Filmclub Bali
   
 

DIE KRÖTE

("La Banda des Gobbo", Italien 1978) R: Umberto Lenzi

Ein Festtag! Nach Jahren des Suchens und Wartens (auf eine längst fällige DVD-Auswertung), bin ich gestern Abend endlich in den Genuss von Lenzis DIE KRÖTE gekommen. Zu diesem Anlass habe ich mir meine Lieblings-Spaghetti gekocht und eine Flasche teuren Wein geköpft – das war´s mir wert!
Der bucklige Gangster Vince Marazzi (Milian) ist einer der gefürchtetsten Köpfe der Unterwelt Roms. Seit Jahren geht er der Polizei regelmäßig durch die Lappen. Sein Zwillingsbruder Monnezza Marazzi (Milian) ist nur ein naiver Kleinganove, der in einer Autowerkstatt schuftet, seinen 10 Minuten älteren Bruder aber vergöttert. Als Vince einen Überfall auf einen Geldtransporter plant und mit drei Spießgesellen ausführt, wird er von seinen Kompagnons verraten und um das Geld betrogen. Gleichzeitig rückt ihm und seinem Bruder die Polizei auf den Pelz. Vince taucht bei der Hure Maria unter und plant seinen Rachefeldzug...
Die Kröte
Der Film ist ein Hochgenuss von der ersten bis zur letzten Einstellung. Basta. Dabei darf man hier keinesfalls ein furioses Action-Feuerwerk erwarten, ganz im Gegenteil: LA BANDA DEL GOBBO ist eine (Doppel-) Charakterstudie, ein reinrassiger Schauspielerfilm. Im Zentrum der Handlung steht Milian, alle anderen sind Komparsen. Die Doppelbesetzung funktioniert blendend, tatsächlich hat man mehrmals das Gefühl, es mit zwei Schauspielern zu tun zu haben, so unterschiedlich und facettenreich gestaltet Milian seine beiden Rollen. Der etwas einfältig wirkende (was eine Masche ist) Monnezza diente später als Vorlage für zahlreiche Superbullen-Streifen mit Milian und tauchte in ähnlicher Form auch in DER BULLE UND DAS SCHLITZOHR und DIE GANGSTER-AKADEMIE auf. Milian spielt den Monnezza herrlich überdreht, und die Synchro setzt dem Ganzen die Krone auf. Ich kann an dieser Stelle unmöglich darauf verzichten, Auszüge der unfassbaren Irrenhaus-Szene abzudrucken, in der Monnezza von einem Psychiater befragt wird:
"Ich sage Ihnen einige Worte. Bei jedem Wort, daß ich sage, antworten Sie darauf mit dem ersten Wort, das Ihnen in den Sinn kommt. Klar?"
"Natürlich hab ich verstanden, ich bin doch nicht verrückt!"
"Antworten Sie spontan, überlegen Sie nicht lange! Antworten Sie!"
"Ah...äh... Fotze!"
(entrüstet) "Bitte?"
"Fotze! Sie werden doch `ne Fotze kennen, ´ne Fotze! ...Etwa nicht??"
"Hören Sie, Marazzi. Ich bin es, der hier die Fragen stellt, verstanden, und nicht vice versa!"
"Wer ist Witze Wersa?"
"Das ist keine Person, das bedeutet, daß ich die Fragen stelle und Sie mir atworten! Zum Beispiel, wenn ich also ‘schwarz’ sage, antworten Sie mir ‘weiß’. Ohne nachzudenken, ja? Habe wir uns verstanden?"
"Ja, ja, wir habe uns verstanden."
"Na, wunderbar. Also, dann fangen wir an. Ich sage also: Blume."
"Ähhh... Fotze."
"Hören Sie, Marazzi. Wenn Sie zu Scherzen aufgelegt sind... Ich bin es keineswegs!"
"Ich bin es auch nicht. Ich hab hier verdammt viel Zeit verloren! Wie kommen Sie darauf, daß ich scherze? Das verstehe ich wirklich nicht, Dottore! Sobald ich morgens in der Frühe aufstehe, ist mein erster Gedanke: Fotze! Ich muss immerzu an Fotzen denken, Entschuldigung, ich kann doch nichts dafür! Mozzarella?"
Göttlich. Auch weitere Entgleisungen werden serviert, an Schimpfworten gibt es u.a. "Spielt sich auf wie ’ne feine Signora und ist nichts weiter als ein arschgeficktes Suppenhuhn !" – eine Titulierung die in zahlreichen Italo-Streifen zu höen ist. Aber das ist bei Weitem nicht das letzte Schmankerl, das uns die Synchronschmiede vorsetzt, hier wurde ganze Arbeit geleistet.
Den Charakter des buckligen Vince gestaltet Milian mit gänzlich anderen, feineren Nuancen – er ist ein verschlagener Planer und Denker, der bei aller Hinterhältigkeit das Herz am rechten Fleck trägt, seine Feinde erbarmungslos hasst, seine Freunde aber nicht vergisst. Seinen Bruder beschimpft er zwar häufig, letztendlich liebt er ihn aber ebenso wie seine Freundin, die Hure Maria (Isa Danieli). Absolut unvergesslich ist die Szene, als Vince mit Maria eine Nobeltanzbar besucht, die Gäste sich über ihn lustig machen und er sich auf sehr pikante Weise revanchiert. Ich habe gejubelt!
Das Drehbuch ist straff und effizient, und auch wenn es einige Logiklöcher aufweist, macht die sorgfältige Charakterisierung alles wieder wett. Der Film hat eine einzigartig dreckige und authentische Atmosphäre, wie die meisten von Lenzis Polizeireißern.
Fazit: Hier gibt es nichts zu meckern. Ich halte DIE KRÖTE für den besten Lenzi-Policiesco neben dem BERSERKER. Bleibt nur zu wünschen, daß sich ENDLICH ein deutsches Label erbarmt, dieses Juwel als DVD auf den Markt zu werfen. Wenn DIE VIPER und DER VERNICHTER es auf Silberling geschafft haben, sollte der KRÖTE doch eigentlich eine Sonderedition reserviert werden.
Außerdem giere ich danach, dieses Meisterwerk mit italienischer Tonspur zu genießen, obwohl die deutsche Synchro natürlich das Haus kaputt rockt!
- Pelle -

