Genre, u.a. EINE PISTOLE
FÜR RINGO und RINGO KOMMT ZURÜCK von Duccio Tessari, sowie die Corbucci-Filme DJANGO und NAVAJO JOE.
Seine Laufbahn als Regisseur begann 1967 mit der Satire ROSE ROSSO PER IL
FÜHRER. In Fankreisen bekannter ist sein sleaziger Giallo
DER TRIEBMÖRDER (aka DAS SCHLOSS DER BLAUEN VÖGEL) mit
Klaus Kinski aus dem Jahr 1971.
1972 drehte er den ersten Beitrag einer Trilogie von Kriminalfilmen, durch
die er Berühmtheit erlangen sollte. MILANO KALIBER 9 ist einer
der besten Vertreter seiner Art und wartet mit einer Riege
hervorragender Darsteller auf, darunter Gastone Moschin, Mario Adorf,
Barbara Bouchet und Lionel Stander.
Der zweite Gangsterfilm aus dieser Reihe wird unser erster Film des
Abends sein — dazu später mehr.
Als dritten Beitrag zum Genre inszenierte er 1973 den knallharten Film
DER TEUFEL FÜHRT REGIE, in dem der eisengesichtige Henry Silva
einen erbarmungslosen Profikiller spielt.
Auch in späteren Jahren blieb di Leo dem Genre treu, so lieferte er
1975 den Gangsterthriller AUGE UM AUGE und ´76 den Krimi DER
STACHEL ab, weitere seiner Werke sind in Deutschland leider nahezu
unbekannt, so z.B. IL POLIZIOTTO È MARCIO. 1976 schrieb er das
Drehbuch zu Ruggero Deodatos Kult-Polizeifilm EISKALTE TYPEN AUF
HEISSEN ÖFEN, der eine zynische Parodie auf das Genre darstellt.
Ferdinando die Leo starb am 1. Dezember 2003 im Alter von 71 Jahren in Rom.
Der verdienstvolle Umberto Lenzi wurde am 6. August 1931 in Massa Marittima geboren.
Nach seiner Schulzeit arbeitete Lenzi zunächst als Journalist für Lokalblätter,
bevor er am Centro Sperimentale di Cinematografia die technischen
Aspekte des Filmemachens erlernte, die er bald als Regieassistent und
schon 1961 mit seinem ersten eigenen Film anwenden konnte. Seither
war Lenzi ein verlässlicher Arbeiter in allen gefragten Genres
und drehte von Kostümschinken,
Polizeifilmen,
Italowestern und
Zombiefilmen bis hin zu
Gialli alles, was populär
und gefragt war. Zu seinen Gialli gehört u.a. DAS RÄTSEL DES SILBERNEN
HALBMONDES, der in Deutschland unter dem Etikett der Edgar
Wallace-Filmreihe veröffentlicht wurde.
Berühmt wurde er vor allem durch seine zahlreichen soliden Poliziotteschi, in
denen oftmals der charismatische und extrem wandelfähige Tomas
Milian die Hauptrolle spielte. Mit Milian drehte Lenzi spannende
Kriminalfilme wie DER VERNICHTER, DIE VIPER und DIE KRÖTE, sowie
den zweiten Filmbeitrag unserer Gangster-Nacht, auf den wir später
noch zu sprechen kommen werden.
Zweifelhafte Berühmtheit erlangte Signore Lenzi vor allem Ende der 70er Jahre
mit seinen Beiträgen zur Kannibalen-Filmwelle (u.a. MONDO
CANNIBALE und DIE RACHE DER KANNIBALEN, der hierzulande beschlagnahmt
wurde). Leider sind es vor allem diese Machwerke, durch die er in
Deutschland bekannt wurde — obwohl seine besten Filme aus dem
Polizei- und Gangsterfilmgenre stammen.
Lenzi gehört heute zu den letzten lebenden Regisseuren aus der
Blütezeit des italienischen Genrekinos. Einstmals am Rande der
Filmkunst und als Vertreter des Kommerzkinos geschmäht, wird
seine Bedeutung mittlerweile in weiten Kreisen von Filmexperten und
Fans geschätzt und gebührend geehrt. Im Jahr 2004 war Lenzi
Gast der Filmbiennale in Venedig, in deren Rahmen ORGASMO (1969)
gezeigt wurde.
