Blaxploitation-Nacht
am Freitag, den 09.07. um 23 Uhr im Kino Babylon der Pelmke
Blaxploitation?
— What the FUCK is that??
Lassen wir zum Geleit den berühmten Filmgelehrten
Marcus Stiglegger zu Wort kommen:
Einige Anmerkungen zum dem englischen Begriff Exploitation, der wörtlich
übersetzt "Ausbeutung" bedeutet: Er umschreibt die Intention
des Filmemachers, aus einem populären Thema mit reißerischem
Potential ein Höchstmaß an spektakulären Effekten zu
gewinnen. Als Themen bieten sich alle Sujets an, die Voraussetzungen
für die explizite Darstellung von Gewalt- und Sexualakten
garantieren: Prostitution, Halbwelt, Subkulturen, Gefängnisse,
Gefangenenlager, Bürgerkriegssituationen, Sekten, Kannibalismus,
Inquisition, Sklaverei; immer spielen von Dominanz und Unterwerfung
geprägte Zwangssysteme eine Rolle. In den siebziger Jahren, die
durch eine Lockerung der Zensurbestimmungen neue Voraussetzungen in
der Filmwirtschaft geschaffen hatten, kam es regelmäßig zu
ganzen Zyklen thematisch ähnlich gelagerter Exploitationfilme,
die sich jeweils dem Erfolg eines aufwendiger produzierten Vorbildes
anschlossen: Richard Fleischers Südstaatendrama MANDINGO (1974)
zog neben der offiziellen Fortsetzung vornehmlich italienische Werke
wie MANDINGA — WEISSE HERRIN IM SKLAVENCAMP (1977) von Mario
Pinzauti nach sich, oder auf Michael Reeves' Inquisitionsdrama DER
HEXENJÄGER(1968) mit Vincent Price folgte etwa eine Reihe von
Hexenfilmen, auf Ken Russells DIE TEUFEL (1970) eine Reihe von
Nonnenfilmen ("Nunsploitation"), die ihr Thema als Vorwand für
die genüßliche Zelebrierung historischer Folterorgien
benutzten, usw.
-- Marcus Stiglegger in SADICONAZISTA: FASCHISMUS UND SEXUALITÄT IM FILM
-- Marcus Stiglegger in SADICONAZISTA: FASCHISMUS UND SEXUALITÄT IM FILM
Weitere Unterarten des Exploitation-Kinos werden bezeichnet als "Sexploitation"
(Filme mit Softporno-Anteilen), "Krautploitation" (deutsche Schmuddelfilme),
"Mexploitation" (B- und C-Ware aus Mexiko), "Naziploitation" (Nomen est Omen!) — oder eben
"Blaxploitation".
Als Reaktion auf die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten
Staaten, schossen zahlreiche kleine Filmproduktionen aus dem Boden,
die das neue Selbstbewusstsein der afroamerikanischen Bevölkerung
zum Thema hatten. Die Filmindustrie erkannte die Möglichkeiten
dieses neuen Marktsegments und konzentrierte sich zunehmend auf
"schwarze" Inhalte, die vor allem die Angehörigen der
gettoisierten Unterschicht ansprechen sollten. Emanzipatorische
Botschaften und eine schonungslose Darstellung der politischen
Realität in den Slums wurden zumeist als Aufhänger genutzt,
um Low Budget-Gangstermovies und explizite Darstellung von Sex &
Gewalt auf die Leinwand zu bringen.
Endlich war auch der Neger im
Bahnhofskino
angekommen. (Beziehungsweise, in deren amerikanischer Entsprechung — den
berüchtigten
Grindhouses.)
Das Blaxploitation-Genre wurde auch vorwiegend von schwarzen
Schauspielern, Autoren und Regisseuren beackert. Als Aushängeschilder
dieser Filme galten u.a. der Regisseur Melvin van Peebles (der 1970
den ersten afroamerikanischen Autorenfilm SWEET SWEETBACK´S
BADAAAASSS SONG drehte), die Schauspieler Richard Roundtree (SHAFT,
1971), Fred Williamson (HEISSE HÖLLE HARLEM, 1973 oder DREI
EISKALTE PROFIS, 1974) oder Pam Grier (COFFY, 1972).
