Filmclub Bali
   
 
AlpTraum
Plakat

Heimatfilm-Nacht

am Freitag, den 18.04. um 23 Uhr im Kino Babylon

Und ewig singen die Wälder. Grün ist die Heide. Der Förster vom Silberwald. Die Magd von Heiligenblut.
Filmtitel, die dem einen das Herzelein in der Brust erwärmen und dem anderen abwechselnd Wutschaum und Kotze vor die Lippen spülen. Kaum ein Kinogenre wurde je so zwiespältig aufgenommen, wird gleichzeitig so sehr geliebt und gehasst wie der Deutsche Heimatfilm. (Wobei der Begriff „deutsch“ weit dehnbar ist; schließlich stammen viele Heimatfilme aus Österreich oder der Schweiz.)
Gruen ist die Heide
Der Heimatfilm ist in erster Linie ein (kino-)historisches Phänomen, das wie kaum ein anderes Genre an seine Entstehungszeit gebunden ist – und zwar an die deutsche Nachkriegszeit. Seine große Blütezeit erlebte dieses „Heile Welt“-Kino zwischen Ende der 40er und Mitte der 60er Jahre in Westdeutschland. Obwohl bereits in den 20er und 30er Jahren Filme gedreht wurden, die im dörflichen, bevorzugt oberbayerischen Milieu angesiedelt waren (etwa Verfilmungen der Romane von Ludwig Ganghofer oder Adaptionen deftiger Schwänke), erlebte der Heimatfilm seine größte Popularität nach dem zweiten Weltkrieg. Hier konnte die geschundene deutsche Volksseele sich im Lichtspiel erholen, konnte in vom Kriegsgeschehen unbeschädigten Naturkulissen schwelgen, durfte einem kernigen Patriotismus frönen, ohne gleich als Neonazi diffamiert zu werden. Hier konnte der um seinen Stolz und seine Identität beraubte Deutsche Michel unschuldig durchatmen und klare Bergluft schnuppern. Es ging um ewige, tiefe Werte, um Freundschaft, Liebe, Familie und um das Leben in der ländlichen Gemeinschaft. Die Hauptfiguren der Geschichten setzten sich meist aus ruralen Autoritäten wie Ärzten, Förstern, Pfarrer, Gastwirten oder Bürgermeistern zusammen, bei denen Gut und Böse in sauberer Schwarzweiß-Kontrastierung getrennt waren. Fast immer ging es um die große Liebe, die durch äußere Hindernisse wie Standesdünkel, Feindschaft der Eltern, Intrigen oder widrige Umstände verhindert wurde, aber letzten Endes in einem unausweichlichen Happy End Erfüllung fand. Die Handlung der Filme spielte größtenteils in den Bergen Österreichs, Bayerns oder der Schweiz, manchmal auch in der Lüneburger Heide, im Schwarzwald oder am Bodensee. Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd‘.
Das alte Försterhaus
Kulturhistorisch kann der Heimatfilm als Antwort auf die schweren äußeren Zerstörungen und das Unrecht des Nationalsozialismus gewertet werden, der Begriffe wie „Heimat“ und „Tradition“ als „Blut & Boden“-Propaganda missbrauchte und für seine verbrecherische Ideologie instrumentalisierte. Der Zersetzung der „kleinsten Zelle des Staates“, der Familie, und dem sozialen Autoritäts- und Werteverlust der Nachkriegszeit setzte der Heimatfilm das idyllische Modell einer unbefleckten Idealwelt entgegen. Droben auf den Berggipfeln konnte man unbedarft Janker und Kniebundhosen überstreifen und den sehnsuchtsvollen Blick zur heilen Ferne schweifen lassen, ohne dass es nach braunem Muff stank oder die Skelette der jüngsten Vergangenheit am Hintertürlein kratzten.
Schwarzwaldmädel
Dass es sich bei den meisten Heimatfilmen der 50er und 60er Jahre allerdings um nur unwesentlich entschärfte Neu-Adaptionen von Josef Goebbels‘ UFA-Filmen aus dem Dritten Reich handelte, störte Otto Normal-Spießer, der nach seichter Entspannung lechzte, nicht im Mindesten. In dieser Hinsicht herrschte allenthalben nur das Schweigen im Walde.
Erst ab Mitte der 1970er entstanden vermehrt Filme, die den Versuch unternahmen, ungeschönt die damaligen Verhältnisse in Berg- und Landwirtschaftsgebieten darzustellen. Dazu zählten auch Filme (beispielsweise DER BOCKERER [1981] oder die TV-Serie LÖWENGRUBE [1989-1994]), die das ländliche Leben in der Phase des Nationalsozialismus und in der Besatzungszeit behandelten.
Ebenfalls zu dieser Zeit erlebten die von der Hofbauer-Sexwelle (SCHULMÄDCHEN-REPORT Teil 1-13) beeinflussten Lederhosenfilme ihre saftige Blütezeit in den Bahnhofskinos, bei denen die Atmosphäre eines derb-frivolen Bauerntheaters wiederauflebte. Als späte Nachfolger der traditionellen Heimatfilme könnte man Fernsehserien wie „Die Schwarzwaldklinik“, „Schlosshotel Orth“ oder „Forsthaus Falkenau“ nennen, die Elemente der US-amerikanischen Seifenoper hinzufügten.
Auf der Alm da gibt's koa Sünd


