Filmclub Bali
   
 

KNIE NIEDER UND FRISS STAUB

("Anda Muchacho, spara!", Italien 1971) R: Aldo Florio

Ein (zunächst namenloser und nur als "Fremder" bezeichneter) Sträfling (Fabio Testi) entflieht der Steinbruchplackerei des Zuchthauses und findet Unterschlupf bei dem gutherzigen alten Mexikaner Joselito (José Calvo), der auch einen Beutel Gold in den Fremden "investiert". Denn Joselito gehört zu einem Dorf von mexikanischen Minenarbeitern, die von dem reichen wie skrupellosen Gringo Redfield (Eduardo Fajardo) ausgebeutet werden. Der Fremde reitet in die Stadt, begibt sich als erstes zum Barbier und bestellt diesem schöne Grüße von "Emilio", worauf der verstörte Frisör ihn mit der abgesägten Doppelläufigen von hinten niederstrecken will. Doch im Nu erblüht ein hässliches rotes Loch auf seiner Stirn.
Der Fremde verfährt nun ähnlich mit dem Sheriff des Ortes, woraufhin ihn Redfield und seine Bagage in die Dienste nimmt. Bald merkt der Fremde, daß im Hause Redfield die Knute regiert: Der eine ist dem Anderen spinnefeind, Habsucht und Missgunst allerorten und obendrein hält man sich eine Sexsklavin in Gestalt der schönen Mexikanerin Jessica (Cháro Lopez). Der "Straniero" (dessen Name Roy Greenford erst viel später gelüftet wird) beginnt nun zu intrigieren, den gebeutelten Mexikanern zu helfen und versucht die miesen Hunde gegeneinander zu hetzen, was nur teilweise gelingt, da Redfield ein wachsames Auge auf ihn geworfen hat. Ein mit den Mexikanern ausgeheckter Goldraub geht schief und Roy fliegt auf.
Knie nieder und friss Staub
Holla, da war die Überraschung aber groß! Bei KNIE NIEDER UND FRISS STAUB handelt es sich um einen sehr guten und liebevoll gestalteten Italowestern, der durch ein ungewöhnliches und sorgsam konstruiertes Drehbuch und eine feinfühlige Regie überzeugt. Die Geschichte des Fremden wird im Verlauf der Handlung durch geschickt platzierte Rückblenden erzählt – anfangs denkt man noch, die Inszenierung halte dem Zuschauer die Details der Flucht und die Umstände, die zu Roys Rachefeldzug führen, vor. Dies wird aber alles sehr befriedigend und gekonnt aufgedröselt, was ein wirklich ungewöhnlicher Kniff für einen Western dieser Art ist. Obwohl die Story kraftvoll und ohne überflüssige Mätzchen inszeniert wurde, lässt Regisseur Aldo Florio sich die nötige Zeit für die Entwicklung seiner Charaktere. Der Film ist deutlich beeinflusst von Leones Dollar-Trilogie, weist jedoch eine durchaus eigenständige Handschrift auf.
Fabio Testi weiß in der Rolle des fremden Rächers vollauf zu überzeugen. In der Mitte des Films wird er durch den genretypischen Fleischwolf gedreht und muss eine Menge Prügel einstecken. (Dieses Prinzip kennt man ja aus fast jedem Italowestern, oft wird das zu erduldende Martyrium ja gar mythisch überhöht – der Held wird aufgehängt, gerädert, an Marterpfähle gebunden. Dieses "katholische" Element der Kreuzigung/Auferstehung feiert auch hier holde Urständ und wird sogar noch weiter getrieben – aber seht selbst...) Synchronisiert wird er in diesem Film von Klaus Kindler, der deutschen Stimme von Clint Eastwood, was die Ähnlichkeit mit Leones Werken noch verstärkt.
Eduardo Fajardo durfte ja bereits in DJANGO den Oberfiesling Major Jackson zum Besten geben und spielt auch hier den Erzschurken grandios.
Die liebreizende Charó Lopez zieht ungewöhnlich häufig blank, aber jo mei, die Dame kann sich halt auch sehen lassen. Darüber hinaus spielt sie die weibliche Opferrolle mit einer unterkühlten Strenge, was ihr gut zu Gesicht steht und zur Erlösungsthematik am Ende passt.
Lustig fand ich auch Paco Sanz (der zerstreute Professor und Templerexperte aus NACHT DER REITENDEN LEICHEN), der hier als schrulliger Telegraph und Deus Ex Machina auftritt.
Der Regisseur Aldo Florio war für mich bislang ein völlig unbeschriebenes Blatt der Italo-Filmhistorie. Kein Wunder, gehen auf sein Konto doch gerade mal sechs Filmchen, von denen ich keinen gesehen habe. (In den 80ern schrieb er dann noch die Drehbücher zu den Endzeit-Heulern 2020 – TEXAS GLADIATORS und ENDGAME, beide unter der Regie von Joe D´Amato.) Umso erstaunlicher, dass er mit KNIE NIEDER einen rundum gelungenen Beitrag zum Genre abgeliefert hat. Ein Gutteil davon mag dem wohl durchdachten Drehbuch zuzuschreiben sein. Hervorragend ist auch die Musik von Bruno Nicolai, die teilweise zwar stark an Morricones Score in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD angelehnt ist, aber trotzdem eigenständig genug daherkommt.
Bei der erstklassigen DVD von Koch gibt es mal wieder nichts zu bemängeln. Als Boni werden der englische Trailer und deutscher Vorspann, Bildergalerien mit seltenen Werbematerialien, sowie ein interessantes und charmantes Gespräch mit Aldo Florio gereicht. Daumen hoch!
- Pelle -





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