Als Wegbereiter des Genres und erfolgreichste Produktion gilt SHAFT
(1971), in dem mit Richard Roundtree erstmals ein Schwarzer die Rolle
des Protagonisten übernahm. Es folgten die beiden Fortsetzungen
LIEBESGRÜSSE AUS PISTOLEN (1972) und SHAFT IN AFRIKA (1973).
Das Strickmuster des Blaxploitation-Kinos war simpel, aber effektiv: eine
wenig anspruchsvolle Grundstory, die vor allem reichlich Action und
Sex enthalten sollte, wurde mit einer schlagkräftigen, potenten
Heldenfigur gepaart und mit gängigen Zutaten wie Drogen,
(Banden-) Kriminalität, Zuhälterei und einem mafiösen
Milieu gewürzt. Unverzichtbare Details stellten auch die
typische Kleidung, eine klischeebehaftete Umgangssprache und — vor
allem! — die essentielle afroamerikanische Musik dar. Häufig
wurden die Soul-lastigen Scores von bekannten Künstlern wie
Isaac Hayes (SHAFT, TOUGH GUYS), Willie Hutch (THE MACK, FOXY BROWN),
James Brown (BLACK CEASAR), Curtis Mayfield (SUPERFLY) oder Marvin
Gaye (TROUBLE MAN) beigesteuert.
Die Blaxploitation-Welle wurde ein Riesenerfolg und brachte bis Ende der
70er Jahre über 200 Filme hervor. Neben klassischen
Gangsterfilm-Stoffen entdeckten schwarze Filmemacher auch das
Horror-Genre für sich und schufen Werke wie die
Afro-Vampir-Variante BLACULA, DR.BLACK & MR.HYDE oder
BLACKENSTEIN.
Aber es kam auch zu außergewöhnlichen bis absurden Ergebnissen,
wie etwa dem Musical SPARKLE, dem Coming of Age-Drama COOLEY HIGH,
dem schwarzen Kung Fu-Film THREE THE HARD WAY oder dem unglaublichen
Blaxploitation/Naziploitation-Bastard BLACK GESTAPO.
Darüber hinaus entstanden jedoch auch Filme, die durchaus ernsthafte Töne
anschlugen, wie beispielsweise WILLIE DYNAMITE (1974), ein Drama, das
sich auf unüblich kritische Weise mit dem Lebensstil der oft
glorifizierten Zuhälter auseinandersetzte.
Lange vor dem Mainstream-Kino etablierte der Blaxploitation-Film starke und
wehrhafte Frauenfiguren. Als Ikone dieser Filme galt vor allem die
legendäre Pam Grier, die durch Genre-Meilensteine wie COFFY —
DIE WILDKATZE (1972) oder FOXY BROWN (1974) berühmt wurde,
welche auch als Inspirationsquelle für Quentin Tarantinos JACKIE
BROWN (1997) dienten. Einen großen Bekanntheitsgrad erreichte
auch Tamara Dobson als eiskalte Agentin mit den Filmen EIN FALL FÜR
CLEOPATRA JONES (1973) und CLEOPATRA JONES GEGEN DIE DRACHENLADY
(1975). Als Wegbereiter des "Tough Bitches"-Subgenre muss aber
wohl Russ Meyers FASTER PUSSYCAT! KILL! KILL!! (1965) gelten, obwohl
es in diesem B-Movie-Meisterwerk mit Tura Satana keine schwarze,
sondern eine mexikanisch-japanische (!) Knochenbrecherin zu
bestaunen gibt.
Das afroamerikanische Bildungsbürgertum verurteilte diese Filme aufs
schärfste und prangerte die stereotype Darstellung von Schwarzen
als Kriminelle, Zuhälter oder schießwütige Rächer
auch öffentlich an. Organisationen wie die NAACP, die Southern
Christian Leadership Conference oder die Urban League schlossen sich
zusammen und formten eine Art Anti-Blaxploitation-Bürgerwehr,
die Coalition against Blaxploitation. Mit Rückendeckung
zahlreicher schwarzer Sympathisanten aus der Filmbranche zerrten
diese Gruppen die schmutzige Wäsche des verhassten Genres ins
Licht der Öffentlichkeit und beschleunigten den Niedergang des
Blaxploitation-Kinos. Vor allem wurde diesen Filmen vorgeworfen,
rassistische Tendenzen nicht etwa zu bekämpfen, sondern im
Gegenteil noch zu fördern. Fragte man jedoch die breite
afroamerikanische Bevölkerung der Vorstadt-Gettos — also das
zahlende Publikum — so hatten sie mit solchen Vorwürfen
keinerlei Probleme, sondern hielten die Darstellung der "Brothas
´n´ Sistas" in diesen Filmen für die bis dato
liberalste.