Jagdszenen aus Niederbayern
In modernen Heimatfilmen wurde vor allem das perverse und morbide Moment akzentuiert. Denn da wo Licht ist, sind auch bekanntlich Schatten: Selbst weniger sensiblen Gemütern fällt das Potential der Heimatfilme für düstere und abgründige Stoffe ins Auge. Sujets wie Inzest, religiöser Wahn, Rassismus und häusliche Gewalt liegen geradezu auf der Hand. So zeigt SCHLOSS HUBERTUS (1973) das massenhafte Abschießen von Gämsen, JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN (1968) thematisiert gewaltsame Vorurteile gegen Homosexuelle, HERBSTMILCH (1989) und HÖLLEISENGRETL (1994) handeln von Schikanen, Alkoholmissbrauch und Leid im traditionellen Familiengefüge und der Krimi TANNÖD (2009) verarbeitet Details eines grausamen Mordfalls, der sich 1922 auf dem nicht mehr existenten oberbayerischen Einödhof Hinterkaifeck ereignete.





Da Sie, werte Gäste und Clubmitglieder, sich bei uns im Filmclub BALI und nicht beim „Bund für Heimatschutz und Kulturerhalt“ befinden, zeigen wir Ihnen im April natürlich zwei ausgewählte Lichtspiele der letzten Kategorie.
Sukkubus - den Teufel im Leib
Film Nummer Eins ist gewissermaßen ein Remake des skurrilen deutschen Horror-Heimatfilms SUKKUBUS (1989) von Georg Tressler, der seinerseits auf einer uralten alpinen Legende basiert: Nach langen Wochen des einsamen Darbens wurden drei Hirten auf einer Alm an einem bierseligen Abend derart notgeil, dass sie ihre ranzigen Schniepel in eine selbstgebastelte Frauenpuppe aus Stroh, Besenholz und Lumpen steckten. Davon bekam der leibhaftige Deibel Wind, der die Sex-Doll flugs in ein echtes rattenscharfes Weibsbild aus Fleisch und Blut verwandelte. Die Bergbauernbuam hatten ihre helle Freude, welche jedoch nur von kurzer Dauer war…
Regisseur Michael Steiner verpackte im Jahr 2010 diese bekannte Schweizer Mähr in das Gerüst eines Kriminalfilms mit deutlichen Mystery- und Horror-Anteilen. Atemberaubende Scope-Bilder, ein bombastischer Score, eine bedrückend-düstere Atmosphäre, unzählige Plot-Wendungen in einem gewagt strukturierten Drehbuch und nicht zuletzt die herausragende schauspielerische Leistung der bezaubernden Hauptdarstellerin Roxane Mesquida machen diesen filmischen ALPtraum zu einem Erlebnis, das man unbedingt auf der großen Leinwand erfahren haben sollte.
Hochintelligent konstruiert, spannend bis zum Schluss, kein Einheitsbrei. Kurz: Ein kleines Meisterwerk.
(Near-Dark.de)


Film Nummer Zwei ist ein funkelnagelneuer österreichischer Berg-Schocker, der 2013 von dem jungen Regisseur Marvin Kren inszeniert wurde. Von vielen Rezensenten wurde die Story als „Carpenters DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT in den Alpen“ bezeichnet, womit sie sicher nicht ganz falsch liegen. Dennoch ist Kren, der 2010 mit dem Berliner Zombiefilm RAMMBOCK debütierte, ein durchaus eigenständiger und origineller Horror-SF-Hybrid gelungen, der vor Spannung birst und mit einem großartigen Schauspieler-Ensemble aufwartet. Mit einem Budget von läppischen zwei Millionen Euro entstanden, bietet sich dem Monster-Freund ein mit viel Liebe handgemachtes Creature-Feature, wie man es in dieser Form aus heimischen Breitengraden noch nicht erlebt hat.
Nach der Zombie-Apokalypse in Berlin nun die Mutanten-Invasion aus dem Gletschereis. Der neue Film von Marvin Kren hält, was er verspricht: Professionelles, mit Herzblut angerichtetes Monster-Schlachtfest vor bedrohlicher alpiner Naturkulisse.“
(Filmtipps.at)
Er lebt also doch, der deutsch-österreichisch-schweizerische Genrefilm, und wir bringen ihn dahin, wo er hingehört: ins Kino!



Besonders hinweisen möchten wir auch auf den grandiosen Alpenwestern DAS FINSTERE TAL (2013) der im April im Kino Babylon in der Pelmke gezeigt wird.





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