Blaps Kommentar:

Vincenzo (Tomas Milian) wurde von der Natur mit einem ausgeprägten Buckel bedacht, daher nennt man ihn auch "Il gobbo". Der Bursche ist ein berüchtigter Gauner, der ständig irgendwelche illegalen Aktivitäten ausheckt. Egal auf welcher Seite des Gesetzes man steht, jeder Polizist und jeder Kriminelle in Rom kennt Vincenzo, hat zumindest von ihm gehört. Der Bucklige will einen Geldtransporter ausrauben, die Sicherheitsleute sollen mit Rauchgas außer Gefecht gesetzt werden. Natürlich braucht er für diesen Beutezug Helfer, ergo weiht er Milo den Albaner (Sal Borgese), Di Gennaro (Guido Leontini), sowie den verschlagenen Perrone (Luciano Catenacci) in seine Pläne ein. Perrone soll das Unterfangen vorfinanzieren, was er wegen der zu erwartenden Beute auch gern übernimmt. Allerdings wird Vincenzo von seinen Komplizen hintergangen. Während des Überfalls schießt der Albaner auf den Buckligen, so will man der Polizei gleich den (ermordeten) Kopf der Bande auf dem silbernen Tablett servieren, während die Verschwörer einen größeren Anteil für sich behalten können. Vincenzo überlebt den Anschlag auf sein Leben, er kann sich kurz vor dem Eintreffen der Polizei in die Kanalisation verziehen. Der Betrogene will grausame Rache verüben, doch ganz Rom ist ihm auf den Fersen, zusätzlich ist er durch sein prägnantes Äußeres kaum zu verwechseln. Lediglich seine Freundin Maria (Isa Danieli), eine Hure mit Herz, und Vincenzos Zwillingsbruder Sergio (Tomas Milian) stehen bedingungslos hinter dem Buckligen...
"La banda del gobbo" bietet einen phantastisch aufgelegten Tomas Milian... ...und das gleich im feisten Doppelpack!!! Der Film führt zwei Figuren zusammen, die Milian bereits zuvor verkörperte. Der Bucklige tauchte in "Die Viper" (Roma a mano armata, 1976) auf, Sergio stammt aus "Das Schlitzohr und der Bulle" (Il trucido e lo sbirro, 1976). Alle genannten Filme entstanden unter der Regie von Umberto Lenzi. "Die Kröte" kann man als eine Art Prequel zu diesen Werken bezeichnen, ein Sequel lässt das Finale von "Die Viper" nicht zu. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Figur Vincenzo, Sergio fungiert hier mehr in der Position des aufrechten Helferleins, hat aber einige sehr starke Momente vorzuweisen, die dem geneigten Zuschauer die Lachtränen gewissermaßen aus den entzündeten Augen saugen und über die faltigen Wangen peitschen! Tomas Milian ist immer eine sichere Bank, in dieser Doppelrolle dreht er richtig auf, scheint beständig unter Volldampf zu stehen. Da wundert es kaum, dass alle anderen Mitwirkenden fast zu Statisten degradiert werden. Dabei hat "Die Kröte" durchaus gestandene Könner und Charakterschädel vorzuweisen. Sal Borgese kommt hier nicht als knuffiger Sympathieträger daher, sondern verkörpert einen Fiesling ist dabei aber ebenso überzeugend. Mit einer Fratze wie der von Luciano Catenacci muss man fast gezwungenermaßen ekelhafte Typen spielen, was dem guten Mann selbstverständlich erstklassig gelingt. Isa Danieli entspricht auch nicht der Vorstellung einer scharfen Italienerin, passt aber perfekt in die Rolle der treuen, tapferen Hure. Pino Colizzi bleibt in der Rolle des Krimialbeamten Sarti recht unscheinbar, diese Sachlichkeit ist zu begrüßen, da er dem Film eine sinnvolle Erdung verleiht, die Sause nicht in hysterischen Klamauk abgleiten lässt. Nello Pazzafini, der einer der gefragtesten Nebendarsteller seiner Zeit war, erfreut als Kumpan des Buckligen.
