Filmclub Bali
   
 

DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN

(„Nightmare“, GB 1964) R: Freddie Francis

Die angenehm merkwürdigen deutschen Titel ausländischer Filme ...

Janet (Jennie Linden) wird von fürchterlichen Albträumen gepeinigt! Obwohl inzwischen sechs Jahre ins Land gezogen sind, seit das Mädchen im zarten Alter von elf Jahren zur Zeugin eines schrecklichen Vorfalls wurde. Ständig fürchtet sich Janet davor dem Wahnsinn zu verfallen, wie ihre Mutter in einem Irrenhaus zu landen. So verlässt die junge Frau zunächst die Schule, im elterlichen Anwesen soll sie zur Ruhe kommen. Janets Vormund Henry Baxter (David Knight) hat die fürsorgliche Grace Maddox (Moira Redmond) eingestellt, die ausgebildete Fachkraft soll die Rolle einer mütterlichen Freundin einnehmen. Überdies haben die Hausangestellten Mrs. Gibbs (Irene Richmond) und John (George A. Cooper) den angeschlagenen Teenager ins Herz geschlossen, in diesem positiven Umfeld darf auf das Verschwinden der grausigen Träume gehofft werden. Leider erfüllt sich diese Hoffnung nicht, mehr und mehr scheint Janet den Bezug zur Realität zu verlieren, verstrickt sich immer tiefer in Träume und wahnhafte Vorstellungen. Mehrfach warnt der gerufene Arzt (John Welsh) vor einer weiteren Verschlimmerung der Lage, rät dazu Janet in einem Sanatorium unterzubringen. Henry lehnt diesen Vorschlag zunächst ab. Doch dann trifft Janet erstmalig auf die Ehefrau ihres Vormunds, es kommt zu einer ungeahnten und blutigen Katastrophe …
Der Satan mit den langen Wimpern
Mit der britischen Filmschmiede Hammer verbindet der Filmfreund zahlreiche Horrorstreifen der schönsten Sorte. Unholde wie Dracula, Frankenstein und sonstiges Gezücht sorgen auch nach Jahrzehnten für wohlige Gruselschauer. Größte Stars dieser Ära waren Peter Cushing und Christopher Lee, häufig bereiteten attraktive Damen dem Auge des Zuschauers zusätzliche Freude. Ich liebe den typischen Hammer Horror abgöttisch, darüber soll aber nicht vergessen werden, dass die Briten sich nicht auf das Genre um Vampire und Leichenfledderer beschränkten. Thriller waren ein fester Bestandteil des Hammer Kosmos, der hier kurz vorgestellte Film bedient dieses Spielfeld in sehr unterhaltsamer Weise.
Regie führte (der 2007 leider verstorbene) Freddie Francis, der auf eine lange Karriere als Kameramann und Regisseur verweisen kann. Seine Blütezeit auf dem Regiestuhl begann in den frühen sechziger Jahren, sie dauerte bis zur Mitte des folgenden Jahrzehnts an. Francis war mehrfach für Hammer tätig, arbeitete allerdings auch für die Mitbewerber Amicus und Tigon. Besonders angetan haben es mir die Amicus Produktionen "Die Todeskarten des Dr. Schreck" (1964) und "Die tödlichen Bienen" (1967). Bei der hier kurz vorgestellten Hammer Produktion kann Francis auf ein äußerst solides Fundament bauen. Gewohnt stimmungs- und stilvolle Kulissen bieten den perfekten Rahmen, die Kamera bediente der versierte John Wilcox, aus der Feder von Don Banks stammt der solide Score (welcher in meinen Ohren teils eine Spur zu bieder und konservativ tönt). Jimmy Sangster verbucht das Drehbuch auf seinem Konto, die Wendungen kommen nicht allzu überraschend aus der Kiste gehüpft, hier und da hätte die Boshaftigkeit ein wenig wüster zuschlagen dürfen.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Akteure vor der Kamera. In der ersten Hälfte steht Janet im Mittelpunkt, dargestellt von der ab und an leicht überfordert anmutenden Jennie Linden. Ich möchte Lindens Vorstellung nicht allzu sehr bemängeln, die junge Dame befand sich noch in der Anfangsphase ihrer Laufbahn. Freilich ist die Darbietung einer psychisch angeschlagenen Person oft kein leichtes Spiel, nicht immer meistert Jennie Linden den schwierigen Balanceakt zwischen Ernsthaftigkeit und Nervensägerei. Vielleicht war seitens Regie und/oder Drehbuch eine gewisse Ironie gefragt, die sich bei genauer Betrachtung unterschwellig durch den Film zieht, für die Nachwuchskraft vermutlich eine kaum zu stemmende Herausforderung. Moira Redmond verlangt die Erzählung sehr unterschiedliche Charaktereigenschaften ab, der Bogen spannt sich von herzlich über kalt bis hysterisch. Frau Redmond meistert jede Marschrichtung vorzüglich, eine hochklassige Vorstellung. Irene Richmond und Brenda Bruce sind die unterschätzten Seelchen der Handlung, David Knight gibt den glatten Rechtsverdreher, George A. Cooper steht dem freundlichen Teil der Damenriege als züchtiges Helferlein zur Seite. Auf die kleineren Nebenrollen gehe ich an dieser Stelle nicht weiter ein, alle Beteiligten machen einen guten Job, Jennie Lindens Vorstellung mag manch anderer Filmfreund etwas positiver als ich zu beurteilen.
Hammer garniert den hauseigenen Psychothriller mit einer düsteren Gruselstimmung, in dieser Schnittmenge des Wohlgefallens sollten sich Freunde des Horrors, Krimis und der frühen sechziger Jahre gut aufgehoben fühlen. Klar, hier weht noch nicht der frische Wind durchs Haus, der ab Mitte/Ende des Jahrzehnts die gesamte westliche Welt in Aufruhr brachte. Wen wundert es, immerhin wurde der Film bereits 1962 produziert (aber erst 1964 in die Kinos gebracht). Behaglicher Schrecken aus der Knuffelkiste, sinnlicher Höhepunkt in Form dämonischer Auswüchse gegen Ende, staubige Muffigkeit der (oft) biederen fünfziger Jahre auf dem Rückzug. Nach 79 Minuten kurzweiligen Minuten endet der Streifen, Leerlauf ist nicht auszumachen.
Koch Media präsentiert "Der Satan mit den langen Wimpern" im Rahmen der "Hammer Edition" (bitte nicht mit der gleichnamigen Reihe aus dem Hause Anolis verwechseln). Titel des Labels erfreuen fast immer mit gelungenen Scheiben, die DVD zu diesem kleinen Schätzchen von Hammer bildet keine Ausnahme. Schöne Qualität des Films, der Bonusbereich bietet einen Trailer samt Bildergalerie an, abgerundet wird das Set durch ein beiliegendes Booklet, obendrauf gibt es einen schicken Schuber.
6,5/10 - Vielleicht eine geizige Bewertung. Indessen hat das Genre so unglaublich viele Meisterwerke und Überflieger zu bieten, mehr Punkte kann ich mir in diesem Rahmen nicht abringen. Bitte beachtet, diese 6,5/10 sind ein kleines Schwergewicht mit Wohlfühlgarantie!
Lieblingszitat:
"Wissen wir wo ein Traum aufhört und die Wirklichkeit beginnt?"

- Blap -





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