Das Ergebnis der Kampagne war dann auch, dass im neokonservativen
Kulturklima der Reagan-Ära der 80er Jahre das schwarze Publikum
wieder ignoriert und farbige Filmfiguren sich dem Geschmack des
weißen, angloamerikanischen Mainstream-Zuschauers anzubiedern
hatten. Harmlose Hampelmänner und politisch unverfängliche
Buddy-Typen wie Eddie Murphy, Richard Prior und Whoopie Goldberg
beherrschten die Leinwände dieser Epoche.
Erst in den 90er Jahren schwappte eine neue Welle schwarzer Filme von
jungen afroamerikanischen Filmemachern gegen die US-Leinwände,
darunter Werke wie Spike Lees DO THE RIGHT THING (1989), John
Singletons BOYZ N THE HOOD (1991) oder Albert & Allen Hughes`
DEAD PRESIDENTS (1995).
Anno 2010 genießt das Genre größte Popularität und
hat unter Freunden des B-Films weltweit Kultcharakter, nicht zuletzt
auch wegen der hervorragenden Soundtracks, die häufig von
Rappern gesampelt und wiederverwendet werden. Stars wie Pam Grier
oder Fred Williamson sieht man bis zum heutigen Tag in
Genreproduktionen (u.a. in Carpenters GHOSTS OF MARS, FROM DUSK TIL
DAWN oder dem besagten JACKY BROWN).
Remakes und Samples des SUPERFLY-Soundtracks ziehen sich wie ein roter Faden
durch die gesamte Geschichte des zeitgenössischen Hip Hop.
Unser erster Überraschungsfilm der Juli-Nacht im BALI wurde bereits
mehrfach im obigen Artikel erwähnt. Die unvergleichliche Pam
Grier schlägt sich in der 'hood mit Koksdealern,
Undercover-Cops, Unterweltköniginnen, Nutten, Politikern und
abgesägten Schrotflinten herum. Hier wird dem aufgeschlossenen
Filmfreund alles geboten, was er vom Genre erwartet: Riesige Afros,
pimpige Klamotten, einen fetzigen Funk-Score, Sex und jede Menge
Action. Auch für den Trash-Adepten wird einiges an Schauwerten
aufgefahren, doch allzu viel soll noch nicht ausgeplaudert werden...
Lieblingsdialog:
"Ich hab was gegen Selbstjustiz."
"Das ist so amerikanisch wie ein Hamburger."
"Ich hab was gegen Selbstjustiz."
"Das ist so amerikanisch wie ein Hamburger."
Rezension von Slim Naughton auf Film Maniax:
http://film-maniax.wetpaint.com/page/Foxy+Brown
http://film-maniax.wetpaint.com/page/Foxy+Brown
Der zweite Film ist ein aktueller Beitrag aus dem Jahr 2009 und kann als
Remake und Hommage an das gesamte Genre gewertet werden. Regisseur
Scott Sanders schickt Michael Jai White ins Viertel, wo er als
Elitekämpfer mit Six-Shooter und Nunchako unter bösen
Dealern und Gangstern aufräumt.
Nicht nur einer der besten Filme des Jahres, sondern auch eine rasant
inszenierte, humorige und liebevolle Verbeugung vor der goldenen Ära
des Blaxploitation-Kinos!
Da der Film einen Großteil seines Charmes aus den kultverdächtigen
Dialogen bezieht, werden wir ihn in der englischsprachigen
Originalfassung mit Untertiteln zeigen.
Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten — lassen Sie sich
überraschen! Wir garantieren: Es wird stilgerecht krachen,
scheppern und grooven.
Rezension von Robert auf Handle Me Down:
http://www.handlemedown.de/index.php?opt...
http://www.handlemedown.de/index.php?opt...
Die auf dieser Netzpräsenz veröffentlichten Filmbesprechungen haben rein
filmjournalistische Bedeutung. Das verwendete Bildmaterial dient nicht zu Werbezwecken,
sondern ausschließlich zur filmhistorischen Dokumentation.