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DER NEW YORK RIPPER

(„Lo Squartatore di New York”, Italien 1982) R: Lucio Fulci

In New York treibt ein Serienkiller sein Unwesen, der seine – ausschließlich weiblichen Opfer – mit dem Messer zerschlitzt und dabei mit einer quäkenden Donald Duck-Stimme spricht. Lieutenant Williams (Jack Hedley) ermittelt, hat aber keine heiße Spur – obwohl der Killer ein starkes Mitteilbedürfnis hat und ihn bereits privat anruft, um den nächsten Mord anzukündigen. Erst als die junge Fay (Antonella Interlenghi) eine Attacke des Unholds überlebt, gibt es einen Hinweis auf den Täter – den drogenabhängigen Griechen Mickey Scellenda (Howard Ross). Aber diese Spur erweist sich als fatale Sackgasse – denn nachdem Scellenda tot aufgefunden wird, gehen die Morde weiter…
Der New York Ripper
Damals: die wilden 80er, wir waren jung und hatten das Geld. Während die Eltern dieses Geld für uns anschaffen gingen, wurden verbotene Videonachmittage im rustikalen Wohnzimmer abgehalten, im VCR landeten vornehmlich übel beleumundete Kassetten, um den Kumpanen zu zeigen, was für ein harter Kerl man war. Einer dieser Streifen war DER NEW YORK RIPPER.
Gestern, zu später Stunde, gab es nach unglaublichen 25 Jahren ein Wiedersehen mit diesem fiesen Brocken – der Eindruck war zwiespältig…
Der Film ist größtenteils sauber und souverän inszeniert, Kameramann Luigi Kuveiller kleidet das Geschehen in ansehnliche Bilder, ohne jeglichen Hang zu überzogenen visuellen Mätzchen. Dasselbe kann man vom Drehbuch nicht behaupten, das scheinbar in höchster Eile zusammengeschludert wurde und Ungereimtheiten aufweist, die zum Haare raufen animieren. Co-Autor Dardano Sacchetti ist eigentlich eine Koryphäe in seinem Metier, hier benötigte er offensichtlich schnelle Kohle. Mal abgesehen vom restlos hanebüchenen Plot und der lächerlichen Auflösung, wird auch sonst reichlich Anlass zum Stirnrunzeln geliefert. Das Script serviert eine weitgehend unlogische, wirre und spannungsarme Aneinanderreihung von Schnetzeleien und lahmarschigen Polizeiermittlungen, gewürzt durch unmotivierte Sexszenen. Wann immer sich Gelegenheit bietet (und auch, wenn sie sich nicht bietet), tunken Fulci und Sacchetti ihre Mähr tief in den Sleaze-Kübel. An äußerst schmierigen Momenten gibt es keinen Mangel, wozu auch die Grundatmosphäre des Films beiträgt – selbst die Locations (triste U-Bahnstationen, düstere Hochhausschluchten, trostlose Stripclubs und Rotlichtmeilen) schwitzen aus jeder Pore reinsten (S-)Exploitation-Schmand. In dieser Hinsicht punktet Fulci auf alle Fälle gewaltig. Als Giallo funktioniert der viel zu uninspirierte Stoff nicht wirklich, eher als Giallo/Slasher-Bastard. Leider muss man den nervtötenden Disco-Score von Francesco de Masi auch als eher kontraproduktiv bezeichnen.
Was nun die ausgedehnten Mordszenen und Verhackstückereien angeht, so sind sie – unter heutigen Gesichtspunkten – weit weniger aufregend, als dies vor 20 Jahren der Fall gewesen sein mag. Die damalige Hysterie der Hexenjäger des „Jugendschutzes” lässt sich kaum noch nachvollziehen. Man könnte dem Film einiges vorwerfen, wenn man denn wollte – daß er frauenfeindlich, schwulenfeindlich, ausländerfeindlich, reaktionär und gewaltverherrlichend sei. Man kann es aber auch lassen und sich einfach nur auf einen klebrigen Sleaze-Ride einlassen, bei dem ein gewisses schuldiges Vergnügen zurückbleibt. Widerlich, dreckig, schmierig – manchmal braucht man das…
Gut gefallen hat mir, daß Fulci nicht davor zurückschreckt, auch seine Helden mit Unrat zu überkleistern – der hinzugezogene Polizeipsychologe (Paolo Malco) kauft sich heimlich homophile Ferkelheftchen am Kiosk, Lieutenant Williams bekämpft seine nächtliche Einsamkeit mit Besuchen bei einer Bordsteinschwalbe (die ihm morgens nicht mal einen Kaffee kochen will), brave Ehefrauen aus gutem Hause lassen sich in ihrer Freizeit als Lustobjekte missbrauchen. Eine Weltsicht, die ich teile!
Die Schauspieler leisten nichts Umwerfendes, bewegen sich eher routiniert durch ihr Schmuddeluniversum. Jack Hedley nimmt man den stereotypen, ständig übermüdeten New Yorker Bullen recht passabel ab. Erwähnenswert sind vor allem noch Howard Ross (WEREWOLF WOMAN) als ziemlich ekliger, entstellter Schmierbeutel und die lasziv-perverse Alexandra Delli Colli, die schon in ZOMBIES UNTER KANNIBALEN für den Sexploitation-Faktor sorgte. Paolo Malco sammelte bereits Erfahrungen mit Onkel Lucio, ein Jahr zuvor zog er in DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER ein. Fulci selbst absolviert einen Kurzauftritt als Polizeichef.
LO SQUARTATORE DI NEW YORK, produziert vom findigen Fabrizio de Angelis, ist weit davon entfernt, Fulcis bester Film zu sein, mit Sicherheit ist er aber sein bekanntester. Die Qualitäten seiner früheren Horrorfilme oder gar Gialli – die beinahe surreale, alptraumhafte Grundstimmung – vermisst man bei diesem Output schmerzlich. Punkten kann er mit einer unerreicht ekligen Atmosphäre, die ein stinkendes Süppchen aus Blut, Sex und Dreck zusammenkocht.
Eines noch zum Nachschlag: Als x-mal härter und verstörender als jede Gore-Szene, empfinde ich die Schlussszene des Films – das kleine Mädchen im Krankenzimmer. Da musste ich wirklich schlucken. Hätte Fulci nur etwas häufiger dieses Gespür bewiesen…
Ich gebe ja nur selten Punkte – aber in diesem Fall, zur Verdeutlichung: 6,5 /10
Lieblingszitat:
"Quack, quack, quack!"
- Pelle -





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