Artikel über Italo-Gangsterfilme von Christian Kessler:
http://www.christiankessler.de/gangsters70.html
http://www.christiankessler.de/gangsters70.html
Der erste Film unserer Italo-Gangster-Nacht wurde von Ferdinando di Leo
im Jahr 1972 inszeniert. Mario Adorf brilliert in der Rolle des
kleinen Gauners Luca Canali, der zwischen alle Fronten gerät.
Machtkampf in der Mafia — New York contra Mailand! Heroin im Wert von 3
Milliarden Lire ist spurlos verschwunden. Die italienische Mafia
macht Zuhälter und Kleinganove Luca kurzerhand zum Sündenbock.
Unschuldig wird er zum Freiwild erklärt und zum Abschuss
freigegeben. Freunde werden zu Verrätern, Profi-Killer jagen
ihn. Sie töten seine Frau, sie töten sein Kind — sie
töten wie Schakale! Allein und auf sich gestellt, wird der
Gejagte zum Jäger — sein Ziel: Rache...
Der Film besticht durch eine temporeiche Inszenierung und liebevoll
gezeichnete Charaktere, eine solide Kameraführung durch Franco
Villa und einen Score, der coolen Miles-Davis-Trompeten-Jazz mit
instrumentaler Nackedeimusik, funkigem Soul und Post-Beat mischt.
Die TV-Fassung wurde heftigst geschnitten: Rund 15 Minuten der ohnehin
leicht gekürzten deutschen Kinoversion, darunter nicht nur fast
alle Nude'n'Rude-Szenen, sondern einige wichtige Dialogpassagen
und ein guter Teil des Showdowns fielen der Zensurschere zum Opfer.
Wir zeigen selbstverständlich die ungekürzte Fassung!
"Ihr könnt ruhig ein richtiges Spektakel daraus machen, Jungs: Legt
ihn so um, dass ganz Mailand, ganz Italien darüber spricht."
Don Corso instruiert seine Killer-Brigade
Don Corso instruiert seine Killer-Brigade
Rezension von Michael Cholewa auf terrorverlag.de:
http://www.terrorverlag.de/filme/bespre...
http://www.terrorverlag.de/filme/bespre...
Der zweite Beitrag dieser Nacht stammt von Umberto Lenzi, entstand im
Jahr 1974 und spielt ebenfalls im schönen Mailand, wo die Blutwurst regiert.
Der psychopathische Kleingangster Giulio Sacchi (Tomas Milian) plant mit
zwei Kumpanen die Entführung der Tochter eines reichen
Industriellen, um eine halbe Milliarde Lire Lösegeld zu
erpressen. Der unerbittliche Kommissar Grandi (Henry Silva, der im
vorangegangenen Film noch einen Killer spielte) wird auf den Fall
angesetzt. Grandi läuft die Zeit davon — zumal Giulio
durchdreht und jeden umbringt, der sich gegen ihn stellt, egal ob
Freund oder Feind. Und auch sein Entführungsopfer soll am Ende
ins Gras beißen...
Lenzis Film ist mit Abstand einer der intensivsten und brutalsten Vertreter
des Genres. Tomas Milian liefert mit der Darstellung des
soziopathischen Giulio, der immer mehr die Kontrolle verliert, eine
der Glanzleistungen seiner ruhmreichen Karriere. Der Film ist flott
und kompromisslos inszeniert und untermalt wird das Geschehen von
Ennio Morricones Musik, der einen sehr düsteren Soundtrack
abgeliefert hat und nie in die oft jazzige Easy-Listening-Musik
dieser Filme abdriftet.
In Nebenrollen sehen wir u.a. die schöne Anita Strindberg und Ray
Lovelock, einer der EISKALTEN TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN.
Wir zeigen den Film in seinem ursprünglichen Cinemascope-Format und
in ungekürzter Fassung!
Rezension von Hybris auf project-equinox.de:
http://chilidog.project-equinox...
http://chilidog.project-equinox...
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.