Umberto Lenzi setzt hier weniger auf ausufernde Gewalt und wilde Action. Natürlich gibt es Tote und verschrottete Alfa Giulia, nur hat man das alles schon weitaus wüster, härter und blutiger gesehen. Schaden nimmt "Die Kröte" dadurch aber keineswegs, denn Milian überstrahlt mit seiner unfassbar grandiosen Art sowieso alles und jeden, reißt den gesamten Film an sich. Dies kann natürlich nur funktionieren, wenn der betreffende Schauspieler auch wirklich das Format für eine solche "Alleinherrschaft" besitzt. Aber hey, hier ist von Tomas Milian die Rede, einem DER großartigsten Schauspieler aller Zeiten (wer zum Geier sind De Niro und Pacino?). Für Freunde des italienischen Polizei-/Gangsterfilms ist " La banda del gobbo" ein Freudenfest. So habe auch ich jede Sekunde des Streifens mit Hingabe auf mich Wirken lassen, die Zeit verging wie im Fluge. Doch die Konkurrenz aus eigenem Hause ist verdammt stark. Damit der Vergleich nicht zu ausufernd wird, ziehe ich nur Werke von Umberto Lenzi dazu heran. Der ernsthafter gehaltene "Die Viper" gefällt mir einfach noch ein wenig besser als "Die Kröte". Nicht zu vergessen der fiese Vorschlaghammer namens "Der Berserker" (Milano odia: la polizia non può sparare, 1974), in dem Lenzi und Milian alle Register ziehen und mehrfach völlig die Contenance verlieren. Zugegeben, es sind sicher auch die ruppigen Momente, die mein Herz besonders für "Der Berserker" schlagen lassen. Doch da ist noch mehr, ich liebe die gesamte Atmosphäre des Films, auch ohne die Gewalt würde er für mich überzeugend funktionieren. "Die Kröte" wirkt manchmal schon fast ein wenig zahm, man lausche aufmerksam den Dialogen. "Il gobbo" philosophiert auf seine ganz eigene Art, der leitende Ermittler kommt längst nicht so reaktionär daher, wie man es aus anderen Beiträgen zum Genre gewohnt ist (Die deutsche Synchro scheint erst später entstanden zu sein, denn hier ist von "E.T." die Rede, der erst 1982 in die Kinos kam). Dies soll aber keine negative Anmerkung sein, denn das Gesamtbild dieses Lenzi Streifens ist sehr stimmig. Tja, ganz gleich was der liebe Herr Lenzi anpackt und eintütet, mir gefällt das Ergebnis eigentlich immer. Ob Poliziesco, Giallo, Western, Kannibalen oder Zombies, Umberto rockt zuverlässig das Haus!
So erfreulich die deutschen DVDs zu "Der Berserker", "Die Viper" und "Das Schlitzohr und der Bulle" sind, so unerfreulich ist die Tatsache, dass der ebenfalls unverzichtbare Knaller "Die Kröte" hierzulande noch immer nicht den Weg auf DVD gefunden hat. Glücklicherweise kam ich auf anderem Wege in den Genuss, denn die deutsche Synchronisation macht in diesem Fall wirklich Freude.
Guter bis sehr guter Stoff = 7,5/10 (Hier würde mit Sicherheit mindestens eine Bewertung von 8/10 stehen, wenn das Genre nicht so viele Knüller am Start hätte! Diese 7,5/10 sind also ein echtes Schwergewicht!)
Lieblingszitat:
"...und wollen wir wetten, dass wir Armen an dem Tag, an dem Scheiße zu Gold wird, ohne Arsch geboren werden!?"
- Blap -





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